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Die Idee des Genius von Schopenhauer im Paragraph 36 des ersten Buches des ersten Bandes (Die Welt als Vorstellung von 1818)
Welt als Wille und Vorstellung I, Erstes Buch, Paragraph 36Die Idee des Genius wird von Schopenhauer in Paragraph 36 des ersten Buches des ersten Bandes (Die Welt als Vorstellung von […]

Welt als Wille und Vorstellung I, Erstes Buch, Paragraph 36
Die Idee des Genius wird von Schopenhauer in Paragraph 36 des ersten Buches des ersten Bandes (Die Welt als Vorstellung von 1818) eingeführt. Da laut Schopenhauer alle Wirklichkeit nur Objektivationen, also Erscheinungen des Willen in der Welt seien, sind die Menschen grundsätzlich unfähig das Wesen der Welt zu erfahren und die platonischen Ideen im Besonderen (die jeglicher Vielheit der Objektivationen unterliegen) ohne spezielle Voraussetzungen anzuschauen. Der Genius hingegen ist fähig die Ideen rein zu schauen und diese Wesensschau ohne jegliche Relationen zum Willem zu vollführen. Hier könnte man Kants Begriff des „Interesselosen Wohlgefallen“ als Analogie zu der genialen Betrachtung ohne Bezug auf∂ den Willen anführen.
Der Begriff der Idee, den Schopenhauer von Platon aufgreift, ist lediglich die vermittelnde Instanz zwischen grundlosem und ewigen Willen und seinen Objektivationen, die mit den Naturkräften identifiziert werden können. Da das Subjekt die Objektivationen des Willens nur im Rahmen von Raum und Zeit überhaupt wahrnehmen kann und unter den Bedingungen des Satzes vom Grunde, muß es um die Ideen wahrnehmen zu können (die jenseits dieser Bedingungen liegen) seine Individualität aufgeben. Dieser Vorsatz belegt zweierlei: Die Schopenhauererschen Ideen sind nahe am Begriff Platons anzusiedeln, da dieser diese auch als nicht vorstellbar ansah (als Ursache und Urbilder der Abbilder in der Welt) und ebenso am Kantischen Ding-An-Sich als Muster erkennen lassen. Der Mensch ist aber ungeachtet dessen prinzipiell dazu fähig die Ideen unter bestimmten Voraussetzungen zu erkennen. Während bei Platon die Ideen der letzte mögliche Scühluß hinter den flüchtigen Erschinungen zuläßt, sind die Ideen bei Schopenhauer lediglich Objektivationen des Willen und damit wegen ihrer Bedingtheit prinzipiell erkennbar (Sie unterliegen aber paradoxerweise trotzdem nicht dem Satz vom Grunde sondern spielen eine Vermittlerfunktion zwischen Wille und Vorstellung). Nur der Wille der dem Kantischen Ding-An-Sich entspricht belibt generell unerschließbar. Der Mensch ist in seiner Funktion als „Fabrikware der Natur“, in seinem praktischen Alltagsleben stets als Subjekt den Objekten seiner Welt gegenübergestellt und ist gleichzeitig selbst ein Objekt für andere. Um aus dieser Bindung herauszutreten und die Welt der Ideen zu schauen muß das Subjekt mit dem Objekt für kurze Zeit ausnahmsweise zusammenfallen, Eins werden und seine Erkenntnis sich vom Dienst des Willens losreißen. Die Vorasussetzung für diesen Ausnahmezustand ist für Schopenhauer die Kontemplation, die au·s dem Subjekt ein nicht mehr indivduelles Wesen macht, das vollkommen in der Anschuung der Ideen aufgehen kann. Diese Erkenntnis des reine Subjekts, das nicht mehr als Individuum agiert, darf aber keinesweg mit der intellektuellen und rationalen Abstraktion verwechselt werden, da diese auch noch den Bedingungen von Zeit und Raum unterliegt und nur eine strategische Funktion innerhalb des Willensprogramms ist. Eine anderes Problem liegt in den von Schopenhauer benützten Begriffen, speziell der Kontemplation. Die Frage die gestellt werden muß ist die nach der Mitteilbarkeit der Kontemplation oder der Ideen mittels Sprache, die ja doch nur dem Satz vom Grund unterworfen ist und nur das denken läßt was ihre Kategorien zulassen. Läß„t sich mit Sprache egal welcher Art ein Zustand fern des Denkens überhaupt kommunizieren? Die Ideen sind in ihrer Funktions als Zwischenstufen für das Subjekt vorstellungsbedingt aber als Objektivationen des Willen sind sie vorstellungsbedingend für das Subjekt. Von der Form der Kausalität sind die Ideen frei weil sie nicht Wirkung des Willen sind sondern seine Erscheinung sind, als Ursache der Erscheinungen sind sie nicht zu betrachten, da diese wiederum nur Erscheinungen der Ideen sein sollen. Die Verstandeserkenntnis nach dem Kausalitätsbegriff betrifft deshalb nur die individualisierten Erscheinungen, da sie nur Anschauung des Objektes ermöglichen und nicht die davon kausal losgelöste Idee selbst.
