Tierpräparate als Simulatoren


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Anliegen dieser Arbeit sei es die simulatorischen Potentiale und die, den ästhetischen Merkmalen exotischer Tierpräparate zugrundeliegenden ideologischen Implikationen, die hauptsächlich in pädagogisch orientierten Ausstellung der Museen für Naturkunde weltweit einem breiten Publikum zugänglich sind, zu untersuchen. Ausgehend von Überlegungen zu rein ästhetischen Merkmalen sowie zu Manifestationen von Machtkonstellationen in den jeweiligen Inszenierungen, soll versucht werden…

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Bearbeitet

Einleitung


Anliegen dieser Arbeit sei es die simulatorischen Potentiale und die, den ästhetischen Merkmalen exotischer Tierpräparate zugrundeliegenden ideologischen Implikationen, die hauptsächlich in pädagogisch orientierten Ausstellung der Museen für Naturkunde weltweit einem breiten Publikum zugänglich sind, zu untersuchen. Ausgehend von Überlegungen zu rein ästhetischen Merkmalen sowie zu Manifestationen von Machtkonstellationen in den jeweiligen Inszenierungen, soll versucht werden das Verhältnis von Realität und Simulation, Ideal und Imitation beziehungsweise Wissenschaftlichkeit und Kitsch zu beleuchten.

Gestaltung der Tierpräparate

Motive der Präparation

Die Überlegungen der Arbeit beziehen sich konkret auf die Präsentation von sieben Exponaten dermatologisch präparierter Tiere im Naturkundemuseum Leipzig, die von Hermann Heinrich ter Meer im Zeitraum von 1907 bis 1934 entweder eigenständig konzipiert wurden oder nach seinen Vorstellungen umgearbeitet worden waren und die als Teil der Dauerausstellung des Museums seit den 1980er Jahren als Dioramen unverändert im ursprünglichen Zustand gezeigt werden. (Vgl. Anhangsbilder) Die im Hinblick auf diese Werke gezogenen speziellen Schlußfolgerungen können aber aufgrund der bemüht urtümlichen und damit beispielhaften Ausarbeitung der Dioramen durchaus verallgemeinert und als Muster für jenes Prinzip geltend gemacht werden, das sich in den simulatorischen Potentialen des Dioramas per se etabliert hat. Der aus einer niederländischen Familie, mit einer langen Tradition in der Tierpräparation, stammende ter Meer begann 1907 an der Universität Leipzig als zoologischer Präparator zu arbeiten und entwickelte während seiner Arbeit in Deutschland eine neue Methode der Tierpräparation, die nicht mehr den Körper als zu füllende Hülle ansah, sondern die die behandelte Haut der Tiere auf ein vorher aus speziellen Materialen modelliertes Gerüst aufspannte. Die herkömmliche Methode der Taxidermie, der Tierpräparation „nach der die gegerbte Haut über ein Gerüst aus Holz und Eisenstangen gezogen, mit Füllmaterial wie Heu, Seegras, Holzwolle oder Werg ausgestopft und anschließend zugenäht wurde […]“ entsprach den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufkeimenden, immer präziser werdenden wissenschaftlichen und sozialdarwinistischen Tendenzen, die sich aus den Forschungen von Johann Gregor Mendel, Charles Darwin und vielen weiteren Forschern speisten, nicht mehr. „Die nach der Methode ter Meers geschaffenen Säugetiere, ob einzeln oder als biologische Gruppe in ihrem natürlichen Lebensraum, als Diorama dargestellt, hatten nicht nur größeren Schauwert für die Museumsbesucher. Sie erfüllten auch deren wachsendes Bedürfnis nach naturwissenschaftlicher Bildung, da sie eine reale Vorstellung vom Wesen und Verhalten der Tiere in der freien Natur vermittelten. Diesem Bedürfnis wurde weltweit, in vielen großen Museen der USA, Großbritanniens und Deutschlands bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Rechnung getragen, indem man von der systematischen Ausstellung der Tiere zur Präsentation in Dioramen überging.“ Die Dermoplastik verweist zwar noch mit ihrem Namen auf, die aus dem Griechischen stammenden Bezeichnungen der Komponente ‘Haut‘ (derma) als einen Schwerpunkt und dem ‘Bilden‘ (plastein) dieser Textur als einen Anderen – dies scheint an der traditionellen Art der Tierpräparation orientiert zu sein, die der Haut als Signum des Authentischen einen höheren Stellenwert zuschreibt als ihrer Füllung – der tatsächliche Schwerpunkt liegt jedoch nicht auf der technisch perfekten Verarbeitung der Haut sondern auf dem zu bespannenden voluminösen Modell. Im Unterschied zu der vorherigen Tradition des Ausstopfens von überwiegend aus der Jagd stammenden Trophäen, ermöglicht die dermatologische Präparation einerseits eine viel genauere Kontrolle des Präparators über die Silhouette des Tieres und die Ausarbeitung einer im Prinzip beliebigen Pose und bewirkt andererseits die Verlagerung beziehungsweise Konzentration der Arbeit unter die direkt visuell wahrnehmbare Oberfläche, da die wesentliche Arbeit die der Konstruktion einer stimmigen Haltung ist und nicht mehr die des oberflächlichen Überzugs eines lediglich anonymen Gerüstes mit einer ornamentalen Hülle. Die Identität des Tieres