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Die heilige Schrift
Persönliche Anmerkungen in der Bibel. Persönliche Anmerkungen in der Bibel. Ausgangspunkt Mein Vater geht nie in die Kirche, ist noch nie freiwillig gegangen. Auch wenn er die katholischen Glaubensbekenntnisse nicht […]
Persönliche Anmerkungen in der Bibel.
Persönliche Anmerkungen in der Bibel.
Ausgangspunkt
Mein Vater geht nie in die Kirche, ist noch nie freiwillig gegangen. Auch wenn er die katholischen Glaubensbekenntnisse nicht teilt, findet er die Institution „Kirche“ jedoch aus einem praktischen Grund wichtig: ohne Kirche gäbe es weniger Feiertage und die Arbeiter hätten weit weniger „erzwungene“ Erholung. Meine Mutter würde gerne in die Kirche gehen, aber immer wenn sie fragt, ob ich mitkommen will und ich verneine, sagt sie alleine ginge sie nicht. Dann kommen ab und zu die Begräbnisse und Taufen; dann gehen alle hin um gemeinsam Abschied von einem bestimmten Lebensabschnitt zu nehmen.
Ich habe vor einiger Zeit angefangen eine alte schon lange benutzte Bibel privat zu kaufen, durchzulesen und all jene Passagen und Äußerungen welche ich nicht nachvollziehen kann zu schwärzen. Dies können sowohl allgemein inkonsistente Stellen sein, als auch rein persönlich motivierte Schwärzungen. Die Stellen werden mit einem Lineal und Filzstift durchgestrichen; nichts wird hinzugefügt oder stellenweise korrigiert. Dabei drücken sich aufgrund des typischen dünnen Papiers die Durchstreichungen auf die nächsten Seiten durch und verändern so auch die Lesbarkeit sowie den Gehalt der ansonst akzeptierten Stellen. So wie die (heutige) Bibel – das Alte und das Neue Testament – an sich als unantastbares Wort Gottes betrachtet wird und sich alle darin enthaltenen Inkonsistenzen (z.B. die Ahnenfolgen des Stammes David) auch die gesamte Verfassung der Christen ablesen läßt, haben die Durchstreichungen direkte aber zufällige Auswirkung auf andere Stellen. Die Bibel ist eben neben ihrem immateriellen Status als Wort Gottes auch ein Produkt einer neuen Zeitrechung: des Buchdruckes, der globalen Zirkulation von Wissen, der durch ein bestimmtes einheitliches Medium provozierten Bekehrung von Individuen und Kulturen, welche aus der Sicht der Distributoren auf den rechten Weg zurückfinden müssen. Die Druckerschwärze, die sich zu Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Illustrationen etc. verformen läßt, wird dazu benutzt, in einer konkreten Sprache und Übersetzung einen allgemeingültigen Anspruch zu erheben: „Alles was Du hier siehst ist fehlerfrei und unantastbar! Alles was Du jetzt als Fehler siehst oder jenes, welches Du nicht verstehst, hat Du eben noch nicht richtig verstanden. Du mußt Deinen Weg fortsetzen und Du wirst es erleben!“
Bei der Arbeit stellt sich peu à peu ein generelles Werturteil über „die Bibel“ hinter die von dem konkreten Detail, der isolierten Passage provozierten Einschätzung. Nicht nur hängt meine einmalige Zensur dieses einen, schon durch viele Hände gegangenen, Buchexemplars von einer kulturellen und sozial erlernten Position ab sondern auch von Tageslaunen, vom Wetter als auch von den vorher bereits geschwärzten Stellen. Es ist als ein Durchlauf zu verstehen, der sich an kulturellen Anweisungen, moralischen Stoppschildern und individuellen Abzweigungen orientiert – im Falle eines anderen (zeitlich, ethisch oder geographisch differenten) Durchganges, fände man sicherlich ein ganz anderes Ergebnis vor. Die Frage, was als Resultat übrig bleibt, ist klar: ein hauptsächlich von schwarzen Strichen dominiertes Buch. Die Frage, was inhaltlich als Sediment übrig bleibt ist dabei schwierigerer.