Der elitäre Ansatz Schopenhauers bezüglich der Genialität oder allgemein einer künstlerischen Beschäftigung zeigt sich in der Behauptung, lediglich bestimmte Personen seien dazu fähig den Übergang von willensgetriebenem Handeln hin zur reinen Ideenschau zu vollziehen, die sich in ihrer Objektivität dem Satz vom Grunde völlig zu entziehen weiß. Relativiert wird diese Annahme durch die Behauptung das Genie sei durchaus nicht ständig in der Lage zur reinen Ideenschau sondern periodisch dazu fähig, durch Inspiration. Ebenso läßt Schopenhauer nicht unerwähnt, daß auch alle anderen Personen die zur ästhetischen Würdigung fähig sind auch dazu fähig wären die Ideen zu schauen – dies aber in einem geringeren Maße als der Geniale dies könne. Deshalb und nur deshalb sind Menschen in der Lage Kunstwerke als solche zu erkennen und Naturphänomene in ihrer Schönheit zu würdigen. Der Unterschied des Genius zur „Fabrikware der Natur“ sei aber die Fähigkeit des genialen Künstlers durch technische Perfektion die geschauten Ideen losgelöst von subjektiven Willensrelationen im Kunstwerk darzustellen und beliebig zu Wieder-holen.
Schopenhauers Geniuskonstruktion ist in engem Verhältnis zu seiner hierarchischen Konzeption der Künste, die er vollgendermaßen aufgeteilt sehen möchte: An unterster Stelle steht die Baukunst denn sie ist mit dem Boden und den Mineralien eng verknüpft, ihr folgt die Darstellende Kunst, dann die Poesie – diese Abstufung wird von der Musik gekrönt, die laut Schopenhauer einen mimetischen Charakter weitgehend unerkannt beherbergt und eiΩne Idee rein wiederspiegeln kann. Anhand seiner Überlegungen zur Vorgehendweise der Poesie bei der Vermittlung der Ideen, die ähnlich wie die Philosophie funktioniere, ließe sich nun auch der Wiederspruch auflösen etwas intuitiv erkanntes mit vernunft- und rationalbedingter Sprache wiedergeben zu wollen: Der Dichter ebenso wie die Philosoph bedient sich einer abstrakten Sprache die durch Fokussierung auf das Allgemeine gekennzeichnet ist, jedoch vermag er diese allgemeinen Formulierungen derart zu verschränken, daß in den Überlagerungen oder Brennpunkten der Allgemeinheit Anschuliches ersichtlich wird, die Idee. Außerdem appelieren beide an die Phantasie des Rezipienten, die diesem ermöglichen seinen Intellekt in Schwung zu bringen und ähnlich dem Künstler von den zunächts defizitär mittels Sprache konstruierten Werken wegzugehen und die Idee dahinter ansatzweise zu erkennen.