ist durch das darunterliegende Gerüst definiert und nicht mehr durch die Auskleidung dessen. Zu der flexibel definierbaren Pose der Tiere kommt hinzu, daß die in den Naturkundemuseen weltweit ausgestellten Dioramen nicht auf eine isoliert-purifizierte Darstellung des Tieres oder einer Tiergruppe limitiert sind, sondern stets ein individueller Hintergrund implementiert ist, der in der Regel nicht fotorealistisch angelegt ist sondern ganz im Gegenteil oftmals Spuren lockerer, farbenfroher Malweise erkennen läßt. Die Konstruktion der Dioramen, die einen nach allen Seiten hin abgeschlossenen Raum darstellen, in den man frontal durch eine Glasscheibe blicken kann, läßt außerdem eine atmosphärische und psychologisierende Beleuchtung innerhalb der einzelnen Szenerien zu, die gezielt bestimmte Aspekte hervorhebt oder mittels Lichtführung die als ‘natürlich‘ empfundene Umwelt des Tieres zu imitieren versucht. Die mögliche Zielsetzung einer derartigen Präsentationsweise könnte schon an dieser Stelle divergieren, da dieser einerseits ein naturwissenschaftlicher Ansatz inhärent zu sein scheint, dem präzise Fachkenntnisse zugrunde liegen müßten und andererseits die bildnerisch–künstlerische Komponente Bestandteil der Präsentation ist, die den Schwerpunkt auf eine ästhetisch–pädagogische Vermittlung legt. „Auch ein Blick auf die Entwicklung des europäischen Denkens zeigt, daß in der griechischen Philosophie, beginnend mit Sokrates und Plato, der didaktische Zweck ins Zentrum rückte. […] In der Neuzeit ist mit dem rasenden Fortschritt auf der Seite der Erkenntnis die Einheit von Erkenntnis und Gefühl in Gefahr geraten. Beide Seiten entwickelten die Tendenz, sich voneinander zu trennen: Doch dies widerspricht dem ursprünglichen Bedürfnis der menschlichen Seele.“ Es scheint auch angebracht zu sein, von den Präparaten, aufgrund des extra-ordinären Status‘ und der Positionierung dieser durch die Präparatoren selbst, in der Folge der Argumentationen als Gegenstände der Kunst zu sprechen. Die Plazierung der meist exotischen Präparate in den Museen für Naturkunde, die interessanterweise im deutschsprachigen Raum ehemals das Wort Heimatkunde im Titel führten und somit einen örtlichen und lokal verwurzelten Bezug der Präparate zum Präsentationsort herzustellen versuchten, zeugt im ersten Augenblick vom Anspruch einer pädagogisch-motivierten Aufklärung eines breiteren Publikums und der gezielten Verortung in eine explizit nicht exklusive, nicht universitäre und nicht bürgerliche Umgebung, die allen Klassen der Bevölkerung mehr oder weniger zugänglich gemacht werden sollte. Mit dem Verweis auf einen Ort der Verwurzelung im Titel der Museen, wird zugleich allen ausgestellten Präparaten ein privater Rahmen und zugleich ein Bereich des Friedens und der Intimität innerhalb einer bedrohlichen, anonymen Welt zuteil. Die den Publikumsmassen unverständliche wissenschaftliche Methodik der reinen Akkumulation von Objekten sowie der Forderung nach authentischer und zugleich allgemein verwertbarer Nachstellung des nicht Vertrauten – oder allgemeiner gehalten: Die traditionelle Vermittlung des ‘an sich‘ Unerfahrbaren und Exklusiven – wurde schon Mitte des 19. Jahrhunderts kritisch angesprochen, als Ergebnisse der evolutionsbiologischen Forschungen parallel mit denen der Vererbungslehre den Fokus auf die Themen Körperbau, Funktionalität, Ökologie und Verwandschaftsbeziehungen von Organismen legte und gleichzeitig erste Anzeichen einer philosophischen Phänomenologie erkennbar wurden. „Wenn wir die Sammlungen ausgestopfter Thiere in den grösseren Museen, die uns ja doch überall als Vorbilder dienen sollen, durchwandern, so können wir gleich bei den ersten Schränken das Gefühl einer unendlichen Langeweile kaum unterdrücken, und es gehört ein mehr als gewöhnliches Gemüth dazu, die Geduld und das Interesse bis zum letzen Schrank aufrecht zu erhalten. – Überall trostlose Monotonie, gänzlicher Mangel an objektiver Darstellung und keine andere Belehrung als die, welche wir durch das niemals fehlende Etiquett, in einer nur Wenigen verständlichen Sprache dürftig erhalten. – So reiht sich eine Jammergestalt an die andere und wenn das Jahr zu Ende gegangen, brüstet man sich, die Sammlung durch so und so viele hundert oder tausend ‘Exemplare‘ […] bereichert zu haben. […] Reicht der Platz neben her nicht mehr aus, so werden die Exemplare hinter einander gestellt, zuerst doppelt, dann dreifach.