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Bilder der Fremde
Essay รผber Exotismus und Photographie Essay รผber Exotismus und Photographie Vorwort Im รผbrigen sollte klar sein, daร dieses Buch keine Gewiรheit, sondern eine Suche ausdrรผckt. Ich schreibe es nicht, um […]
Essay รผber Exotismus und Photographie
Essay รผber Exotismus und Photographie
Vorwort
Im รผbrigen sollte klar sein, daร dieses Buch keine Gewiรheit, sondern eine Suche ausdrรผckt. Ich schreibe es nicht, um fest geformte Gedanken vorzustellen, sondern in erster Linie, um mir selbst dabei zu helfen, so zu denken, wie es mir vorschwebt[.] […] Das alles fรผhrt mich dann zu der beklemmenden Frage am Schluร, im letzten Kapitel, dem Verfall des Exotismus. Ich schreibe dieses, um mich selbst zu beruhigen, um mich zu รผberzeugen, um schon im voraus aufs Heftigste Ja zu sagen, auch wenn ich nicht weiร, ob das Ja spรคter bestehen bleibt.โ
Der Exotismus beim Kind. Fรผr das Kind entsteht der Exotismus zur selben Zeit wie die Auรenwelt. Abstufung: anfangs ist alles das exotisch, was seine Arme nicht erreichen kรถnnen. Das verbindet sich mit dem Geheimnisvollen. Sobald es aus der Wiege heraus ist, erweitert sich der Exotismus und wird zum Exotismus seiner vier Wรคnde. Wenn es nach drauรen kommt, tritt eine entscheidende Wende, ein Rรผckzug ein. Es bezieht sein Gefรผhl von der Auรenwelt auf sein zuhause; es erlebt mit groรer Heftigkeit die konkrete Welt eines Hauses. Fรผr das Kind ist alles das exotisch, was es als solches ansieht. […] Das geht bis zu dem Tag, an dem erneut alles in Frage gestellt wird und es diese Dinge aus Bรผchern neu erleben muร […] deren steriler Inhalt den Exotismus verkรผmmern lassen.โ
Einleitung
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as Thema Exotik ist sowohl kolonialgeschichtlich als auch mediengeschichtlich fรผr mich ein interessantes Thema: Zeitschriften, Traktatsillustrationen, Glasdias, Postkarten etc. โ diese Medien beherrschten den Markt um die konventionellen, aus einer spezi๏ฌsch eurozentristischen Position heraus fabrizierten, Bilder, die man von der Fremde hatte โ und die immer noch gegenwรคrtig sind. Die als modern und zeitgenรถssisch aufgefaรte Vorstellung von Wissenschaftlichkeit fuรt primรคr in der Publikation von Ergebnissen und Forschungsstrategien mittels Magazinen und Bรผchern. Ich mรถchte den Versuch unternehmen, diese Parallelen anhand alltagsprรคsenten Medien und Bildern zu untersuchen. Den Spagat zwischen Bildern der Fremde und dem Problem der Verbreitung derer in Bรผchern ist gewiร nicht einfach und ohne Hilfskonstruktionen hinzukriegen; Aber genau um diese Verbindung von vorgeformtem Bild und Abbild, Zitat und autonomer Aussage in der Darstellung von Fremdem soll es gehen.
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wecks einer prรคziseren Zuordnung (und auch zur Befriedigung meines Spieltriebs), habe ich mir รผberlegt, die auf Abbildungsverfahren anwendbaren gรคngigen Begriffe, folgendermaรen in der Schreibweise zu unterscheiden:
1. Photographie / photographisch โ Resultat (Papier, Stahlplatte, Glas, beschichtetes Negativ oder Positiv) entstanden als Folge einer Einprรคgung durch Licht mittels eines Apparates und eines ihn bedienenden Menschen
2. Fotogra๏ฌe / fotogra๏ฌsch โ Abbildungen, die in den wesentlichen Merkmalen den ursprรผnglichen visuellen Abbildungsverfahren รคhneln, aber bei ihrer Produktion keine technischen Parallelen aufweisen (z.B. Scanner, objektiv- und ๏ฌlmlose Handykameras, Monitore etc. die ohne Blende, Emp๏ฌndlichkeit oder Positiv-/Negativรผbertragungen funktionieren)
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iese Unterscheidung ๏ฌnde ich insofern sinnvoll, da bei der fotogra๏ฌschen Darstellung von Photographien leicht die Fotogra๏ฌen fรผr das ursprรผngliche Medium gehalten werden kรถnnen. Hier besteht eine Verwechslungsgefahr, die ich noch genauer im Verlauf des Textes ansprechen mรถchte.
Kleine Vorgeschichte der objektiv-naturwissenschaftlichen Erforschung
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ls Vorformen des modernen Wissens kรถnnen Apparaturen wie Teleskope, Mikroskope und photographische Abbildungsverfahren (Dagguerotypien, Photographien etc.) betrachtet werden. Bezeichnend fรผr die vormoderne Wissenschaftlichkeit โ also fรผr die Zeit des 17. und 18. Jahrhunderts โ ist die Verwirrung, der Mangel an einheitlichen Systemen. Die Welt wurde als verworrenes Labyrinth verstanden. Ein wunderbares Beispiel fรผr dieses labyrinthische Verstรคndnis von der Welt ist der Turmbau zu Babel. Wenn aber von โvormodernโ und โmodernโ gesprochen wird, muร auch ein Unterschied dazwischen sein; Also etwas, das als Grenze oder Scharnier angenommen werden kann. Aber wo hรถrt โvormodernโ auf und wo beginnt โmodernโ und wie kann dieser Umbruch oder zumindest der Unterschied dargestellt werden. Was sind Anhaltspunkte dafรผr? Die Photographie kann durchaus als zweite Bildrevolution gesehen werden: Bis ca. 1400 standen keine technologischen Verfahren zur Reproduktion von Bildern zur Verfรผgung. Die ersten Holzschnitte kamen um diese Zeit in den Massengebrauch โ insofern waren Bilder an sich stets eine Raritรคt und Sensation zugleich. Der Anblick alter Photographien bewirkt fรผr uns heute typischerweise entweder eine kritische, negative und abwertende Haltung oder die Bilder werden naiv als besonders รคsthetisch und auf ihren nostalgischen Aspekt hin betrachtet. Parallel zu immer hรคu๏ฌger statt๏ฌndenden europรคischen Forschungs- und Handelsreisen in weit entfernte Kolonien etablierte sich auch ein Umdenken wissenschaftlicher Traditonen innerhalb europรคischer Wissensdisziplinen. Ausgehend von einer, als holotrop zu bezeichnenden Erwartung fรผr die Erklรคrung unbekannter Phรคnomene, ergab sich aufgrund mannigfaltiger Neuentdeckungen eine strikte Teilung der Wissenschaft in einerseits spekulative Methoden zur Erkenntnisgewinnung (induktiv) und andererseits der anschaulichen Untersuchungsmethode unmittelbar vor dem zu untersuchenden Objekt โ quasi vor Ort (deduktiv). Diese methodologische Trennung, als Folge des Versuchs die Welt systematisch und anschaulich zu ordnen โ und dem Ziel der Erkenntniserweiterung und Sicherung โ spiegelt sich auch in dem aufkommenden Dualismus zwischen Geistes- und Naturwissenschaft wieder. Im Verlauf derjenigen Epoche, die als Aufklรคrung bezeichnet wird (grob das 18. Jahrhundert), etablierten sich diverse Vermessungstechniken die eng mit Abbildungsmechanismen und deren anschlieรenden technischen Publikation verknรผpft sind. Erde, Mensch, Tier und P๏ฌanze muรten sich protokollierenden Verfahren unterziehen um die Welt ordentlich und argumentativ aufrechterhalten zu kรถnnen. Wissenschaftliche Ergebnisse oder Versuchsanordnungen wurden nach und nach visuell dargestellt.