Während die Wissenschaft die Welt erklärt, bedeutet sie der Künstle·r. Die Wissenschaft zieht außerdem aus der Beobachtung des Allgemeinen Rückschlüsse auf das Einzelne während die Kunst sich auf das Einzelne fokussiert und dadurch auf allgemeine Phänomene extrapolieren kann. Die Wissenschaft verfängt sich in einer unendlichen Kette der immer neuen Beobachtungen um eine Vervollständigung ihres Systems anzustreben – die Kunst allerdings muß auf den Moment zielen und wie Schopenhauer euklidisch-mathematisch erklärt, mit ihrem Weg einen einzigen Punkt auf der horizontalen Linie der wissenschaftlichen Akkumulationen schneiden. Dies ist deshalb ein wichtiger Aspekt in Schopenhauers Kozept da der Wille nicht an Raum und Zeit gebunden ist und daher auch nicht innerhalb einer Entwicklung anzunähern wäre. Keine evolutionäre Erforschung innerhalb einer Zeitspanne in der sich die wissenschaftlichen Erkenntnisse vervollständigen oder die den Raum nach und nach erkundet wäre aus dieser Argumentation heraus im schopenhauerschen Sinn sinnvoll zu denken. Da der Wille eben nicht individuiert erscheint sondern das Eine ist, ohne Vielheit und grundlos ist, potentiell undendlich in seinen Erscheinungen etc. ist das Genie eben durch die Erfassung eines einzigen Momentes in der Lage sich ihm zu nähern oder besser gesagt die Ideenschau zu vollziehen und sich ebenso in einen objektivierten Zustand zu versetzen, der seine Anschauungen nicht in Relationen zum Willen setzt. Die Einheit des Willens wird aber nicht wie die eines alltäglichen Objektes in Relation zur Vielheit und Heterogenität der Umwelt geformt, noch wie ein Begriff durch die Abstraktion zu einer Einheit gelangt, sondern er ist eines als was außer Raum und Zeit, dem principio individuationis oder der Möglichkeit der Vielheit liegt.
Die platonische Ideenschau mag zwar weitgehend dem Satz vom Grunde entzogen konstruiert sein, jedoch ist sie gleichfalls nur eine Erscheinung des Willens, die auch nur eine der vielen möglichen untereinander streitenden Erscheinungen ist. Ebenso ist sie um Schopenhauers Argumentation treu zu bleiben eine Vorstellung eines Menschen (von Schopenhauer nämlich selbst) und unterliegt als Vorstellung dem Satz vom Grunde. Es bleibt eine Paradoxie zurück, die konkretisiert folgendes besagt: Die Gedankenkostruktion Schopenhauers der reinen Ideenschau kann schon deshalb nicht so rein sein, da sie in ihrer Schilderung eben eine Erscheinung des Willens darstellt.
Die Gesetzte der Veränderungen der Objektität des Willens, also seiner Erscheinungsformen betrachtet die Wissenschaft als Aetiologie, während sie das Bleibende als Morphologie betrachtet. Das Allgemeine zusammenfassend um das Besondere daraus abzuleiten und in Begriffe zu fassen, dient der Naturwissenschaft dazu die unendlichen Fülle ihres Beschäftigungsthemas zu limitieren. Die Mathema’tik hingegen betrachtet Raum und Zeit, die für die Erkenntnis des Subjekts als Individuum die Ideen zur Vielheit auseinandergezogen erscheinen läßt. Alle diese Wissenschaften sind in ihrem Grundcharakter dem Satz vom Grunde unterworfen und betrachten die verschiedenen Erscheinungen, die Gesetze, die Zusammenhänge und die entstehenden Verhältnisse. Ein wichtiger Grund für die Mangelhaftigkeit der abstrakt und nicht anschulich vorgehenden Wissenschaften sieht Schopenhauer in der sinnlosen Beschäftigung mit flüchtigen Erscheinungen der Ideen in der Welt: Indem die Naturwissenschaft abstrakt-rationalistisch die erscheinenden Phänomene betrachtet, gleiche sie einem Läufer der den Horizont am Himmel zu erreichen versucht; die Kunst aber sei immer am Ziel da sie den Schritt der vernünftigen Betrachtung der wandelbaren Naturerscheinungen überspringt (diese nur als Tor zu den Ideen versteht) und direkt an der Idee als Anschauungsziel ansetzt.