Ich werde die Bibel im Verlauf meiner Wanderung gleichzeitig als Quelle und als Träger von unterwegs gemachten Erfahrungen nutzen: zunächst in Form von inhaltlicher Lektüre; dann als Träger für Skizzen und Notizen und als Fundus alltäglicher Handlungen hernehmen (wie die Bibel z.B. in Notzeiten wegen ihres einzigartigen, dünnen Papiers als Zigarettenpapierersatz hergenommen wurde). Dabei werde ich in der Auseinandersetzung mit der Bibel chronologisch vorgehen und nur bereits gelesene Seiten für die Bearbeitung benutzen. Die Möglichkeiten des Aufzeichnens werden also direkt von dem Tempo der vorherigen Lektüre bestimmt sein. Ein Verwertungskreislauf.
Wird die einzige Lektüre auf meinem Weg mich verändern, so wie ich die Lektüre selbst verändere. Ein innerer Dialog ist zu erwarten: Wie wird die tagtägliche körperliche Anstrengung des Laufens, die Zufälle welche eine Wanderung mit sich bringt, sich auf die geistige Aufnahmefähigkeit auswirken. Wird das kontinuierliche Laufen ein Hindernis dabei sein oder gar die Aufnahmefähigkeit im Gegensatz zur passiven, stillen und im Sitzen vollzogenen Rezeption befördern? Werde ich doch eine Autorität brauchen um mich dem Inhalt nähern zu können? Und andererseits: Wie kann ich es rechtfertigen nicht gemeinsam mit der Gruppe zu reisen, wie wird es sein, zurückgelassen zu werden und sich dabei immer wieder an ein vorgegebenes Ziel anzunähern?
In meiner Jugend war es ganz normal zur Kirche zu gehen, damit sind wir aufgewachsen. Ich gehe nicht mehr in die Kirche, ich habe nicht das Gefühl, einen speziell designierten Ort für die Ermöglichung einer spirituellen Erfahrung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auch möchte ich der dogmatischen Auslegung eines ganz besonderen Gedankengutes in streng vordefinierten Hierarchien aus dem Wege gehen und deren Wirkungsweise hinterfragen – ich möchte wirklich meinen ganz persönlichen Zugang dazu finden; oder ich werde es auch vielleicht nicht tun können. Vielleicht sollte ich diese Bibel einfach zu Hause lassen und einfach nur laufen, Wege gehen ohne sich dabei eine vordergründige Aufgabe zu stellen.
Persönliche Anmerkungen in der Bibel.
Persönliche Anmerkungen in der Bibel.
Ausgangspunkt
Mein Vater geht nie in die Kirche, ist noch nie freiwillig gegangen. Auch wenn er die katholischen Glaubensbekenntnisse nicht teilt, findet er die Institution „Kirche“ jedoch aus einem praktischen Grund wichtig: ohne Kirche gäbe es weniger Feiertage und die Arbeiter hätten weit weniger „erzwungene“ Erholung. Meine Mutter würde gerne in die Kirche gehen, aber immer wenn sie fragt, ob ich mitkommen will und ich verneine, sagt sie alleine ginge sie nicht. Dann kommen ab und zu die Begräbnisse und Taufen; dann gehen alle hin um gemeinsam Abschied von einem bestimmten Lebensabschnitt zu nehmen.