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o wurden Boden und Sternbilder kartogra๏ฌert โ ebenso das Meer, ballistische Untersuchungen visuell untermauert, Zeit optisch vermessen, die Botanik mikroskopisch seziert. Schon an dieser Stelle lรครt sich ein Spagat zwischen technisch produzierten Abbildungen von weit entfernten Untersuchungsobjekten und dem introspektiven Innewenden hin zu kleinteiligen Mikrostrukturen ausmachen. Das fremde Objekt der Anschauung lieรe sich โ bezogen auf seine Verarbeitung mittels technischer Abbildungen โ bereits zu diesem Zeitpunkt als ein vom Subjekt nach Auรensehen und nach Innensehen unterteilen. Die Buchpublikation einer Photographie โ euphemistisch betrachtet als eine spezi๏ฌsche Art von Vermessungstechnik, oder nรผchterner gesehen als simple Fortsetzung derer, die besonders eng an Abbildungsmechanismen verknรผpft ist โ aufzufassen, soll Ausgangspunkt meiner รberlegungen sein. Davon ausgehend soll das Problem der Darstellung des Fremden angesprochen werden.
Ansatz und Wegbeschreibung
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ch mรถchte mich auf Dokumente beschrรคnken die in meiner persรถnlichen Reichweite unkompliziert zugรคnglich sind. Sozusagen innerhalb meiner unmittelbaren Armlรคnge. Ich werde keine Prรคsenz-Fachbรผcher benutzen, keine exotischen Originale in mir unbekannten Sprachen, keine vergri๏ฌenen Antiquitรคten, keine schwer zugรคnglichen Archive sondern im Internet au๏ฌndbare Dokumente sowie hauptsรคchlich Medien die o๏ฌen zugรคnglich und ohne grรถรere Probleme fรผr jedermann ausleihbar sind. Warum? Die erste Rechtfertigung fรผr diese Vorgehensweise ist, daร damit ein bewuรter Verweis auf uns umgebende, prรคsente Darstellungsformen des Fremden genommen werden kann und Publikationsmechanismen bzw. implizit vorgenommene Zensurmaรnahmen thematisiert werden kรถnnen. In meiner Argumentation sollte der Schwerpunkt nicht auf den Details einer bestimmen herausragenden Photographie und ihrer Geschichte liegen, nicht auf spezi๏ฌschen Bildbeschreibungen die dann als Grundlage fรผr oder gegen etwas herhalten mรผssen, sondern es soll vielmehr der Versuch unternommen werden, allseits prรคsente Argumentationselemente und Mechanismen (wie sie auch in Buchpublikationen vorzu๏ฌnden sind) in den Fokus zu nehmen. Das Anliegen ist Bilder der Fremde zu analysieren, nicht Originalphotographien oder etwa Photographien allgemein. Welcher Quellen bedient man sich dabei? Was ist der Knackpunkt speziell bei dem Thema Fremde? Ich denke es ist das Naheliegendste auf ein allgemein zugรคngliches Zitationsmuster zu schauen und ein weites Betrachterfeld aufzumachen. Ungeachtet der Argumentationsstrukturen, die stets innerhalb einer eng umzirkelten Community ohne Rekurs auf hรถher- oder tieferliegende Diskussionen statt๏ฌnden, mรถchte ich mir das relativ spontane Bild vom Fremden machen, das allgemein angeboten wird und das รถ๏ฌentlich innerhalb unserer Kultur zugรคnglich ist und das uns umgibt. Die nach Auรen gerichteten Bilder der Fremde und des Wilden korrespondieren durchaus mit denen, die sich nach Innen wenden, wie z.B. diejenigen der eigenen Vergangenheit: Beide verknรผpfen dabei naive Assotiationen von Unschuld und Gutmรผtigkeit mit der Vorstellung eines entfernt liegenden Geheimnisses. Folgende Fragen sind fรผr mich zu diesem Zeitpunkt noch o๏ฌen und sollen im Verlauf des Textes noch nรคher herausgearbeitet werden:
a. Was meine ich mit fremd?
b. Was meine ich mit Bildern?
c. Wieso das Fremde als Beispiel fรผr diese Entwicklung (Autonomisierung, Irrelevanz des Unterschieds Original-Zitat) hernehmen oder wieso es nebeneinander betrachten?
d. Wenn ich ein Photo in einem Buch als autonom betrachten will, dann dรผrfte ich eigentlich nicht von Abbild reden. Es ist ein Bild! Wie das erklรคren?
e. Eigentlich hat das hier alles nichts mit Fremde zu tun. Wo ist der Anschluร zur Exotik?
Ethnologie und Anthropologie als spezielle Form der wissenschaftlichen Betrachtung
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ie anatomische Anthropologie verstand das Sammeln und das visuelle Kategorisieren als notwendiges und sinnvolles Instrument der Konservierung einer โ wie auch immer gearteten โ Weltordnung. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts (und unter der terminologischen Genese der Ethnologie und der Anthropologie) entstanden prรคgende Kategorien wie Kaukasische Rasse, Arische Rasse, oder noch nรคher zu klassi๏ฌzierende Wilde europรคischer Kolonien. Der Mensch an sich und die von ihm gestaltete Umwelt wird mehr und mehr zum Objekt der Anschauung einer interesserierten gesellschaftlichen Minderheit und Oberschicht. Diese auch zunehmend verwissenschaftlichte Perspektive auf den (anderen) Menschen als Objekt der Anschauung, liegt eventuell auch daran, daร er โ der Mensch als Objekt der Betrachtung โ beide vorher erwรคhnten Verfahren gleichermaรen zulรครt: Er kann sowohl Innen durch psychologische bzw. psychatrische Untersuchungen vermessen werden als auch sein รคuรeres Bild, seine Gestalt, sein Brauchtum und seine Kultur. Diese Materialen, die zunรคchst einem anthropologisch und ethnogra๏ฌsch gebildeten Publikum zugรคnglich waren, wurden nach und nach zu einer populรคrwissenschaftlichen und kosmopolitischen Kulturkunde ausgeweitet, die einem Massenpublikum mittels technischen Reproduktionen angeboten werden konnte. Was zunรคchst innerhalb einer langen Tradition von Gra๏ฌken, Gemรคlden und Stichen verarbeitet wurde, konnte nun durch den photographischen Apparat konsequent weitergefรผhrt werden; Posen, Sujets, serielle Beobachtungen und vor allem Machtdispositionen konnten mittels fotogra๏ฌschen Abbildungsverfahren souverรคner und รผberzeugender im Bild prรคsentiert werden.
Fetischisierung
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thnologische und anthropologische Untersuchungen nahmen zu Beginn ihrer Studien zunรคchst nur die Auftragsarbeiten der Photographen in Anspruch, die sie dann im gewohnten heimischen Umfeld studieren konnten. Es wurde nicht fรผr nรถtig befunden selbst an den Expeditionen teilzunehmen, sondern begnรผgte sich mit den beauftragten, mitgebrachten und somit auch schon, durch mehrere Instanzen hindurch zensierten, Bildern der Photographen die ganz selbstverstรคndlich mit der ethnologischen Bestimmung auf ihrer letzten Hierarchiestufe angelangt waren. Dieses Bild des Armchair-Ethnologen wandelte sich aber schlieรlich zu dem allgemein bekannten modernen Bild eines Wissenschaftlers, der den Photoapparat als ganz selbstverstรคndliches Werkzeug seines Fachs in Anspruch nimmt, (damit) die Objekte seziert und sie erst durch diesen Schritt kategorisch vergleichbar macht. Parallel zur institutionellen Verwissenschaftlichung des Photoapparates, erfolgte zeitgleich auch eine Verstaatlichung des fotogra๏ฌschen Mediums, das sich in den รผblichen Protokollierungs- oder Authorisierungsverfahren (Gericht, Polizei, Ausweiskarten etc.) mittels staatlicher Organe niedergeschlagen hat und immer noch von diesen konsequent als Fetischobjekt aufrechterhalten wird. Das unablรคssige Herstellen und nachhaltige Ordnen von Abbildern noch unkategorisierter (oder schwer zu kategorisierender) Objekte, Landschaften, Situationen, Physiognomien, Rassen, Kรถrperornamenten etc. kann auch als fetischisierter Exotismus aufgefaรt werden, da diese Prozeduren auf etwas verweisen, das nicht erreichbar und greifbar ist. โDas zeigt sich besonders deutlich am Sammler, der immer etwas vom Fetischdiener behรคlt und durch seinen Besitz des Kunstwerks an dessen kultischer Kraft Anteil hat […] nรคmlich Dinge, denen, so klein und unscheinbar sie sein mรถgen, die unbedingte Kraft magischer Zeichen zukommt, im Reich der Dinge Erstaunliches zu bewirken und zu bewegen โ daร sie unser werden.โ So wie die Abbildungen der kolonialen Gefรผge fรผr ein fetischisiertes Verhรคltnis des Abbildenden zu seinem Objekt stehen kรถnnte (Erzeugen von Wunschbildern, stilles Reduzieren des Begehrens, Fokussierung des Haben-Wollens und Beherrschens etc.), kรถnnte auch das Als-Ob-Prรคsentieren einer beschnittenen fotogra๏ฌschen Kopie auf das Fetischverhรคltnis des Benutzers schlieรen lassen, der eine verkรผmmerte Ersatzhandlung ritualisiert anbietet um die abwesende Lรผcke befriedigend schlieรen zu kรถnnen. Diese Argumentation wird insofern deutlich, da Fetisch laut Freud die Beschรคftigung mit Gegenstรคnden ist, die als Ersatz fรผr etwas stehen, dessen Abwesenheit jemandem unertrรคglich ist.