Die Kunst hingegen ist in der LaÅge dasjenige zu betrachten, was außerhalb jeglicher Relationen und Veränderungen für immer unverändert besteht: Die Ideen. Das Wesentliche der Welt, den wahren Gehalt ihrer Erscheinungen, der keinem Wechsel unterworfene und damit zu aller Zeit gleich erkannte Gehalt repräsentiert die unmittelbare und adäquate Objektität des Willens. Die Kunst ist ebenso nur Werk des Genius, der Genius ist Erblicker der Ideen und dazu fähig diese mittels der Kunst darzustellen. Der Genius wiederholt in seiner Kunst die durch reine Kontemplation aufgefassten Ideen, das Wesentliche und Bleibende an den Erscheinungen der Welt und abhängig von seinen Äußerungen nennt man diese bldende Kunst, Poesie oder Musik. Der einzige Ursprung der Kunst ist die Erkenntnis der Ideen, ihr einziges Ziel ist die Mitteilung dieser. Jedes von der Wissenschaft erreichte Ziel ist nur temporär und defizitär und bietet nie völlige Befriedigung. Die Kunst ist hingegen überall am Ziel. Sie isoliert das Objekt ihrer Kontemplation aus dem Strom des Weltlaufs heraus und ist im Stande ausgehend vom diesem auf das Allgemeine, in Zeit und Raum undendlich Viele zu deuten. Der Kunst ist das Wesentliche nur ihr Objekt, nämlich die Idee die aus allen Relationen herausgelöst wurde. Schopenhauer meint man könne die Kunst als die Betrachtungsart der Dinge unabhängig vom Satze des Grundes bezeichnen, während die Wissenschaft dem Vielen hinterherläuft. Die eine Betrachtungsart ist die vernünftige und praktische (er nennt sie auch die des Aristolteles), die andere die von Inhalt des Satzes vom Grunde weggehende ist die geniale welche in der Kunst allein gilt (die des Platon). Schopenhauer stellt diese beiden Betrachtungsweisen immer wieder genenüber, wobei er der naturwissenschaftlichen Art eine Ungezämtheit und endlose Triebhaftigkeit unterstellt und der anderen eine stille Kontemplation oder unbewegte Ruhe.
Das Wesen des Genius besteht in der Fähiˇgkeit zur reinen Kontemplation in der die Ideen aufgefasst werden können. Laut Schopenhauer ist Genialität nichts anderes als die vollkommene Objektivität, derjenige Zustand in dem das Genie seine Person vollkommen vergißt und nur die Ideen schaut. Die Richtung des Geistes ist weg von der eigenen Person und ihren Wünschen gerichtet, dh. es ist eine den Willen wiederstrebenden Position. Genialität sei die Fähigkeit sich rein anschauend zu verhalten und die aus dieser Anschauung gewonnene Erkenntnis, welche ursprünglich dem Willen dienlich war, diesem zu entziehen. Die Erkenntnis solle nicht auf Augenblicke fokussiert sein sondern so anhaltend und so besonnen, daß eine Wiederholung des Aufgefassten durch überlegte Kunst möglich sei. Die schwankende Erscheinung solle laut Schopenhauer in einen dauernden Gedanken gefestigt werden. Das Maß der Erkenntniskraft übersteigt das eines gewöhnlichen Individuums und dieser Überschuß wird zum willenlosen Spiegel der Welt, zum rein erkennenden Subjekt. Schopenhauer erklärt damit die Unruhe und Lebhaftigkeit genialer Individuen denen die Gegenwart nicht genügen würde und die rastlos nach betrachtungswürdigen Objekten streben würden. Das Genie sucht nicht nur unaufhörlich nach Objekten der Betrachtung sondern auch nach mitteilungswürdigen Personen, die ihnen gleich seien. Die Behaglichkeit des Alltagslebens sei einem Genie nicht möglich, da es stets unbefriedigt nach neuen Erkennissen sucht und nicht in der Gegenwart aufgehen könne. Hier zieht Schopenhauer einen Bogen zur Phantasie die ja wesentliches Bestandteil der Genialität sei. Die Phantasie sei deswegen ein wesentliches Merkmal des Genius, da ohne sie die Anschauung der Ideen anhängig von den Umständen des Individums sei und zudem beschränkt auf die ihm gegenwärtigen Objekte. (Die Objekte seien zudem nur sehr mangelhafte Exemplare der in ihnen darleiegenden Ideen.) Die Phantasie nun ermögliche es den Horizont weit über die Wirklichkeit jener persönlichen Erfahrung zu erweitern und aus der wirklichen Apperception des Subjektes alle möglichen Zustände zu konstruieren/synhetisieren und fast alle Lebensbilder an sich vorüberziehen zu lassen. Der Genius sieht mittels der Phanrasie nicht die defizitären Erscheinungen so wie sie die Natur hervorgebracht hat, sonndern so wie sie sie hervorbringen wollte. Die Phantasie erweitere den Gesichtskreis der Person weit über die sich ihm bietenden Objekte, sowohl der Qualität als auch der Quantität nach wie Schopenhauer meint. Allerdings mahnt der Autor hier an die unterschiedliche Ausformung des Phantasmas, das einmal ein Kunstwerk erschaffen kann oder auf der anderen Seite eben nur Luftschlösser, die momentan blenden, zur Selbstsucht dienen und der eigenen Laune dienen.