“ Objektive Darstellung, ergänzt durch eine in einer allgemeinverständlichen Sprache gehaltenen Deklarierung sollten die Fundamente sein, die den Paradigmenwechsel einleiten sollten, der die Art und Weise der musealen Vermittlung von spezifischen Exponaten einer bestimmten wissenschaftlichen Attitüde hin zu Scharnieren zwischen der empirischen Wissenschaft und den subjektivistischen Ansichten der breiten Bevölkerung hervorheben sollte. Der Anspruch einer möglichst objektiven, d.h. realistischen Darstellung wird schon durch die Tatsache zunichte gemacht, daß die dermoplastisch präparierten Tiere keine lebenden Organismen mehr sind und eine Ablesbarkeit ihrer Verhaltensweisen dadurch unmöglich wäre. Die Situation von Tieren der gleichen Art in den zoologischen Gärten mag diese Beobachtung noch eingeschränkt erlauben, jedoch müssen selbst dort, die durch die unfreie Haltung resultierenden Aspekte wieder ausgeglichen werden oder zumindest über die Abnormitäten im Verhalten hinweggetäuscht werden. Diese in dem Prozeß des Todes radikal negierten Elemente, wie alle anderen auch, werden in den Präparaten so weit wie möglich artifiziell ausgeglichen, indem das Typische eines Tieres, das Signifikante an seiner Gebärde in einer einzigen Pose verdichtet wird, die innerhalb einer konstruierten Kulisse die Illusion einer ursprünglichen Natürlichkeit zu simulieren versucht. In diesem Fall muß der Anspruch jeglicher Nachahmung immer die möglichst genaue Annäherung an einen als, in welcher Ausprägung auch immer, mit dem Adjektiv ‘natürlich‘ definierten Zustand sein. Die Präparation der Tierreste sollte jedoch eher als die Verarbeitung einer Idee eines Tieres angesehen werden, denn als die eines in der Vergangenheit tatsächlich existierenden Tieres. Präpariert wird lediglich das Fell, und in Ausnahmen Teile des Gebisses eines Tieres und weniger der Organismus in seiner vollständigen und komplexen Verfaßtheit, wie das bei einer sogenannten Plastination, bei der die Körperflüssigkeiten sukzessive durch synthetische Stoffe substituiert werden, eher der Fall wäre. Würde die Präparation der Tierhaut per se als ausreichend für die Akzeptanz der Authentizität eines Organismus gelten, so reduzierte man die relevanten Eigenschaften des Tieres auf eben diese eine Hülle und müßte den Unterschied zwischen einem Tier und einem sich dementsprechend bewegenden Roboter mit übergezogener Tierhaut sofort aufgeben – dennoch scheint der Glaube an den postulierten Wahrheitsanspruch, resultierend aus der visuellen Wahrnehmung der Oberfläche, über die Perzeption, des in seiner Totalität wirkenden Präparates zu dominieren. Als nicht zu negierende Eigenschaft einer solchen Tierpräparation sollte die vorläufige Hypothese berücksichtigt werden, die Rekonstruktion eines Objektes stütze sich weniger auf seine ‘an sich‘ als real existenten Merkmale, sondern vielmehr auf eine Idee dieses Gegenstandes in der Imagination der Schöpfer die als Konsequenz der Perzeption des Tieres durch deren subjektive Raster geformt wird. (‘An sich‘ meint, damit kann man Hegel folgen, hier die pure Möglichkeit die dadurch erst wirklich wird, daß sie von den Subjekten ‘als‘ etwas realisiert wird.) Es kann nur schwer geleugnet werden, daß bei derartigen Bauten ideelle Motive, soziologische Pre-positionen, handwerkliche Limitationen etc. keinen Einfluß auf ihre Kreation ausüben können und die Präparationen somit ihren selbstauferlegten Status als reine Natursimulationen zugunsten der Verschiebung auf den Status als metaphorische Simulationen von Gesellschaftsdispositionen oder psychologischen Zuständen aufgeben müßten. Weiterhin ließe sich behaupten, daß als materielle Komponente, ein aus Idealen deduziertes Gerüst fungiert, das den Körper des Präparates vorgibt, nicht individuiert ist und als Nacktmodell universell für jede Tierhaut derselben Gattung prinzipiell als Vorlage dienen könnte. Erst mit dem Überzug dieses pro-visorischen Torsos mit einer Textur werden sowohl individualistische Präferenzen auf ein allgemeingültiges Modell projiziert als auch der Übergang zur Konkretisierung und Determinierung entsprechend der Kategorien der Schöpfer auf einer überwiegend visuell zugänglichen Ebene vollzogen. In Übereinstimmung mit Foucaults schon 1975 vehement artikuliertem Zweifel am Visualprimat und Panoptismus des Abendlandes, kann man nachvollziehen, daß die Reduktion der essentiellen Eigenschaften des präparierten Tieres auf eine rein optisch zugängliche Ebene, die Äußerung einer der immanenten Eigenschaften des dominanten westlichen Wahrnehmungssystems zu sein scheint und als Notwendigkeit zur Eingrenzung und damit Etablierung der Existenz per Definitionen mittels purer Klassifikationen angesehen wird. Speziell im Falle des durch eine Scheibe hermetisch abgeschlossenen Dioramas, das eine ausschließlich visuelle Wahrnehmung vorzugeben scheint, ließe sich eine Bestätigung dieser Methode finden. Mit Heideggers Vokabular spekuliert, könnte man einen unbewußten Prozeß der Wandlung oder der Übersetzung von Angst zu Furcht in den einzelnen Stadien der Präparation nachzeichnen: Das universale Gerüst des zwar plastisch modellierten aber noch undeklarierten und unkonkretisierten Modelles könnte man als Symbol für die Angst vor dem Nebulösen verstehen, die mit dem Prozeß des Individualisierens und Deklarierens als Furcht minimiert scheint und als eines der wichtigsten (metaphorischen) Merkmale der Präparation definiert werden könnte.