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nsofern kann an diesem Punkt festgestellt werden, daร der photographische Apparat und seine bildhaften Produkte seit seiner Entstehung zur Verwissenschaftlichung und Kategorisierung von Fremd- und Abwesenheitsbildern benรผtzt wurde. Insbesondere lรครt sich mit fotogra๏ฌschen Darstellungen ein Authentizitรคtsanspruch rigoros geltend machen, ohne auf die mannigfaltigen Manipulationsmรถglichkeiten bei der Entstehung und Projektion auf andere Medien hinweisen zu mรผssen. Fotogra๏ฌsche Abbildungen sind aktuell immer noch fรคhig (nahezu Beliebiges) zu Legitimieren und zu Behaupten und somit insbesondere aus der Beschรคftigung mit dem Fremdem nicht herauszuhalten. Es besteht seitlich solcher Instanzen kein Bedรผrfnis die fotogra๏ฌschen Abbildungsmechanismen zu relativieren oder gar zu entmysti๏ฌzieren. Die Kette Beobachten-Bewerten-Angleichen-Eingreifen, die sich in anthropologischen Bildern niederschlรคgt, ist ein immanent polizeiliches Verfahren und hat groรe รhnlichkeit mit einer Sozialtechnik, die auch bei der Binnenregulierung der Gesellschafts- und Ordnungstruktur Anwendung ๏ฌndet.
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eitgleich steigt das Interesse des Bรผrgertums nach exotisch anmutenden Exponaten โ dieses Verlangen wird innerhalb der Groรstรคdte durch Zoologische Gรคrten gestillt, die wie selbstverstรคndlich neben hergeholten tierischen Exponaten auch fremde Menschen als Teil der sogenannten Vรถlkerschauen dem staunenden Publikum prรคsentierten. Obwohl die Idee, Menschen in Zoologischen Gรคrten und Gasthรคusern vorzufรผhren, nicht erst im 19. Jahrhundert aufkam, markierte doch die Zeit um 1870 einen Einschnitt in der Zurschaustellung exotischer Menschen einen Wendepunkt, die vor allem durch Carl Hagenbecks Vรถlkerschauen im gesamten Deutschen Reich geprรคgt wurde.
Das Fremde als Paradigma fotogra๏ฌscher Apparate
Das Fremde Innen und Auรen
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ch denke es gibt zwei grundverschiedene Ansรคtze, wie ich auf etwas Fremdes zugehen kann und was meine Strategie des (Kultur-)Transfers charakterisiert:
1. Geht man so heran, als ob man das Fremde kennt, รผber es Bescheid weiร โ tut man so als wรคre es ein Teil der eigenen Kultur?
2. Oder stellt man das Fremde als abgespaltener Teil dar? Geht man davon aus, daร man es kennt? In diesem Ansatz mรผssen Brรผcken รผber einen Spalt geschlagen werden. Was ist dieser Spalt?
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orlรคu๏ฌg zusammengefaรt, lieรen sich diese beiden Positionen erstens als eine Strategie der Verfestigung der eigenen Anschauungen und zweitens als eine Lockerung, Infragestellung und รberwindung der eigenen Standpunkte bezeichnen. Doch was sind in diesem Zusammenhang Bilder der Fremde? Ich meine nicht nur ausschlieรlich Photographien. In erster Linie kรถnnen Ideen und Ideologien als Basis fรผr Fremd(en)bilder angenommen werde, so wie sie schon in Zeiten der Antike vorherrschend waren. Jene Kulturen die abseits des eigenen Territoriums, oder wie im Mittelalter nicht als Teil der christlichen Zivilisation betrachtet wurden, sahen sich mit einer wertenden Klassi๏ฌkation konfrontiert. Diese kann sowohl abwertend von Wilden, Gestaltmenschen oder Barbaren reden, die im Extrem gar nicht als gleichwertige Geschรถpfe angesehen werden, sondern tierischen Charakter haben, oder beschรถnigend von Naturwรผchsigen, Edlen und Urmenschen, die im Gegensatz zur eigenen, als degeneriert aufgefaรten Kultur, eine idyllische Beziehung zur Natur haben. Diese Art von Klassi๏ฌkationen beruhten nicht selten auf (simplen) Miรverstรคndnissen, die durch falsche รbersetzungen, Unkenntnis รผber Kรถrperschmuck und Wa๏ฌen oder eben ideologisch fundamentierten Grundannahmen basierten. Verbildlichungen aus eben solchen Beschreibungen der Fremden wurden oft von Kรผnstlern angefertigt, die an Forschungs- oder Handelsreisen nicht persรถnlich teilnahmen und die unter Berรผcksichtigung ihrer Phantasie Bebilderungen fรผr eine Publikation vornehmen muรten. Diese begleitenden Visionen unterzogen sich nicht selten, einer mit jeden neuen Au๏ฌage zugespitzen Ausschmรผckung und Steigerung der Dramatik.
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rst im Verlauf des 18. Jahrhunderts nahm die Tendenz zu, Gra๏ฌken und Radierungen vor Ort anzufertigen und auf eine detailgetreuere Wiedergabe zu achten. Mit der Er๏ฌndung der Dagguerotypie um 1839 und schlieรlich der Photographie (die parallel zur Ethnologie entstand) kann man von einem radikalen Umbruch in der Darstellung des Fremden ausgehen. Aufgrund des Mediums, das als naturwissenschaftliche Methode wahr und objektiv empfunden wurde (und immer noch wird), konnten sich Mechanismen bereits etablierter Vermessungstechniken nun auch auf den Menschen und seine Kultur richten. Diese visuelle Vermessung und Protokollierung artikulierte sich in zwei grundlegenden Ansรคtzen, die hier erneut, parallel zur obigen Unterteilung mit anderen Worten aufgelistet ist:
1. Das Fremde ist Teil von uns โ ich kenne es schon. Ich suche lediglich Bilder, die meine Theorien bestรคtigen oder die sie wiederlegen.
2. Das Fremde ist etwas grundlegend anderes โ ich will dahin und es verstehen.
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er erste Punkt spiegelt die Beobachtung aus einer hรถheren Perspektive wieder โ hier kann man von einem ungefรคhrlichen Spiel ausgehen, das sich zum Beispiel in den Verkleidungen der Photographen รคuรert, die in Selbstbildnissen ihr Bild der Ferne spielerisch, auf den eigenen Standpunkt projiziert, darstellen.
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ie Introspektive kann ebenso als Parallelentwicklung innerhalb der Erkundung der neuartigen photographischen Abbildungsmรถglichkeiten behauptet werden. Der Blick richtete sich nicht nur nach Auรen, an den Rand der Welt, in die rรคumliche Ferne, sondern auch konzentrisch nach Innen. Rรถntgenstrahlen, Mikroskopie und das Archivieren von Randgruppen der eigenen Gesellschaft sind deutliche Beispiele fรผr egozentrische Vermessungen. Die Beschรคftigung mit photographischen Bildern der eigenen Vergangenheit, zum Beispiel Kindheitsbildern, sind ein Indiz fรผr das Emp๏ฌnden einer inneren Fremde, die mit Hilfe der Photographie zu erkunden und zu konservieren mรถglich geworden ist. In Anlehnung an Aldous Huxley, lieรe sich behaupten, daร alles in unmittelbarer Reichweite gewรถhnlich ist; Man muร entweder nach Innen oder nach Auรen gehen um zu neuen Erkenntnissen gelangen zu kรถnnen.