Der gewöhnliche Mensch, diese „Fabrikware der Natur“ laut Schopenhauer sei einer völlig uninteressierten Betrachtung nicht andauernd fähig; Er könne seine Aufmerksamkeit nur auf die Dinge richten wenn diese eine Beziehung zu seinem eigenen Willen haben. Desweiteren genügt dem normalen Menschen die Betrachtung eines Dinges nicht und er springt mit seiner Aufmerksamkeit von Objekt zu Objekt was auch die Routiniertheit im Umgang mit Kunstwerken und Naturphänomenen erklärt. Der Geniale strebt nicht danach die Relationen unter den Dingen und zu seinem Willen zu erfassen, sondern fokussiert auf das Einzelne und ist in der Lage mittels des Überschusses seiner Erkenntnisfähigkeit sich dem Willen zu entziehen. Diese ideologische Einstellungen meint Schopenhauer auch in der Physiognomie zu finden, wenn er etwa über die kontemplative Weitsichtigkeit mancher Abgebildeter redet. Im normalen Menschen äußere sich dagegen das Sphähen und das nüchterne Blicken. Schopenhauer geht so weit zu behaupten, ein reines Erkennen ohne jeglichen Bezug zum Wollen in den Bildnissen vermeintlich genialer Menschen erkennen zu können. Schopenhauer erwähnt aber auch die Mängel eines Genies, seine Unbeholfenheit inmitten der praktischen Welt und auch die Vorstellung eines Agierens unter Besitznahme durch ein fremdes Wesen. Die Inspiration ist Ursache dieser Überlˇegung da das Wirken des Genies nicht ständig stattfindet, sondern durch Zwischenräume banalen Lebens unterbrochen wird. Eine der offensichtlichsten Mängel des Genius ist seine Unbeholfenheit in der Mathematik, die Resulat seiner Abneigung gegen den Inhalt des Satzes vom Grunde ist. Die Beschäftigung mit der Mathematik beanspruche ebenso einen viel zu großen Teil des Gedächtnisses weshalb diese nie als herausragende Fähigkeiten eines Genies betrachtet werden können. Als Beispiel führt Schopenhauer Alfieri und Goethe an, die von ihren Zeitgenossen wegen solcher Mängel gerügt wurden.
Aus dieser Überlegegung heraus entwickelt Schopenhauer die These, das Genie sei unvernünftig und neige oft zu Affekten. Da seine Erkenntnis rein anschauend sein soll und nicht abstrakt und vernünftig. Die Affektiertheit sei aber nicht als Schwäche der Vernuft zu sehen sondern eher als Überschuß der genialen Energie deren Auswirkungen nicht selten im Wahnsinn münden. Jede Steigerung des Intellektes über das gewöhnliche Maß zeigt eine Disposition zum Wahnsinn. Der entscheidende Faktor der den Wahnsinnigen aber vom Genie trennt meint Schopenhauer im Umgang mit der Vergangenheit zu sehen. Der Wahnsinnige weiß zwar von ihn hat aber eine Vorstellung in abstracto und füllt die Lücken in seiner Vergangenheitserinnerung mithilfe der Phantasie (er erkennt lediglich die Beziehungen unter seinen Vorstellungen) – der Geniale hingegen schaut die Gegenwart so anschaulich und direkt daß eine Sicht auf die Vergangenheit verblendet wird und die Relationen in Hinsicht auf den Satz vom Grund vernachlässigt werden. Was der Wahnsinnige oder der normale Mensch nur unvollkommen und mangelhaft in den Phänomenen der Natur sieht, vermag der Genius diese zur Vollkomenheit zu steigern und damit dazu zu neigen im Leben nur Extreme zu sehen, die ihm eine normale, pragmatische Lebensführung unmöglich machen.