Charakteristika der Präparation

Als weiteres Charakteristikum eines Präparates könnte man die Herauslösung von Elementen aus der ‘Natur‘, also aus der noch nicht nach menschlichen Standpunkten kategorisierten Welt, mit anschließender Konkretisierung und Übertragung in die Umwelt des Menschen definieren. Die noch undifferenzierten Schemata, die in den mit dem Wort Natur betitelten Bereichen der Umwelt präsent sind, werden benennbar und kategorisierbar gemacht, also für eine Weiterverarbeitung gemäß menschlicher Muster präpariert. Hier findet eine Synchronisation verschiedener Niveaus statt, die nicht temporär abläuft sondern ‘charakteristisch‘, dem Wesen entsprechend. Eine Synchronisation findet insofern statt als daß das Leben der Tiere mit dem ihrer Präparatoren gleichgesetzt wird: Der biologische Tod des, ironisch formuliert, zukünftigen Präparates wird negiert und die Existenz des Präparates an den Rhythmus der sie schaffenden Gemeinschaft angepaßt, da das endgültige Ende der Präparate entweder mit dem Ende der Schöpfer zusammenfällt oder aber ihrer (ästhetischen, ökonomischen etc.) Willkür unterliegt. Der objektiv feststellbare Tod, das Auslöschen des Wesens wird strenggenommen mit einer konservatorischen Präparation nicht aufgehalten, sondern in verschiedener Hinsicht nur verschoben, sozusagen mit den jeweiligen Limitationen der neuen Schöpferwelt synchronisiert. „Im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt. ‘Setzen‘ sagt hier: zum Stehen bringen. Ein Seiendes […] kommt im Werk in das Lichte seines Seins zum Stehen. Das Sein des Seienden kommt in das Ständige seines Scheinens.“ Ein Präparat sollte auch nicht als eine endgültige Fixierung betrachtet werden, sondern vielmehr als ein Zwischenschritt in einer Entwicklungsstufe von Modifikationen der als real benannten Umwelt. Unter Umständen ließe sich sogar direkt aus dem Wort diese Implikation ableiten, da Präparat mit Pre-parat, also mit Vor-Dasein assoziiert werden könnte. Die These, die Dermatologie verstehe sich als Mittel zur dauerhaften Fixierung der Posen scheint deshalb unzutreffend zu sein, da die Posen der Präparate nicht schon vorher in der ‘Natur‘ existent sind und ein beliebiger Moment aus der Fülle der Bewegungen eines Tieres davon fixiert werden könne, sondern eine einzige Pose erdacht und re-konstruiert werden muß, die paradoxerweise dem Betrachter potentiell die unendliche Fülle der möglichen Bewegungsketten präsent machen kann. Insofern sind die Stellungen der Tiere in den Präparaten in ihrem ‘ersten‘, echten Leben durchaus denkbar und hätten auch eingenommen werden können; aber die Pose ist nicht analog übertragen, sondern nur anhand einer beobachteten und imaginierten Situation re-konstruiert und nachempfunden worden. Die These, die Pose des Tierkörpers könne unmöglich rein von der beobachteten Natur abgeleitet – womöglich sogar eine ‘natürliche‘ beziehubgsweise ‘reale‘ Pose – sein, ließe sich durch die Situation erhärten, in der die Häute der zu präparierenden Tiere in einer derartigen Rohform vorliegen, die eine freie Re-konstruktion der Gestalt geradezu erzwingt. „Ausgangsmaterial waren Häute, die entweder direkt von der Jagd oder aus Museumsbeständen stammten, also auch bereits viele Jahre alt sein konnten. Oft waren die Auftraggeber selbst Jäger oder gaben die Jagd einem professionellen Jäger in Auftrag, was besonders auf Tiere aus den Kolonien zutraf und in dieser Zeit nicht ungewöhnlich war. Auch wurde nicht von der Jagd als solcher gesprochen, sie wurde vielmehr als ‘Sammeln‘ bezeichnet, da das Tiermaterial in die Museumssammlungen einging und wissenschaftlich ausgewertet wurde.“ Wie in dem Fall der Auswahl eines singulären Tieres als Repräsentant aller möglichen seiner Gattung, kommt auch in diesem Fall der Mechanismus der Selektion einer einzigen universalisierbaren Pose zum Vorschein. Das den Präparaten zugrundeliegende Akkumulationsprinzip verweist auf ein prinzipiell offenes System, das ins Unendliche erweitert aber niemals vollständig realisiert werden kann. Der Selektionsmechanismus des Besten, des am ‘natürlichsten‘ empfundenen und dementsprechend klassifizierten Tieres aus einer quasi unendlichen Anzahl anonymer Tiere, schlägt um in eine Glorifizierung der scheinbaren Individualität und eines neuen gewaltsamen Propagierens der übergestülpten Identität. Mit Derrida kann vermutet werden, die Darstellung der Tiere sei ein Phänomen par excellence, ein ‘gutes Beispiel‘ für alle anderen, in den relevanten Merkmalen vergleichbaren, Phänomene. Die innere Geschichtlichkeit der Darstellung rekurriert auf eine Fokussierung aller wesentlichen Merkmale in einer einzigen Gestaltung. Sie enthält die Geschichtlichkeit der Phänomene eines reinen Ideals und enthält Bedeutung in