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ousseau versteht die Entfremdung des Menschen in zweifacher Hinsicht: Einmal entfremdet sich der Mensch seiner ursprรผnglichen als harmonisch angenommenen Umwelt und teilt sich in homme und citoyen. Als zweiten Schritt ๏ฌnden dann natรผrlich aufgrund dieses Zwiespalts eine zusรคtzliche Selbstentfremdung statt, da der Mensch aus dieser Warte heraus die ursprรผngliche Seinsweise seiner Ahnen in Kon๏ฌikt mit seiner momentanen Lebensweise und dazu endgรผltig verloren sieht. Das Leben in der Groรstadt, die Organisation und Unterwerfung des (vor)modernen Individuums in ein stra๏ฌes soziales oder staatliches Netz, kรถnnen, verglichen mit der idyllisierten Vorstellung von wilden, freien und fernen Welten (damals anschaulich verkรถrpert durch die kolonialen Situationen), zu einem voreingenommenen und รผbermรครigen Heroisieren dieses alternativen Lebens fรผhren. Die schon mit Rousseau formulierte Spaltung, die aus der Korruption jenes Naturzustandes resultiere, รคuรert sich auch konsequenterweise in einer Selbstentfremdung des Menschen, die auf das Konto des zivilisatorischen Fortschritt verbucht werden kรถnne. Photographie verstanden als technisch-objektives Abbildungsmedium wird (paradoxerweise, da es ebenso ein technisiertes Medium ist) als letzte Instanz hergenommen um die menschlichen Selbstentfremdung auf der einen Seite und seine Abspaltung von der โUrweltโ auf der anderen Seite zu erkunden.
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s scheint verwunderlich, daร exotische Sehnsรผchte โ oder ein wenig wertfreier ausgedrรผckt: Interessen โ tendenziell den Fokus auf den Sรผden und auf fernรถstliche Ge๏ฌlde legen. Nur schwer lieรen sich Beispiele fรผr eine Polarexotik ๏ฌnden, die in รคhnlicher Weise westliche, ideologische oder andere Muster auf deren Bevรถlkerung und Kultur anwendet. In der Polarexotik scheint es weniger Scharnierstellen fรผr das รbersetzen eigener Ideologien zu geben. Interessant scheint auch zu sein, daร spirituelle und philosophische Kulturzitate stets รถstlich verwurzelt sind, niemals den Norden (etwa die Polargegegenden) als fruchtenden Vergleichsmoment hernehmen. Diese zwei Tendenzen kรถnnte man spontan auch einem Nach-Auรen-Gerichtetsein und einem Nach-Innen-Gerichtetsein zuordnen. Die รถstliche Ausrichtung scheint eher einer outrospektiven Betrachtung gleichzukommen, wรคhrend die eher nรถrdliche Perspektive mit einer introspektiven Betrachtungsweise zu vergleichen wรคre.
Stets gewollte Autonomitรคt
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ie Systematik wie Bilder โautonomisiertโ werden (Beschnitt, das Weglassen des Rahmens bei Gemรคldeabbildungen, Proportionsverรคnderungen etc.) spiegelt das eigenen Selbstverstรคndnis des Prรคsentators4 wieder. So wie nur fรผr die eigene Arbeit relevante Zitatstellen herausgenommen werden kรถnnen um die Position zu untermauern oder zu relativieren, so kรถnnen analog dazu auch Bilder in einer solchen Weise benutzt werden. Diese Systematik des Fokussierens und Marginalisierens lieรe auf ein einzigartiges Benutzer-Bild-Verhรคltnis schlieรen, das schon das โausgewรคhlte Bildโ als beinahe mystischer/sakraler Teil der Welt erscheinen lรครt. Impliziert in einem solchen Auswahlverfahren ist die Tendenz bereits zu wissen was bildwรผrdig ist, was zentral und was periphรคr ist. Rรคnder (speziell Negativrรคnder bei Photographien โ im Zuge der Digitalisierung ohnehin getilgt) werden als nebensรคchlich gesehen, nicht als wesentlicher Teil des Bildes mit dem man sich beschรคftigen mรถchte, oder der nรผtzliche Informationen in das eigene Argumentationssystem einbringt. Diese Rรคnder werden zum Zwecke der Prรคsentation im Rahmen des รผbrigen Buches (bewuรt der unbewuรt) als nicht wichtig angesehen โ Ausnahmen bilden hier Bilder die ganz deutlich mit ihrem Rahmen verbunden sind und die eine gewisse Hรผrde und ein Problem bei der Reduktion darstellen; Diejenigen, sich also mitsamt dem Rahmen als einheitliches Gefรผge Prรคsentierenden. Mir geht es aber darum, darauf aufmerksam zu machen, daร bei allen anderen Bildern auch ein Rahmen gesetzt ist, der durchaus in Verbindung mit dem zunรคchst fokussierten Bild zu sehen ist. Diese fundamentalen Prรคsuppositionen5 und der daraus resultierende Umgang mit Bildmaterial, lassen sich besonders bei privaten Reisefotogra๏ฌen beobachten. Das dahinterliegende, dominante Verhรคltnis zwischen Zitat und Aussage lรครt sich insbesondere bei den erwรคhnten Reiseknipsereien beobachten. Es scheint ein Kreis mit gegenseitigem Input zu sein, dessen Anfang und Ende nicht mehr eindeutig nachzuvollziehen ist.
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ch mรถchte mit der Auswahl des gezeigten Bildmaterials nicht abbilden, sondern ein Bild von der Fremde und dem Umgang mit ihr abgeben, mรถglichst ungeschminkt. Wenn man den vorhandenen Rahmen weglรครt und ein Bild fรผr sich herauslรถst, lรถscht man Nรคhte und Kanten, die schon im Buch vorhanden sind und stellt Bilder alleine, nackt nebeneinander. Nach all den grundsรคtzlichen Fundamentierungen drรคngt sich die Frage nach dem Ziel oder der Motivation einer solchen, von mir vorgenommenen oder unterstellten Spaltung und Gegenรผberstellung auf. Die allgemeine Tendenz, die in solchen Prรคsentationsstrategien zu beobachten ist, kรถnnte als eine Reduktion einer bereits metaphysischen Ebene zurรผck zu einer physischen (das nicht Miterwรคhnen, Weglassen der Abbildkontexte) gesehen werden. (Dieser spekulative Vergleich tri๏ฌt den Kern aber leider doch nicht.) Das Abbild wird wieder automatisch als Bild dargestellt und imitierte oder erlernte Beobachtungsmuster (z.B. in Sujets der Reisefotogra๏ฌe) werden als autonome Bilder wahrgenommen. Ich mรถchte lediglich darauf hinweisen, daร ein gewisser Metarahmen bereits vorhanden ist und auch zur Argumentation benutzt werden kann. Er drรคngt sich quasi auf mit einbezogen zu werden โ oder falls er noch nicht besteht: Ihn zusรคtzlich zu manifestieren und zu berรผcksichtigen.