In Paragraph 37 erklärt Schopenhauer dann, daß die Fähigkeit die Ideen zu erkennen dennoch in einem geringeren Maße als im Genius auch in den normalen Menscheén vorkommen muß. Als Grund dafür sieht er die Fähigkeit des Menschen die Kunst genießen zu können und sich an dem Schönen und Erhabenen zu erfreuen. Man muß also in allen Menschen, sofern diese zu einem ästhetischen Wohlgefallen fähig sind, die Potenz vermuten die Ideen rein schauen zu können und sich ihrer Persönlichkeit entziehen zu können. Der Genius hat anscheinend nur ein quantitativ höheres Potential dazu, ist aber fähig die erkannten Ideen willkürlich in seinen Kunstwerken zu wiederholen. Die mitgeteilte Idee des Genius bleibt dabei immer dieselbe – dies lasse sich dadurch beweisen, daß der ästhetische Wohlgenuß der gleiche sei im Falle de#r Betrachtung eines Kunstwerkes oder eines Naturphänomens, aus dem die Anschauung der Ideen herrühren, an einem beliebigen Punkt innerhalb von Raum und Zeit. Der Künstler wiederholt die Idee rein in seinem Kunstwerk da er bei der Ideenschau keine Wirklichkeit mehr wahrgenommen hat die in einer Beziehung zum Willen stehen konnte. Deshalb meint Schopenhauer es sei vergleichsweise leichter in den Kunstwerken die Idee zu erblicken als in der Beschäftigung mit der Wirlichkeit selbst.
Welt als Wille und Vorstellung II, Drittes Buch, Kapitel 31
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Das Wesen des Genies liegt in der Vollkommenheit und Energie der anschauenden Erkenntnis, nicht in der abstrakten Betrachtungsweise. Werke des Genies gehen unmittelbar von der Anschaung aus und wenden sich folgerichtig auch direkt an die Anschaung. Das Talent differenziert Schopenhauer vom Genius durch die weniger intuitive Erkenntnis als durch die größere Schärfe der Diskursivität und Gewandheit, also der Vernunfttätigkeit und Abstraktionsfähigkeit. Das Talent schaut zwar richtiger und präziser als der Normalmensch, befindet sich aber dennoch stets in der gleichen Welt während das Genie eine völlig andere Welt erblickt und keinen Bezug zum Willen mehr hat. Das Talent schaut zwar tief aber ist nur fähig die Beziehungen unter den Dingen zu erkennen und nicht die Ideen selbst – die Erkenntnis bleibe in den Beziehung der Dinge zueinander und zum eigenen Willen stecken. Das Genie hat aber einen Überfluß an erkennender Energie die über die für den Willen nötige Quantität übersteigt und es kann damit elasçtisch und zwecklos die Welt betrachten. Mit dieser Stufe der Erkenntnisfähigkeit steht dem Willen ein Opponent gegenüber da die für ihn überflüssige Fähigkeit zur Erkenntnis mit ihm in Konflikt steht. Schopenhauer deuten an, diesen geistigen Überschuß an Erkenntnisfähigkeit auf eine physiologische Grundlage zurückführen zu können: Er benennt sie als Abnormität des Übermaßes (mostris per excessum) die abgesondert von anderen Mißbildungen stehen (monstris per defectum – aus Mangel und den mosntris per situm mutatum – aus falscher Lage herrührend). Das Genie verlagert also seinen Übermaß auf die Betrachtung des Allgemeinen. Hier widerspricht sich Såchopenhauer mit seiner im Ersten Buch getroffenen Aussage das Genie betrachte das Einzelne und eben nicht das Allgemeine wie die dies die Naturwissenschaft tue. Das Verhältnis von Intellekt und Wille im Normalmenschen gibt Schopenhauer mit 2/3 zu 1/3 an während der Geniale 2/3 Intellekt und 1/3 Wille hätte – zur anschaulich Verdeutlichung bemüht Schopenhauer eine chemisches Verhältnis von Säure und Base zueinander und die Rolle der Radikalen und des Sauerstoffes in dem Gemisch.
Nur mittels der Anschauung sei es möglich das Wesen der Dinge zu erfahren (Schopenhauer erwähnt im Ersten Buch zu dem Ergebnis gekommen zu sein alle Anschauung sei ixntellektual und nicht sensual, was nicht ohne weitere Interpretaion nachvollzogen werden kann) und fern jeglicher Bennenung und Kategorisierungsmechanismen in Wahrheit zu erfassen. An dieser Stelle erhärtet Schopenhauer seine Vermutung alle Nachahmung in der Kunst sei an Begriffe und Bilder gebunden und damit noch nicht der Ideenschau gleichwertigund sondert erneut die talentierte Kunst vond er genialen ab. Gegenwärtigen Bedürfnisse und zeitgenössischem Verhalten korrespondierend ergötzt sich die Phantasterei und das Talent, während das Genie aus einer anderen Welt seine Ideen speisen würde.