reinster Form; dadurch belehrt sie über alle anderen Bedeutungen, auch über die weniger idealen. Wenn aber das Charakteristische der Gattung im Individuum zum Ausdruck gebracht werden soll, dann könnte der Einwand erfolgen, die noch homogene und undifferenzierte Gattung enthielte schon während ihres anonymen Zustands (potentiell) einzigartige Individuen; somit wäre die Konstruktion der Individualität innerhalb einer Gattung eine petitio principii und ungültig als schlüssige Argumentation da sie zum Zwecke der Beweisführung schon vor der Konklusion, es gäbe tatsächlich so etwas wie eine Individualität, unterstellt wird. Die propagierte Individualität in den Präparaten kann nicht mehr als eine Übertragung von tatsächlich existenten Subjekten gelten, sondern ist reines Konstrukt eines subjektivistischen Schöpfervorbildes. In der Auswahl des ‘guten Beispiels‘ gibt es keinen Unterschied von Subjekt und Objekt mehr, da das Individuum verallgemeinert wird, so daß es, abgesehen von dem Aspekt der Repräsentation menschlicher Sehnsüchte und Ideologien, stellvertretend für alle Exemplare der Gattung funktionieren kann und als pars pro toto für die abstrahierte Form des Löwen, der Sattelrobbe, des Bären etc. stehen könnte. Diese Entwicklung scheint insofern paradox zu sein, da sowohl die ‘natürliche‘ Anonymität des Tieres aufgehoben und diesem ein individualistischer Ausdruck übergestülpt wird, dieser zugleich aber wieder negiert wird, da das Tier eben nicht als Individuum funktionieren soll, sondern vielmehr als objektivierter Repräsentant einer übergeordneten Gattung. Der Frage was in dem Fall einer derartigen Präparation von Tiermodellen als ‘natürliche‘ Folie fungiere und der damit verbundenen Behauptung, wo Natürlichkeit durch Naturkomponenten so perfide simuliert wird sei demzufolge auch Natürlichkeit, kann folgende Antwort gegenübergestellt werden: Echtheit definiert sich nicht durch die Nachstellung von Echtheit, sondern mag sich im extremsten Falle darin äußern – die zelebrierte Natur in den Dioramen ist nur gestellt, mit ihr die Pose der Tiere und sogar der sie umgebende wissenschaftliche Nimbus ist nichts weiter als eine zur Diskussion freigegebene, hin-gestellte Pro-Position von Natur und Echtheit. „Der Ursprung der Realität selbst wird als Wiederholung, als Repetition, als Reproduktion einer der vielen virtuellen, möglichen Welten verstanden. So kann auch der Künstler die formal-logisch vorhandenen Möglichkeiten nur realisieren – er kann sie aber nicht erschaffen. Der Künstler kann nur das verwirklichen, was ihm sein Medium erlaubt, wie jeder Sprechende nur das wiederholen kann, was die Sprache selbst ihn sagen läßt.“ Auf der anderen Seite muß man den Konstruktionen dennoch eine gewisse Form der Authentizität zugestehen, da sie unter Umständen doch Furcht erzeugen können, obwohl sie eindeutig als nicht lebendig und damit bedrohlich klassifiziert werden können. Diese Form der Reaktion läßt sich ganz deutlich bei Kindern ablesen. Die Authentizität der Präparate kann also keineswegs auf einer biologisch verankerten Furcht vor der Energie und der Überlegenheit eines, die eigene Existenz gefährdenden Raubtieres basieren, sondern vielmehr auf der Indoktrination von abstrahierten Bildern dieser unterdrückten Todesgefahren. Die Präparate können insofern keine Negation des Vorhergehenden beziehungsweise der realen Vorbilder sein, da wie auch immer präsent und faszinierend der Eindruck ihrer Präsentation sein sollte, sie immer auf etwas Unsichtbares, Virtuelles, nur Denkbares verweisen. Der von diesen Präparaten erzeugte Code kann, paradoxerweise oder gerade weil er auf eine ent-individualisierte Pose rekurriert immer wieder neue bewegte Objekte produzieren, die sich in ihrer Modulation der leblosen und reduzierten Darstellung entgegensetzen. Die Imagination des Betrachters wird durch die re-präsentative Pose angeregt, sich alle Variationen vorzustellen, die aus ihr in der Realität entspringen könnten. Ein solcher Versuch verweist den Betrachter aber auf die potentiell unendlichen Muster, die sich aus einem solchen Code in der Konsequenz ergäben und hinterläßt möglicherweise gerade deshalb den Eindruck unartikulierbarer Angst, da die subjektiv imaginierten Möglichkeiten niemals mit völliger Gewißheit mit einer ‘realen‘ Folie abgeglichen und objektiv verifiziert oder falsifiziert werden können. „Das was man als evident weiß und nachbildet, ist das Fragment jener Ganzheit. […] Alles Fragment, das in dieser Raumschachtel entsteht und steht, ist zugleich Negation und Zeichen: Negation, weil wir darin erst das Abwesende erkennen und zeichnen, weil es eben dies widerspiegelt.