Bild-Abbild-Bild
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enn ich รผber die Photographien sprechen mรถchte, so muร ich mir erst einmal die Fotobรผcher ansehen mit denen sie bildlich abgeliefert werden. Es ist der erste und grundlegende Schritt hin zu dieser Betrachtung. Der Bescha๏ฌungsweg einer Photographie ist fast undenkbar ohne ihre (Zwischen-) Publikation in einem Buch zu betrachten. Das Medium des Buches gibt dem Weg der fotogra๏ฌschen Abbildung Verzweigungen, Konturen und Begrenzungen vor und sollte in letzter Konsequenz nicht vernachlรคssigt werden. Diese Metaebene liefert immer einen nรผtzlichen Interpretationsrahmen mit, der nicht einfach so ignoriert werden sollte. So zu tun als ob ich die Photographien analysieren wรผrde, wรคre nicht ehrlich und auรerdem ein grobes Miรverstรคndnis! Wenn ich so tue als ob, bin ich schon ein paar Schritte zu weit gegangen und habe, ohne es zu merken, das Medium meiner Analyse gewechselt. Lรครt man sich auf diese Forderung ein, bleibt eigentlich nur noch รผbrig die Konsequenz zu ziehen und in Archive (Stadtarchive, Ethnologische Sammlungen etc.) zu gehen, nur vor โOriginalenโ zu referieren oder eben: Die Umklammerung in Form der Bรผcher auch miteinzubeziehen. Es ist wohl eher eine Synthese aus beiden รberlegungen. Ich mรถchte auf diesem Wege meine Argumentation weiterfรผhren, weil so Argumente der Manipulation, Ideologie, und ein allgemeineres Verstรคndnis bezรผglich des Umgangs mit Bildern zur Sprache kommt, die zusammengenommen einen Unterschied machen. Der โBetrachtungsmechanismusโ sollte zwar analog vorgehen (ob ich eine Photographie oder eine abgebildete Photographie im Buch als eigenstรคndiges Bild betrachte), aber auf den Unterschied vorher kurz hinzuweisen, ๏ฌnde ich mehr als angebracht. Aber gibt es Unterschiede zwischen einer Photographie und einem Abbild derer in einem Buch? Natรผrlich gibt es diese, bloร wie mache ich diese verstรคndlich? Schlieรlich erzeuge ich durch diese Beschreibung hier ein รผbergeordnetes System, das die vorherigen Elemente nivelliert, vergleichbare Punkte schafft und nebeneinander stellt. Zur Verdeutlichung meines Anliegens benutze ich einerseits Textzitate analog zu Bildzitaten. Deshalb werden alle zitierten Inhalte ausgehend von ihrem Metarahmen betrachtet. Durch diese Verbildlichung eigentlich textueller Inhalte, kann womรถglich auf eine direkte Analogie zu Bildzitaten aufmerksam gemacht werden. Aber: Warum nehme ich hauptsรคchlich alte Photographien um das Thema zu erkunden? Einwand: Ich nehme nicht โalteโ Photographien, sondern aktuelle Medien die diese zeitgenรถssisch zitieren. Dieser Einwand ergibt sich aus der Position, die Abbildung der Photographien in Bรผchern zusammen mit ihrem Buchrahmen als autonomes Bild zu betrachten. Photographie ist parallel zur Ethnologie entstanden und diese beiden Entwicklungen sind nur Hand in Hand als komplementรคre Felder zu verstehen. Es macht es zumindest leichter dies so zu verstehen, da daraus, die fรผr mich nรถtigen, Schlรผsse gezogen werden kรถnnen und die Argumentation leichter fรคllt. Die Photographien des spรคten 19. Jahrhunderts (Daguerrotypien in Frankreich und Calotypien in England, um 1839 erfunden) sind bezeichnend fรผr ein eurozentristisches Weltbild und auch die logische Fortsetzung sowie optimaler Ausdruck und Spiegel von soziokulturellen Srรถmungen und Positionen.
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ie Photographie als Resultat einer technischen Apparatur ist ein paradigmatisches Medium fรผr die Darstellung des Unbekannten und Fremden, da (immer noch) eine bestimmte, eng umzirkelte Erwartung ihr gegenรผber vorhanden ist. Dies lรครt sich nicht nur auf wissenschaftliche Kreise beschrรคnken, da die photographische Abbildung als eine Abbildung bar jeglicher bewuรter oder unbewuรter kรผnstlerischer Eindrรผcke verstanden wird; Sie wird schlicht als mechanisch-objektive Wiedergabe der Wirklichkeit angesehen. Im Zuge der Digitalisierung photographischer Abbildungsmechanismen verschwanden auch technisch bedingte und leichter wahrnehmbare Verzerrungen, wie z.B. Tiefenschรคrfe, Blendeneinstellung oder Belichtungszeit. Eine wissenschaftliche Abbildung kann sich Unschรคrfe, Papierunebenheiten, Farbstiche etc. leider nicht leisten, sondern besteht auf eine unendliche und durchdringende Fokussierung ihrer Objekte.
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in weiteres Argument fรผr die Konzentration auf photographische Bilder hรคngt direkt mit dem Medium der Photographie selbst zusammen: Erstens sticht die Photographie aufgrund ihrer Fรคhigkeit zur Selbstreproduktion von allen anderen, ihr geschichtlich vorhergehenden Medien heraus. Die Abbildung der Fremde kann wiederum strukturell gleichwertig abgebildet werden, ohne daร ein (optischer) Unterschied fรผr das laienhafte Auge erkennbar wรคre. Es kann sowohl ein Mensch direkt abgelichtet werden, es kann aber exakt den gleichen Mechanismen folgend, die Abbildung dieses Menschen auf einer Photographie selbst wieder photographisch abgelichtet werden. (Dies verweist auch auf das Buch-Bild-Phรคnomen hin und die Prรคsentation eines Bildes.) Ein zweiter Grund fรผr die Photographie ist foldender: Die Fotogra๏ฌe ist in unserer Zeit einerseits vollkommen demokratisiert aber andererseits immer noch explizit machtvollen Staats- und Wissenschaftsautoritรคten verhaftet โ fotogra๏ฌsche Apparate umgeben uns selbstverstรคndlich und sind Teil der alltรคglichen Gerรคte geworden. Die Funktion und die Tolerierung von รberwachungskameras fundieren in dem Dogma eines unerbittlichen Realitรคtsanspruches. Fotoapparate sind die Instanz geworden, Unbekanntes einzufangen, zu erkennen, zu kategorisieren und in den eigenen Wissenskatalog wiederspruchsfrei zu integrieren. Diese strukturelle Demokratisierung und die darin sich รคuรernden Mechanismen, das Fremde abzulichten, sollten mit den von mir herausgenommenen Abbildern verglichen werden. Die Abbilder sind so weit verbreitet, daร man sich photographischer Abbildungsmechanismen โ die sich nicht explizit an das traditionelle Bild einer Photographie anlehnen โ nicht bewuรt ist. Sie sind unsichtbar geworden und verbergen ihre photographische Struktur soweit, daร nur noch bei primitiven Photographien โ die sich auch als solche selbstdarstellen โ einen Verweis zu fotogra๏ฌschen Mechanismen auszumachen ist. Das beste Beispiel fรผr eine unsichtbare Photographie ist die Reproduktion eines Bildes mittels eines Scanners oder mittels โReprophotographieโ durch eine Digitalkamera. Auch sehe ich Displays oder Monitore als fotogra๏ฌsches Medium, da hier ebenso Screenshots, Vergrรถรerungen etc. von vorhandenen dargestellten Abbildungen gemacht werden kรถnnen โ Unschรคrfe entsteht zum Beispiel durch verpixelte Mini-Ansichtsbilder (thumbs), die erst nach einer kurzen Rechenzeit scharf dargestellt werden, wenn sie angewรคhlt sind, die Helligkeit von Displays kann beliebig eingestellt werden, ebenso der Kontrast. Dies mag eine gewagte Formulierung sein, aber alle diese Mรถglichkeiten bietet ein Blatt Papier nicht. Als analoge Prozedur zu diesen Verfahren, ist es รผblich, Bilder fรผr Prรคsentationszwecke aus einem Bildband herauszuphotographieren. Die Distanz und das Interesse, den Abbildkontext zu thematisieren ist verlorengegangen. Unbekanntes wird lediglich, aus einer hรถherstu๏ฌgen Position heraus, instrumentalisiert.
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ine Photographie ist nicht identisch mit dem โPhotoโ in einem Buch, das sie oft ohne Verweise vorgibt zu sein. (Damit sind auch immer andere Darstellungsformen in anderen Massenmedien mitgemeint, z.B. Magazine, Internet, TV, Datenbanken, Bekleidung, Souvenirs etc.) Die Unterscheidung zwischen einer Photographie, deren Prozeร bis zu ihrer (รถffentlichen) Prรคsentation von einer bestimmten Authoritรคt mitbegleitet wird โ zum Beispiel eine Photographie, die vom/von der Kรผnstler/in selbst in einem von ihm/ihr gewรคhlten Format, auf von ihm/ihr gewรคhlten Papier (glรคnzend, matt etc.), unter Einbeziehung eines Rahmens oder nicht, der Ausrichtung an bestimmte Rezipienten, als Teil einer Serie oder striktes Einzelbild etc. โ und einem Abbild derer in einem anderen Medium als die Photographie selbst, drรคngt sich geradezu auf. Das Buch ist lediglich aufgrund seiner historischen Genese, vielleicht auch schlicht wegen des Mediums Papier und der autoritรคren Position das kaschierendste Medium. Zur Verdeutlichung, daร der รbergang von einer Photographie hin zu einem Abbild in einem Buch ganz besonders Rรผcksicht nehmen muร auf das neue, sie umklammernde Prรคsentationsmedium, lieรen sich Coverbilder auf Zeitschriften oder Bรผchern hernehmen, die im Rahmen ihres Formats und mit Rรผcksicht der benรผtzten Papiersorte plaziert werden mรผssen. Hier ๏ฌndet eine reine Illustration statt, das Bild erfรผllt nur noch Abbildfunktion. Man be๏ฌndet sich mit diesem Schritt auf einer Zitationsebene. Als direktes Beispiel fรผr eine solche Behauptung lieรe sich das Cover der Zeitschrift National Geographic von 1984 heranziehen. Eine Einpassung ist auch immer zugleich eine Anpassung und Ver-Fremdung. Die Reproduktion bzw. Abbildung einer Photographie addiert technisch bedingt immer eine weitere Metaposition zu dem โPhotoโ hinzu und lรครt automatisch einen, unter gewissen Umstรคnden autonomen, Doppelgรคnger bzw. ein Abbild entstehen. Verzerrungen in einem Bereich, der den meisten Menschen nicht bekannt ist (wie in diesem Fall die kรผnstliche Zusammenrรผckung der Pyramiden mit dem Zweck der Einpassung in das Hochformat der Zeitschrift) fallen natรผrlich umso leichter, je fremder das Thema ist. Geringe Kenntnis des abgebildeten Gegenstandes, lรครt manipulative Eingri๏ฌe โ รคsthetischer, ideologischer etc. Natur โ leichter zu, als die Einpassung eines allgemein bekannten Gegenstandes.