Die Phantasie sei ein Mittel zur Vervollständigung der ansonsten zufälligen, mangelhaften Exemplare der Natur und zur Ausmalung und beliebigen Wiederholung der Erkenntnis nötig. Die Phantasie sei auch ein Mittel zur Herbeiführung der Ideenschau und zur Loslösung von sensualen Inputs. NÔicht das Denken des Allgemeinen aus dem Einzelnen heraus sei entscheidend sondern die Anschauung des Allgemeinen bar jeden Denkens.
Eine weitere Verbindung geistiger Prozesse zur Physiognomie sieht Schopenhauer in der Manumission (Freilassung) des Intellektes vom Dienste des Willens, das in den Gesichtszügen wiedergespiegelte Vorherrschen des Erkennens über das Wollen. Im Zusammenhang mit der Melancholie sei in Bildnissen von Genies, wie sie Lord Byron, Alfieri oder Goethe seien, ein weiter Blick und eine Heiterkeit der Erkenntnis erkennbar. (Motto des Jordanus Brunus in der Komödie Il Calendaio: In tristitia hilaris, in hilaritatae tristis – In Heiterkeit Traurig, in Traurigkeit heiter.) Ebenso attestiert Schopenhauer dem Genie eine besonnene Haltung die aus seinem objektiven Status resultiert und die nicht durch willensgetriebene intellektuelle Überlegungen gestört wird. Diese reine Objektivität kenne nur das Genie – das Tier z.B. verbleibe immer in einem subjektiven Status und die Objekte seiner Erkenntnis können nie zum Vorwuf (Objekte der Darstellung) noch zum Problem (Objekte des Meditation) werden. Ein solches Bewußtsein ist stets immament. In engem Zusammenhang positioniert Schopenhauer das Bewußtsein des normalen Menschen das gleichfalls immer immanent bleibe. Die Besonnenheit ist letztendlich Ergebnis des Überschusses der intellektuellen Anschauungpotenz die sich vom Willen, dem dies ursprünglich diensbar war, losmacht. Der höchste Grad des Auseinanderdriftens von Intellekt und Willen findet sich im Genius und in der in ihm stattfindenden zeitweiligen Loslösung des Intellektes von der Wurzel des Willen. In diesem Stadium ist die Welt als Vorstellung in ihrer vollkommenen Objektivation.
Mit Goethe und Aristoteles versucht Schopenhauer schließlich den melancholischen Aspekt im Genie zu belegen, der gerade deshalb so deutlich zu Tage tritt da der geniale Mensch in seinem objektiven Zustand das Leiden der Welt umso deutlicher zu erkennen vermag. Daraus ergebe sich eine trübe Stimmung und8 eine dem Genie immanente Melancholie. Seiner Bestimmung untreu geworden, also durch den Erkenntnisüberschuß sich dem Willen entziehend, wiederfahren dem Genie die Nachteile die einem normalen Menschen so nicht als Problem erscheinen. Als Folge daraus empgindet der Geniale Mensch Melancholie und Mitleid mit der Welt und ihrer Abhängigkeitsverhältnisse.
Mit den Überlegungen zum Thema des Genies im Dritten Buch, die lediglich als Ergänzungen zu dem Kapitel des Ersten Buches gedacht sind aber im Umfang dieses übersteigen, äußert sich Schopenhauer meiner Ansicht nach wiedersrprüchlich. So legt er in den ursprünglichen Überlegungen den Schwerpunkt des Erkennens der Platonischen Ideen auf die Fokuussierung des Einzelnen wohingegen er in den späteren Ergänzungen von der positiven Beschäftigung mit dem Allgemeinen spricht. Während er die reine Erkenntnis der Ideen als objektiven Part ansieht verlagert er diese Fähigkeit im Text des Dritten Buches gelegentlich auf die subjektive Seite. Die Schopenhauersche Forderung nach Betrachtung des Einzelnen zur Erkenntnis des Ganzen beinhaltet eine Paradoxie, da die Ideen zwar nicht dem Satz vom Grunde unterliegen aber dennoch als Einzelobjekte nebeneinander stehen. Insofern ist sein Vorwurf gegen die Naturwissenschaft (sie würde niemals an ein Ziel gelangen da sie stets die sich wandelnden Erscheinungen der Ideen betrachte) nicht ganz verständlich: Der Künstler tut dies mit der Anschauung der Ideen in vergleichbarer Weise da die momentan erfaßte Idee ebenso nur eine von vielen Ideen sind. Diese Paradoxie löst sich aber demnach auf, da die Ideen aufgrund ihrer Zwischenposition im Vergleich mit den unendlichen Objektivationen des Willens als ewig und Eins erscheinen, aber im Kontrast mit dem unergründlichen Willen dennoch als vereinzelte Objekte.