“ In den Darstellungen wird weder die Natur abgebildet noch eine Nachahmung derer, sondern die Präparate können als eine Manifestation eines darunterliegenden unsichtbaren Codes gelten. Insofern ist die Darstellungsform der Präparate eine konkrete Wiederholung einer Option, eine Möglichkeit, die im Code immer schon latent vorhanden war. Mit der Zielsetzung einen idealen Gegenstand mittels einer ‘realistischen‘ Darstellungsform zu erreichen, scheint man notwendigerweise auf ein universalisierbares Muster festgelegt zu sein, da eine von den ‘realistischen‘ Vorgaben stark divergierende Darstellung zwar denkbar d.h. innerhalb der Verhaltensweise eines Tieres imaginierbar wäre, aber der objektiv-realistische Anspruch nicht überzeugend wäre. (Man stelle man sich einen Tierkörper vor, der in seiner Pose dem Verhalten eines dressierten Zirkustieres während der Vorführung nachempfunden wäre. In diesem Fall wäre die Pose durchaus denkbar und auch ‘realistisch‘, verstieße jedoch grob gegen den Anspruch der Authentizität.) „Er [der ideale Gegenstand] besteht nicht außerhalb eines subjektiven Akts und ist insofern irreell, gleichwohl aber unendlich viel mehr als eine bloße Phantasie oder Halluzination. Er ist nämlich etwas, das als es selbst auch von anderen subjektiven Akten nachvollzogen und als es selbst unendlich oft nachvollzogen werden kann und muß. Freilich kann ich mir auch eine noch so irreale Halluzination, die einen anderen Menschen narrt, ansatzweise vorstellen; auch ist es möglich die absurde Bedeutung, von der jemand ausgeht, zumindest als absurd zu erkennen – dennoch teile ich in diesem Falle die subjektiven Gegebenheiten des Anderen, die ich gewissermaßen ‘von außen‘ betrachte, doch niemals so, wie ich nachvollziehe, daß der Kreis die Ortslinie ist für alle Punkte, die vom Mittelpunkt gleich weit entfernt liegen […] [.] Es ist also gerade eine Geschichte, in der ursprüngliche Intentionen und deren Gegenstände wiederholt und geteilt zu werden vermögen, welche Halluzination und Phantasie von der Wahrheit scheidet.“ Die Möglichkeit der Wiederholung und Übertragung der Pose als Gedankenkonstrukt in den Subjekten bewirkt demnach erst ihre objektive ‘Echtheit‘. Aufgrund des Propagierens einer absoluter Bedürfnislosigkeit, sowohl biologisch als auch sozial, resultierend aus der Loslösung der Tiere aus einem ‘natürlichen‘ Kontext mit dem paradoxen Wunsch der gleichzeitigen Betonung ihrer maximalen Authentizität als Präparate, könnte sich eine gewisse Eigenständigkeit in die Tierpräparate einschreiben. Aufgrund der intendierten Annäherung an ein möglichst lebensecht wirkendes Präparat, könnte sich der Eindruck einstellen, diese Kreaturen seien von allen Bedürfnissen abgekoppelt und aller abhängig-machenden (be-dingenden) Faktoren entbunden. Schließlich könnte ein relevantes Merkmal eines Simulators die von ihm generierte Autonomie der Simulation gegenüber dem Original sein; die Präparate könnten in gewissen Fällen als eine eigenständige Nachahmung betrachtet werden, die sich von der zu simulierenden Welt radikal unterscheidet und losgelöst, apart zu sein scheint, sich aber dennoch in den essentiellen Merkmalen der ‘Realität‘ weitreichend kongruent verhält. Die Präparate können als Typen von Simulatoren betrachtet werden, da sie einerseits ehemals ‘reale‘ Stellungen nachahmen und die Nachahmung durch un-natürliche Mittel technisch bedingt ist, andererseits eine deutliche Abgrenzung von der ‘echten‘ Welt stattfindet, die sich in der Wiederspiegelung des universellen Makrokosmos in dem simulierten Mikrokosmos zeigt und sie können schließlich deshalb als simulatorisch gelten, da diese Konstruktionen als ‘irreal‘ definiert werden, d.h. als simulierende Einrichtungen deklariert sind, die erst nach dem ‘Betreten‘ dieser Welt die Unterschiede zwischen einer als selbstverständlich aufgefaßten Natur und der Simulation zu verdeutlichen vermögen. Erst der Seins-Rahmen der Simulation und zugleich eine gewisse Autonomie, dieser von dem ‘Über-Universum‘ ent-grenzten und zugleich in ihm be-grenzten Welt, läßt einen Rückschluß auf die simulierte Ebene zu. Obwohl die Pose vergeblich die Illusion einer Finalität vorgeben möchte, einer logischen Destillation von möglichen Situationen, stehen die Tierpräparate dennoch symbolisch für einen Endpunkt, eine Grenze der Erforschung und Unterwerfung der Umwelt durch den Menschen. Sie können in zwei Hinsichten als Schlußpunkte betrachtet werden, da sie erstens als tote Tiere auf ein Ende der ‘Natürlichkeit‘ verweisen und damit ihrer instinktiven Selbstbestimmung und Autonomie entledigt sind und zweitens ein als naturgegeben verstandenes Muster etabliert wird, das vorgibt endgültig wahr und unantastbar zu sein. Anstelle der Selbstbestimmung werden ideelle Forderungen gesetzt, die untrennbar mit den Vorstellungen wie auch immer geformter Hierarchien verbunden sind.