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andlose Abbildung, Verhรคltnis Bild zu Text (entgegengesetz dazu sogar randloser Druck), verschiedene Papiersorten fรผr Text und Bilder, Format des Bildes und dessen Proportion, ausklappbare Tableaus (Bรผcher zum Drehen): All diese Faktoren sind nicht nur ideologisch bedingt, sondern technischer Natur und manifestieren eine zusรคtzliche Position die gleichzeitig als Wertung gelesen werden kรถnnte. Im extremsten Fall behauptet die Abbildung in einer maximalen Reduktion des Verfremdungsprozesses und der Thematisierung der Beziehungvon Original und Replik eine selbststรคndige kรผnstlerische Position. Allein durch die รbersetzung in ein fremdes Medium, bekommen solche Reproduktionen eine neue, von der ursprรผnglichen Form emanzipierte Materialitรคt die durch Rasterung, Papier- oder Firnisspiegelungen bei der Ablichtung, Verpixelung, Ruckeln bei Web-/Handyvideos etc., entsteht.
D
er Grund fรผr das Aufmachen solch einer weiten und chronologisch inadequaten und inkonsequenten Spanne liegt darin, daร ich nicht wirklich eine Teleologie der Darstellung von Fremdbildern und dem Umgang damit sehe, oder gar eine Fortschrittsgeschichte erzรคhlen mรถchte, an deren Ende (wir sind selbstverstรคndlich die Speerspitze dessen) alles relativiert und gut ist. Schlรผsse solcher Art wรคren sehr vereinfacht, da man sich eben als Kulminationspunkt sieht und auch sehr verstรคndlich โ in einem solchen Gefรผge eingebettet โ heraus argumentiert. Auรerdem wรคre bei einer solchen Erzรคhlung sofort eine zeitliche und inhaltliche Ordnung und eine Genealogie der Manipulation/Ideologisierung unterstellt.
Als-Ob
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as Abgebildete, in zumeist ethnologisch anmutenden Photographien, zeugt von einer Wissenschaftlichkeit, die als Vorwand fรผr Exibitionismus und Rechtfertigung der Hierarchisierungsschemata eines Wertesystems vorrangestellt wurde. Nackte Menschen wurden als Vorwand fรผr Sensationshunger und nicht zuletzt einem europรคischen Wissenschaftsstreben modelliert und abgelichtet. Nacktheit (was schon fรผr sich alleingenommen, ein Symbol der Hierarchien zwischen Abgebildetem und dem Abbildenden o๏ฌenbart) spiegelt in vielen Bildern die Maskerade des Voyeurismus mit kunstgeschichtlicher Legitimation wieder. Analog dazu kรถnnte man behaupten, daร der Vorgang des Herausschneidens eines Bildes aus seinem Prรคsentationsrahmen auch unter dem Vorwand der Wissenschaftlichkeit subsumiert werden kann: Der wissenschaftliche Anspruch ist Rechtfertigung genug fรผr das Beschneiden und Ignorieren des Kontextes. Es ๏ฌndet im gleichen Moment eine Abwertung des Kontextes und eine รberhรถhung des Bildes als โMeisterwerkโ statt. Wissenschaftlichkeit ist schon zu wissen was wichtig und was nebensรคchlich ist โ ich mรถchte in diesem Fall von einer Als-Ob-Wissenschaftlichkeit sprechen. Warum dieser Ansatz? Weil ich die Darstellung vom ausgewรคhlten und autonomisierten Original nicht ehrlich ๏ฌnde. Es werden Aspekte unterschlagen und so getan, als wรคre es nahe am, oder schlimmstenfalls das Original selbst โ das Gegenteil ist aber der Fall. Die Ergebnisse und die aus dieser Nivellierung resultierenden Schlรผsse, werden als gleichwertig betrachtet. Aber was kรถnnte man als das Ziel der Photographen de๏ฌnieren (wenn man sich schon darauf einigen mรผรte)? Hier Spekulationen: Im Vordergrund lagen natรผrlich รถkonomische Interessen, die durch Verkรคufe beliebter, exotischer Sujets (damals carte-de-visite, heute Postkarten, Ballereien/Schnappschรผsse als Beweis der Anwesenheit, Souvenirs) befriedigt wurden. Die damaligen Photographen hatten natรผrlich auch die Aufgabe den Auftraggeber zufrieden zu stellen. Insofern beinhalten diese Art von Bildern auch eine Stellungnahme die politisch, kรผnstlerisch und/oder ideologisch gefรคrbt sein kann. Besonders aufgrund der kolonialen Praxis und der unre๏ฌektierten Rassen- und Standeshierarchie kann man geneigt sein, diesen Schluร als zutre๏ฌend zu beurteilen. Neben ๏ฌnanziellen oder sozialen Ansprรผchen, spielen kรผnstlerische Intentionen der meist kunsthistorisch geprรคgten und gebildeten Photographen (da es ein sehr exclusives Hobby war, sehr teuer und umstรคndlich, vor allem auf Reisen) eine entscheidende Rolle bei der Auswahl und Darstellung der Sujets. Man kรถnnte vermuten, daร die frรผhen photographischen Bilder keineswegs losgelรถst von bereits bestehenden Bildern waren, sondern Nachbilder etablierter Motive. So lassen sich viele รbersetzungsbeispiele fรผr das รbertragen von konotierten Posen ๏ฌnden, die Ausdruck einer kulturellen Position โ von oben herab โ sind. All diese, relativ einfachen รberlegungen, lassen sich exakt auf das Phรคnomen anwenden, ein Bild herauszunehmen und es als eigenstรคndig und wertvoll prรคsentieren zu wollen. Natรผrlich hat ein/eine Kunstgeschichtler/in die P๏ฌicht mit Bildern zu arbeiten โ sei es in einem Vortrag oder einer schriftlichen Arbeit โ und diese wird er oder sie auch gewissenhaft erfรผllen. Es werden Mona Lisas aus Bรผchern eingescannt, abphotographiert falls das Format das des Scanners รผbersteigt, ergoogelt, als JPGs hin-und-herjongliert, beschnitten, Proportionen verรคndert, Rahmen weggelassen und schlieรlich, nach all diesen unmerklichen Vorgรคngen wird die Mona Lisa als Beamerprojektion in einem hellen Seminarraum (obwohl vielleicht Vorhรคnge vorhanden wรคren) zur Grundlage eines Referates oder einer engagierten Hauptseminardiskussion รผber Farben und Komposition des alten genialen Meisters. Sollte das gezeigte Bild nicht den Erwartungen des bilddressierten Publikums entsprechen (oder falls sich der Fokus der Betrachtung vom gezeigten Bild loslรถst und dafรผr lieber die Systematik des Prรคsentierens aufgreift), ist es sehr schwer dieses neue โBildโ in das vorhandene Wissenssystem wiederspruchsfrei einzuordnen.