Genialität sei die vollkommenste Objektivität, d.h. objektive Richtung des Geistes, entgegengestzt der subjektiven, auf die eigene Person, d.h. den Willen gehenden.
In Anmerkungen des Handschriftlichen Nachlasses erklärt Schopenhauer seine Philosophie solle sich von allen bisherigen dadurch ˝unterscheiden, daß sie keine Anwendung des Satzes vom Grunde sei sondern eine Kunst. Insofern ähnelt sich seine reflexive Philosophieauffassung seiner Vorstellung von der Kunst als alleiniges Mittel zu einem tiefen Verständnis der Welt zu gelangen. Diesem Zweck und unter diesen Voraussetzungen ist auch seine Philosophie gewidmet.
Schopenhauer ist ganz eindeutig weniger an einem abstrakten Wissen über die Welt interessiert, als an der praktischen Anschauung derer und der wiederholbaren und besonnenen Umsetzung der rein angeschauten Ideen, die sich in den Phänomenen der Natur durch den Willen manifestiert haben. Die anschauliche Erkenntnis ist deshalb der abstrakten überlegen da die abstrakte Erkenntnis der Welt immer noch in Beziehung zu der anschaulichen steht und eine anschauliche Erkenntnisweise dieser vorhergeht und die abstrakte sogar bedingt. Anhand dieser These konstruiert Schopenhauer auch seinen Kulturpessimismus und seine Kritik an der institutionalisierten Vermittlung von Wissen und Moral in geHsellschaftlichen Bereichen wie Universitäten, Naturwissenschaft oder sonstigen Erziehungsanstalten. Aber nicht nur in der Außenwelt führt der Mensch ein Doppelleben in dem er anschauliche und abstrakte Erkenntnisweisen miteinander vereinbaren muß, sondern dies läßt sich auch auf ihn selbst und seinen Leib übertragen. Diesen nimmt der Mensch sowohl als Vorstellung als auch als Willen wahr. Und genau aufgrund dieser immanenen Erfahrung der Dualität des eigenen Leibes ist der Mensch befähigt Rückschluß auf die Dualität der Außenwelt zu ziehen: In dieser muß folglich auch neben demH Reich der Vorstellung ein metaphysisches Reich stehen, das des Willens. In der Außenwelt muß derselbe Wille walten den der Mensch aufgrund seiner Leiberfahrung erkennen konnte, wie in ihm selbst – dadurch ließe sich ein Rückschluß auf den Wahrheitsgehalt der (Außen)welt schließen. Der sonst so leicht aufkeimende Zweifel ob die Welt nicht nur ein Trugbild sei, kann somit mit dem Hinweis auf den in ihm agierenden Willen zurückgewiesen werden, der die Vorstellungen hervorbringt. Ansonsten wäre die Welt laut Schopenhauer ein leeres und unheimliches Geistergebilde ohne Substanz.
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Da das Genie so sehr auf seine Gegenwart fokussiert und weniger Gedanken auf die Zukunft richtet als seine Zeitgenossen, vermag es im Alltagsleben weniger souverän aufzutreten. Es plant seinen Lebensweg nicht egoistisch aus der Gegenwart heraus und besetzt relevante Kategorien für die eigene erfolgreiche Zukunft. Diese Tatsache führt einerseits zu einer Unbeholfenheit und andererseits zu einem Übermaß der Affekte da es sich ganz auf die Sache konzentriert während seine Mitmenschen strategisch und in ihrem Sinne agieren. Schopenhauer führt dies auf einen Überschuß an Verstand und Sinnhaftigkeit gegenüber der Vernuft zurück. Dieser Überschuß führt zu einem mitunter unvernünftigen Verhalten, das aber seiner Meinung aber nicht auf einen Mangel an Vernunft zurückzuführen sei. Der Geniale empfindet das Anschauliche und Sinnliche stärker als das abstrakt durch die Vernunft synthetisierte.
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