Simulatorische Etappen und die Funktion als Simulation
Exponate als Machtsimulatoren

Das 19. Jahrhundert ist als das Jahrhundert der Nationalstaaten, der industriellen Revolutionen und zugleich als das Jahrhundert der Klassenkämpfe, der untereinander rivalisierenden Nationalstaaten und der weltweiten Ausbeutung im Zeichen des Kolonialismus zu betrachten. In diesem Licht können die Dermoplastiken als direkte Umsetzung von Machtdispositionen und als deren Simulation im Modell einer animalischen Metaebene verstanden werden. Speziell die Übersetzung auf ein anderes Level, das im Gegensatz zur menschlichen Welt ‘selbstbestimmt‘ beziehungsweise als natürlicher Balanceakt verstanden und von der Perspektive der Menschen als durchwegs fatalistisch betrachtet wird, erlaubt eine Legitimation der übertragenen Werte und Dispositionen. Die Präparate könnten daher als gedankliche Imitation der kolonial praktizierten Unterwerfungsmechanismen, fortgesetzt mit wissenschaftlicher beziehungsweise pädagogischer Kaschierung, angesehen werden. Die besiegten Tiere werden als Exempel für generelle Omnipotenz statuiert, weshalb sie besonders in dem neuen, noch nicht gefestigten Gebiet der Naturwissenschaften des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, modellhaft für die Alibi verschiedener Positionen hätten benützt werden können. „Philosophische Anschauungen von der Welt und vom Menschen, die behaupten, daß es sich mit dem Menschen und der Welt so und so verhalte, stehen in sehr enger Beziehung zu den praktischen Forderungen der Moral und der Religion, die vom Menschen verlangen, daß er auf diese Weise handele und an jenem Ort seinen Frieden finde.“ Obwohl durch die, in den Dioramen konstruierten Welten und der ihnen unterstellten Naturgesetzte ein natürlicher Determinismus propagiert werden sollte, der sich dann im Rückschluß als Bestätigung der übertragenen Gesellschaftmodelle heranziehen lassen könnte, wird dennoch versucht die häßlichen oder unerwünschten ‘Teile der Realität‘ durch pure, auf den ersten Blick durchschaubare ‘Idealität‘ zu verdrängen. In diesem Prozeß ersetzt die Ästhetik der Darstellung die politischen und wissenschaftlichen Motivationen und könnte auch als Symbol für eine ihr zugrundeliegende Typologie der Rassen verstanden werden. Wie schon der Bezug des Präsentationsrahmens zur Heimat eine Sehnsucht nach Ordnung, Normativität und unerreichbarer Authentizität, die von Niemandem in Zweifel gebracht werden sollte veranschaulicht, können die Tierpräparate unter gewissen Umständen auch als Vertreter einer Rassenideologie benutzt werden, die den Schwerpunkt auf Grund und Boden, auf Urtümlichkeit und klarer Abgrenzung der verschiedenen Tierrassen legt. Die wissenschaftliche Disposition mit dem Ideal klarer, nachvollziehbarer und eindeutiger Meßbarkeit kann aber ebenso in einen Sortierungs- und Zugehörigkeitsfetisch umschlagen, der in der Konsequenz auch totalitären Ansprüchen nachgeben müßte. Es wird zwar nach sogenannten wissenschaftlichen Methoden gemessen, die Positionierung der Ergebnisse kommt aber um eine subjektivistische Konnotation nicht herum. Die ästhetischen Formulierungen machtsimulatorischer Ideologien, könnte man in der Konzeption der Dioramen durchaus direkt ablesen, da diese stets bemüht sind eine Mixtur von verschiedenen Rassen innerhalb der Biosphäre eines Schaukastens zu unterlassen und stattdessen auf eine Purifizierung und Apartheit festgelegt zu sein scheinen. „Obwohl ter Meer nicht wirklich Anspruch darauf haben konnte, Einfluß auf die Art und Weise der Aufstellung der Tiere in den Museen zu nehmen, versuchte er dennoch eine angemessene Präsentation abzusichern. Er empfahl die Höhe von Podesten zentimetergenau, korrigierte Maße von anzufertigenden Schauvitrinen, damit sich die Gruppen ‘ungedrängt‘ unterbringen lassen konnten.“ Die gezielte Nobilitierung des niederen Tieres in quasi-heroischen Posen ermöglicht dazu eine Konfrontation, ein genaues Studium aus der Distanz. Mit der Isolation und dem Zelebrieren einer Theorie des Erhabenen und damit auch der Meßbarkeit von Kategorien, werden die Präparate nicht nur als Symbole der erfolgreichen Domestizierung vorgeführt, sondern im nächsten Schritt auch als solche der Verehrung und Anbetung eines reinen und urtümlichen Ideals. Die ‘ästhetische Nähe‘ zu traditionellen Darstellungen von Ikonen zeigt den bewußten Verweis auf die religiösen Implikationen, die den Dermoplastiken zusätzlich zum Nimbus einer unbestreitbaren Empirie auch die