Ich habe vor einiger Zeit angefangen eine alte schon lange benutzte Bibel privat zu kaufen, durchzulesen und all jene Passagen und Äußerungen welche ich nicht nachvollziehen kann zu schwärzen. Dies können sowohl allgemein inkonsistente Stellen sein, als auch rein persönlich motivierte Schwärzungen. Die Stellen werden mit einem Lineal und Filzstift durchgestrichen; nichts wird hinzugefügt oder stellenweise korrigiert. Dabei drücken sich aufgrund des typischen dünnen Papiers die Durchstreichungen auf die nächsten Seiten durch und verändern so auch die Lesbarkeit sowie den Gehalt der ansonst akzeptierten Stellen. So wie die (heutige) Bibel – das Alte und das Neue Testament – an sich als unantastbares Wort Gottes betrachtet wird und sich alle darin enthaltenen Inkonsistenzen (z.B. die Ahnenfolgen des Stammes David) auch die gesamte Verfassung der Christen ablesen läßt, haben die Durchstreichungen direkte aber zufällige Auswirkung auf andere Stellen. Die Bibel ist eben neben ihrem immateriellen Status als Wort Gottes auch ein Produkt einer neuen Zeitrechung: des Buchdruckes, der globalen Zirkulation von Wissen, der durch ein bestimmtes einheitliches Medium provozierten Bekehrung von Individuen und Kulturen, welche aus der Sicht der Distributoren auf den rechten Weg zurückfinden müssen. Die Druckerschwärze, die sich zu Buchstaben, Wörtern, Sätzen, Illustrationen etc. verformen läßt, wird dazu benutzt, in einer konkreten Sprache und Übersetzung einen allgemeingültigen Anspruch zu erheben: „Alles was Du hier siehst ist fehlerfrei und unantastbar! Alles was Du jetzt als Fehler siehst oder jenes, welches Du nicht verstehst, hat Du eben noch nicht richtig verstanden. Du mußt Deinen Weg fortsetzen und Du wirst es erleben!“
Bei der Arbeit stellt sich peu à peu ein generelles Werturteil über „die Bibel“ hinter die von dem konkreten Detail, der isolierten Passage provozierten Einschätzung. Nicht nur hängt meine einmalige Zensur dieses einen, schon durch viele Hände gegangenen, Buchexemplars von einer kulturellen und sozial erlernten Position ab sondern auch von Tageslaunen, vom Wetter als auch von den vorher bereits geschwärzten Stellen. Es ist als ein Durchlauf zu verstehen, der sich an kulturellen Anweisungen, moralischen Stoppschildern und individuellen Abzweigungen orientiert – im Falle eines anderen (zeitlich, ethisch oder geographisch differenten) Durchganges, fände man sicherlich ein ganz anderes Ergebnis vor. Die Frage, was als Resultat übrig bleibt, ist klar: ein hauptsächlich von schwarzen Strichen dominiertes Buch. Die Frage, was inhaltlich als Sediment übrig bleibt ist dabei schwierigerer.
Ich werde die Bibel im Verlauf meiner Wanderung gleichzeitig als Quelle und als Träger von unterwegs gemachten Erfahrungen nutzen: zunächst in Form von inhaltlicher Lektüre; dann als Träger für Skizzen und Notizen und als Fundus alltäglicher Handlungen hernehmen (wie die Bibel z.B. in Notzeiten wegen ihres einzigartigen, dünnen Papiers als Zigarettenpapierersatz hergenommen wurde). Dabei werde ich in der Auseinandersetzung mit der Bibel chronologisch vorgehen und nur bereits gelesene Seiten für die Bearbeitung benutzen. Die Möglichkeiten des Aufzeichnens werden also direkt von dem Tempo der vorherigen Lektüre bestimmt sein. Ein Verwertungskreislauf.
Wird die einzige Lektüre auf meinem Weg mich verändern, so wie ich die Lektüre selbst verändere. Ein innerer Dialog ist zu erwarten: Wie wird die tagtägliche körperliche Anstrengung des Laufens, die Zufälle welche eine Wanderung mit sich bringt, sich auf die geistige Aufnahmefähigkeit auswirken. Wird das kontinuierliche Laufen ein Hindernis dabei sein oder gar die Aufnahmefähigkeit im Gegensatz zur passiven, stillen und im Sitzen vollzogenen Rezeption befördern? Werde ich doch eine Autorität brauchen um mich dem Inhalt nähern zu können? Und andererseits: Wie kann ich es rechtfertigen nicht gemeinsam mit der Gruppe zu reisen, wie wird es sein, zurückgelassen zu werden und sich dabei immer wieder an ein vorgegebenes Ziel anzunähern?
In meiner Jugend war es ganz normal zur Kirche zu gehen, damit sind wir aufgewachsen. Ich gehe nicht mehr in die Kirche, ich habe nicht das Gefühl, einen speziell designierten Ort für die Ermöglichung einer spirituellen Erfahrung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Auch möchte ich der dogmatischen Auslegung eines ganz besonderen Gedankengutes in streng vordefinierten Hierarchien aus dem Wege gehen und deren Wirkungsweise hinterfragen – ich möchte wirklich meinen ganz persönlichen Zugang dazu finden; oder ich werde es auch vielleicht nicht tun können. Vielleicht sollte ich diese Bibel einfach zu Hause lassen und einfach nur laufen, Wege gehen ohne sich dabei eine vordergründige Aufgabe zu stellen.
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