F
olgende Situation: Ich bin an Negerbildern interessiert, kann aber nicht Reisen. Ich studiere Kunstgeschichte, bin an Kunst interessiert, komme aber nicht aus Leipzig raus. Also hole ich die โMeisterwerkeโ nach Hause, an meinen Rechner, auf meinen Schirm. Ich kann nicht zum Fremden gehen, also hole ich das Fremde her. Gehe ich nach Innen so kapsele ich mich (im aktuellen Zustand) von mir selbst ab (von der Ausgangsposition). Die Katalogisierung als fremd, โweit wegโ ist ganz natรผrlich, da ich mich als โdavonโ abgetrennt emp๏ฌnde. Somit habe ich schon eine gewisse prototypische Metaposition, ansonsten kรถnnte ich diesen Prozeร ja gar nicht als Ganzen betrachten. Ich stehe automatisch bei einer solchen Entfremdungsreaktion darรผber bzw. auรerhalb. Diese รผbergeordnete Position kann sich aber wieder mittels einer Rรผckkopplung in das darunterstehende System einklinken und den eigenen Ausgangsstandpunkt beein๏ฌussen. Ein paradigmatischer Fall, ist das Verhรคltnis von Tourist und einheimischer Bevรถlkerung: Touristen fahren gewรถhnlich in fremde Lรคnder um die Eindrรผcke zu haben, die sie sich vorher anhand von Bildern und Berichten ausgewรคhlt haben. Entsprechen jetzt aber die Einheimischen nicht dem gewollten und antizipierten Bild des Reisenden, stellen sie nur Frustration und Enttรคuschung dar. Um aber dem Touristen ein wenig seines mitgebrachten Geldes zu entlocken und ihn zu beglรผcken, verkleiden sich die Einheimischen und befriedigen den Reisenden in seinen Erwartungshaltungen. Als Bonus, kann er sogar bildlich fรผr alle Nach-Fahrer festhalten, was er fรผr fremde Situationen erlebt hatte. Der vollzogene zivilisatorische Sprung des modernen Touristen, รคuรert sich in dem Verstรคndnis, die Triebe des Jagens und Greifens im Sehvorgang zu sublimieren und mittels einer Apparatur festzuhalten. โDie Verlagerung der Triebรคuรerung von der Handlung ins reine Zuschauen gilt als Schritt in Richtung fortschreitender Zivilisierung.โ Die zentrale Frage ist: Woher kommen eigentlich unsere Bilder (hier speziell fotogra๏ฌsche) vom Fremden wenn nicht von Abbildungen selbst? Woher kommen denn die Bilder von Meisterwerken? Und wer hat schon mal die Mona Lisa gesehen? Wer war denn schon mal in solchen, visuell allseitsbekannten und prรคsenten Locations wie Hawaii, Japan, Indien, Afrika? Und selbst wenn jemand dort war, wie selbstverstรคndlich ist die Indizierung und Erlernbarkeit dieser Schauplรคtze mittels Fotogra๏ฌen? Mit dieser Situation konfrontiert (meistens schon fotogra๏ฌsch vermittelten durch Reiseprospekte z.B.) stellt sich die Frage: Was ist nun bildwรผrdig fรผr einen als Abbildenden? Wieviel ist davon โzensiertโ, sei es durch a๏ฌrmative Haltungen, die die Position/Haltung der Rezipienten/Familie zu Hause schon miteinbeziehen (Achtung: Dies kann sowohl affirmativ als auch nicht konform, als Antihaltung sein โ diese zwei Positionen sind qualitativ nicht unterschiedlich und werden von mit nicht gegeneinander gewertet). Was entspricht und was entspricht nicht dem Bild, den eigenen mitgebrachten Erwartungen? Was wird abgelichtet und was wird dann nachtrรคglich weggelassen weil es (technisch bzw. รคsthetisch) nicht als systemkonform oder schlicht als Fehler des fremden Systems (etwa die enge Auswahl bestimmter Blickwinkel auf den Eiffelturm, das Auswรคhlen von ganz besonders schรถnen Sonnenuntergรคngen oder authentischen Einheimischen)
Resรผmee
J
ede Art von Lichtbild, von den frรผhen Mainstream-Massenmarkt-Stereographien รผber die Cartes-de-visite von Schauspielerinnen und Tรคnzerinnen, Aktphotographien, bis hin zu heimlich produzierten und vertriebenen erotischen und pornographischen Bildern, kann als von Anfang an, in ein allgemeines Kontinuum eingebunden begriffen werden, das an der Produktion der Kategorie Fremd teilhat. Als ideologische Operation steht die photographische Praxis am Schnittpunkt unterschiedlicher Diskurse, unterschiedlicher Formen des Wissens, was die Notwendigkeit einer breit angelegten Kontextualisierung der Erforschung photographischer Bedeutung ersichtlich macht. Der Ansatz zielt entsprechend auf die systematische Qualitรคt von Objektivierung und Fetischisierung des Fremden, auf das komplexe Netz der Beziehungen, welche Macht, Patriarchat und Reprรคsentation verweben.
A
lles was ich im Verlauf dieser Ausarbeitung auf die Themen angewandt habe, sollte jetzt konsequenterweise auch auf die Arbeit selbst angewendet werden kรถnnen. Diese Metaposition sollte auch kritisiert werden kรถnnen, da sie ebenso ein Bild des Fremden propagiert das lediglich Resultat der Beschรคftigung mit Abbildern der Fremde ist. Wie komme ich รผberhaupt zu dem Bild (das ich hier prรคsentiere) ohne รผberhaupt den letzten Schritt der Darstellung miteinzubeziehen? Erst diese Metaposition ergibt den vorlรคu๏ฌg gesamten Eindruck. Doch zunรคchst stellt sich die Frage, ob Fotos verglichen werden kรถnnen? Ja. Aber man darf nicht รผbersehen, daร man gelรคu๏ฌg nicht Photographien vergleicht sondern deren Abbildungen. Also mรผรte man das Buchlayout mit den Photographien als Zitate verstehen, die wenn man so will in einem beliebigen Font dargestellt sind. Das Buch mรผรte als neues Foto betrachtet werden in dem die โPhotosโ lediglich als Referenzen oder Zitate zu lesen sind. Prinzipiell kann unter diesen Umstรคnden nicht viel รผber das Abgebildete gesagt werden, sondern nur รผber die Abbildung selber, die wiederrum dann โ im nรคchsten Schritt โ zum Abgebildeten wird. Die Abbildung des Buches sollte als ein autonomes Bild betrachtet werden kรถnnen. Die Art der Abbildung mit allen Verzerrungen und Korrekturen ist schon wieder eine autonome Abbildung fรผr sich. Die hier vorgenommene Struktur kann eher als eine analytische Vorgehensweise bezeichnet werden, die den Schwerpunkt mehr auf die Syntax der Bildzusammenhรคnge und Themenge๏ฌechte, als auf die einzelnen Bilder zu legen versucht. Mache ich die Photographien und die Bรผcher aber dadurch nicht zu bloรen Zulieferern fรผr meinen Ansatz? Oder ist das sogar legitim und bietet sich das sogar bei Fotogra๏ฌen an? Bei so problematisierten Phรคnomenen wie Anthropologie und Ethnologie scheint eine distanzierte Haltung, eine Metaposition angebracht und sogar zwingend zu sein. Die Art der Prรคsentation zu untersuchen und als Teil des Systems zu betrachten, sollte im Vordergrund stehen. โIch entschuldige mich fรผr die schlechte Qualitรคt der Bilder …. alles leider kurzfristig gewesen…โ โ dies hรถrt man oft in Vortrรคgen. Das impliziert aber einen Verweis bzw. eine unterstellte Referenz, ja sogar eine Identitรคt der gebeamten โBilderโ zu dem โOriginalโ โ was ohnehin nicht gegeben wรคre. Warum nicht weg vom Originaldenken zum Miteinbeziehen der Metaposition und dem Berรผcksichtigen der Verschachtelungen, losgelรถst vom โMeisterwerkโ. Die Abbildung ist eben (noch) nicht das Abgebildete. Warum nicht: Es gibt diesmal keine Entschuldigung fรผr die โschlechtenโ Bilder sondern: Okay, ich habe nur miese Abbildungen, also sehen wir uns diese an und verheimlichen den Verzerrungsprozeร nicht. Von den Bildern als schlecht zu reden, resultiert nur aus der Unterstellung eines Originals bzw. eines Besseren.Gerade bei einem so verschachtelten Thema (das sich das Zitieren und Prรคsentieren zum Thema machen mรถchte), bot sich eine solche Vorgehensweise an. Die so auffindbaren und prรคsentierten Medien รผber das Fremde, sind ein direkter Spiegel fรผr den รถffentlichen und demokratischen Umgang mit ihnen und erweiterndie Sichtweise um eine zusรคtzliche Perspektive, die weniger an Details interessiert ist, sondern eine Linie wage nachzuzeichnen versucht. Es bleibt immer ein Versuch. Es kling doch sehr nach einem Vorwurf โ wenn es diesen geben sollte, was ist dann รผberhaupt der Vorwurf?
1. Hรคtten โdieโ โdamalsโ โandereโ photographische Bilder machen sollen?
2. Hรคtten sie selbstkritischer sein sollen? 3. Hรคtten die Photographen aufgrund der Brisanz und der unumgรคnglichen Manipulationsmรถglichkeiten das photographischen Medium verweigern sollen? Sollen wir das in einer wissenschaftlichen Disziplin tun oder zumindest vorsichtiger sein?
S
oll das eine Kritik an einem als Miรstand empfundenen ober๏ฌรคchlichen Werkeln und Hantieren mit photographischen Bildern sein? Eher ja! Auรerdem sollte angemerkt werden, daร ich mir durchaus bewuรt bin, daร ich die hier getroffenen Urteile durchaus, aus einer hรถherstu๏ฌgen bzw. andersstu๏ฌgen Metaposition heraus vornehme. Frei nach Rousseau: Ich mรถchte nicht auf die Bรคume zurรผckkehren, von denen ich glaube abgestiegen zu sein, sondern lediglich auf sie zurรผckblicken kรถnnen.
W
arum wurde denn jetzt der Versuch unternommen, das Fremde gerade mit der Photographie zusammenzubringen?
1. Weil in Bildern der Fremde entweder Distanz zum Menschen (Auรen) oder zum eigenen Ich (Innen) vorhanden sein muร โ damit es sich um das Fremde handeln kann. (Wenn ich schon den Anspruch habe, Distanz einzufordern, dann sollte ich auch diese Distanz zu der Art der Prรคsentation weiterfรผhren.)
2. Da die Photographie als zweiter radikaler Einschnitt parallel zur Ethnologie entstand und von der Erkundung fremder Objekte oder Kulturen ohne spezielle Begrรผndung nicht abzutrennen ist.
3. Photographie ist โ meiner Meinung nach โ so identitรคtsbildend wie kein anderes Medium. Was kann man รผberhaupt รผber Bilder der Fremde sagen โ auf welche Quellen sollte man sich stรผtzen und wie sollte man diese bewerten? Was hรคngt dann von der getro๏ฌenen Aussage ab? Was sagen die Fotobรผcher, die sich solcher Bilder bedienen? Was sagen die Metatexte? Die Klischees?
W
as sage ich รผber die Fotobรผcher? Ist es eine Antihaltung oder eine Prohaltung? Oder ist das ein sinnloser รber-Dualismus, konstruiert entlang der bereits beschriebenen Gegenรผberstellungen? Das Problem, diese Thematik (Bild-Abbild-Fremde-Ideologie) zusammenzubringen liegt womรถglich darin, daร eine Lรผcke bzw. Distanz zwischen beiden Polen vorhanden ist. Weil es eben um das Fremde geht, ist diese Distanz (das Nicht-Schlรผssig-Zusammenbringen-Kรถnnen) eigentlich โ mit Verweis auf meine eigene Argumentation โ nur schlรผssig und konsequent. Leider kann ich die Scharnierstellen nicht wirklich benennen aber ich spรผre, daร anthropologische Bilder und das Sich-Beschรคftigen mit Fremde, ein guter und paradigmatischer Ansatz fรผr das Phรคnomen des Abbildproblems sein kรถnnte.
D
as Bild eines Gebรคudes ist nicht der Bau selbst. Daran muร im Zeitalter allgegenwรคrtiger Medien gelegentlich erinnert werden. Allzuoft bestรคtigen wir im Anblick eines Bauwerkes nur die Bilder, die uns via Fernsehen, Zeitschrift oder Buch bereits lange bekannt waren. Doch eine Darstellung von Architektur, so sehr sie sich auch um Objektivitรคt und Wahrhaftigkeit bemรผhen mag, ist immer nur eine von unzรคhligen Mรถglichkeiten – willkรผrlich, aber sinnvoll. Wenn Photographen Gebรคude aufnehmen, dann schaffen sie damit zunรคchst Bilder; und diese Bilder sind es, denen sich eine Interpretation zu nรคhern hat. Ein Buch รผber ein Bild des Photographenehepaars Hilla und Bernd Becher hat zunรคchst ein photographisches Bild zum Gegenstand, nicht die darauf dargestellte Architektur. Die Unterscheidung ist insofern wichtig, als sie – in einer Buchreihe, die einzelnen Kunst- werken gewidmet ist – das Verhรคltnis eines ยปtechnischen Bildmittelsยซ zur bildenden Kunst begrรผndet.โ
P
rinzipielle Qualitรคt des Bewahrens war einerseits die Authentizitรคt des Dargestellten, fรผr die sich Auftraggeber und Photographen gleichermaรen zu verbรผrgen hatten, sowie die technische Verlรครlichkeit der Schilderung, im Falle der Photographie also Kantenschรคrfe bis ins kleinste Detail hinein und damit einhergehend eine weiche Beleuchtung samt der Forderung nach einer vollstรคndigen, mรถglichst meรtechnisch auswertbaren Abbildung.โ
D
ie Nรคhe dieser Tableaus zu enzyklopรคdischen Unternehmungen ist offensichtlich, auch und gerade im Hinblick auf weltumspannende wie erklรคrende Atlanten, wie sie sich manche Kulturhistoriker schufen.โ
D
ie Darstellung von Industriebauten dagegen wird auf einen strengen Kanon gleichfรถrmiger Ansichten beschrรคnkt. Dieser Kanon dient allein der Vergleichbarkeit und unterwirft ihm alle Bildgestaltung mit dem Ziel einer mรถglichst weitgehenden Objektivation der Darstellungsformen. Voraussetzung ist ein betrรคchtlicher Aufwand inszenatorischer Mittel oder Kunstgriffe, die zum Erreichen eines typologisch gleichmรครigen Erscheinungsbildes รผber Serien, Gruppen und Jahre hinweg nรถtig sind.โ At the most basic level, photographs of others fueled an almost insatiable curiosity about human difference and what physical difference might mean.โ
Und ich muร sagen, der Exotismus hat mir die Sache sehr erleichtert, indem er mir nicht etwa ยปThemenยซ – denen miรtraue ich -, aber eine Form, einen Rahmen und neue Umgebungen ermรถglichte.โ
Photographs recording the human geography of the nineteenth century seem to require an immediate repudiation of the structures that formed that worldโthe iron bands of colonialism, racism, and the political and commercial exploitation of cultures facing the onslaught of an expanding and dominat Western Europe. […] How do we respond to the representations of the people in those photographs? Perhaps by acknowledging the individuals behind and in front of the camera and by recouping, if possible, the complex transactions embodied in each photographโperhaps, surprsisingly, not too different from someone poring over the same photograph in the nineteenth century. The viewer, then as now, desires to imaginatively enter into the events that animated the photographic encounter, to decipher the story in the sitterโs expression and posture, to study the edges of the photographic frame for clues to the world beyond it.โ
Mรถglicherweise ist einer der Charakterzรผge des Exoten die Freiheit: die Freiheit gegenรผber dem Objekt, das er beschreibt oder emp๏ฌndet, jedenfalls in einer letzten Phase, wenn er sich ihnen entzogen hat.โ
รbersehen wurde von dieser Kritik, daร das zur Erreichung typologischer Vergleichbarkeit notwendige Arrangement der Bildmittel und -gegenstรคnde im Werk der Bechers bedeutungsvoller war als der Gegenstand selbst – man kritisierte die Wahl des Bildgegenstandes, nicht die Bilder.โ
Maurice de Guรฉrin demonstriert in รคuรerst gelungener Weise am Beispiel des Exotismus der Natur, was ich fรผr den Exotismus der Rassen und der Sitten geplant habe: zunรคchst will ich mich von ihnen durchdringen lassen, mich dann von ihnen loslรถsen, um sie schlieรlich in ihrem ganzen objektiven Reiz hervortreten zu lassen. […] Ich muร zum grundlegenden Exotimsus kommen, nรคmlich jenem des Objekts fรผr das Subjekt!โ
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Essay รผber Exotismus und Photographie
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