dogmatische, unergründliche, gottgegebene und fundamentalistische Struktur der ‘ästhetischen Argumentation‘ – also der Akzentuierung beziehungsweise der Verbergung bestimmter Faktoren zum Zwecke der gewollten Steigerung, Belehrung, Aufklärung oder der Orientierung – zukommen lassen könnten. Das Sichtbarmachen-können, die imaginierte Potenz, als reale Tatsachen geglaubte Strukturen in der Natur verstehen zu können und sie nur durch Zeigen medial übertragen zu müssen um auf die dahinterliegende Ordnung zu verweisen, nicht zuletzt Regeln, Gewalt und Methoden durch ‘natürliche Fakten‘ zu rechtfertigen, verliert sich zusehends in Fiktionen bestimmter Hierarchien, denn „[e]s ist in Bezug auf Alles, was ausser uns ist, kein Schluss gestattet, dass irgend Etwas so und so sein werde, so und so kommen müsse; das ungefähr Sichere, Berechenbare sind wir: der Mensch ist die Regel, die Natur die Regellosigkeit, – dieser Satz enthält die Grundüberzeugung, welche rohe, religiös productive Urculturen beherrscht. Wir jetzigen Menschen empfinden gerade völlig umgekehrt: je reicher jetzt der Mensch sich innerlich fühlt, je polyphoner sein Subject ist, um so gewaltiger wirkt auf ihn das Gleichmaass der Natur […]“ Demnach wäre das Verhältnis des subjektiven Menschen zu einer objektiven Naturwelt durch den Kontrast zwischen seiner Diversität, Fragmentierung oder Zerstückelung auf geistiger Ebene und der geglaubten Unveränderlichkeit der Natur und der in ihr herrschenden Prinzipien beeinflußt. Man mag dies als einen Hinweis darauf interpretieren, die Möglichkeit oder sogar die Bedingung des Erkennens einer Einheit sei eben gerade wegen ihrer Differenzierung erst gegeben. Wenn Nietzsche in Menschliches, Allzumenschliches über die Regel sagt, allein die Ausnahme als Auslöser ermögliche ein Bewußtsein derjenigen Regeln, die unbewußt seien und von denen man nicht wüßte, so könnte man die Simulation als notwendige Ausnahme und ‘Bewußtsein-machendes‘ der vormals ausnahmslosen Regeln betrachten, die allein durch Machtmonopole und Ausschlußprinzipien gerechtfertigt sind. Daher können die Präparate als stringente Fortsetzung eines archaischen und zudem kultischen Drängens nach begründeter Berechnung und rituellem Messen mit ‘modernen‘ naturwissenschaftlichen Argumenten innerhalb einer stark religiös geprägten Gesellschaft gelten. Diese Tendenz der Spaltung und Isolation könnte als ein bewußter Versuch der Loslösung von als altertümlich, rückständisch und primitiv postulierten Eigenschaften früherer Kulturen gelten. In Bezug zu Heideggers Forderung, die Religion müsse eine stumme Hingabe an den ‘Ursprung‘ sein, ließen sich dementsprechend die Parallelen zwischen der zur Glorifizierung hergestellten, religiösen Ikonen auf der einen Seite und den Tierpräparaten auf der anderen Seite ziehen. Der Versuch, durch eine wissenschaftlich intendierte Präparation von Einzelteilen eines verendeten Kadavers einerseits auf das gewesene Individuum zu rekurrieren und andererseits auf das Charakteristische einer ganze Gattung zu verweisen, bezeugt den Glauben die Ursprünglichkeit ihres Wesens am optimalsten in einer stummen und bewußt gestellten Pose finden zu können. Zwecks Klärung der immanenten Dualität von humanistischen Ansätzen pädagogischer Belehrung einerseits und der Präsenz autoritärer Definitionspotentialen in der Herstellung der Präparate, sei hier auf die in der Odyssee getroffene Definition Homers verwiesen, in dem der Autor erklärt, daß der Künstler „den Göttern ähnlich ist in seiner Rede und dem ganzen Volk Nutzen“ bringt. Angesichts dieser Festlegung kann sogar auf die Paradoxie von absolutem Individuum und anonymem Repräsentant einer Gattung verwiesen werden, die sich in der Position der Tierpräparate manifestiert. In der in den Dioramen dargestellten Ordnung geht es nicht um die Auslebung eines individuellen Lebens, sondern konträr dazu um das Einfügen in die Kette der Individuuen und um das Teilwerden davon. Nicht die Vorzüge der Individualität scheinen angepriesen zu werden sondern die Fähigkeit als Einzelner für die anonyme Masse vorbildlich stehen zu können. Die Auflösung des Subjektes in den Tierpräparaten kann im Einklang stehend mit traditionellen politischen Forderungen gesehen werden; zum Beispiel der Art, Imitation sei gesellschaftsfördernder Egoverzicht und zu begrüßen wobei Innovation verschwenderische Egorepräsentation sei. Als Demonstration praktizierter Machtkonstellationen können die Dermoplastiken auch deshalb gelesen werden, weil sich in ihnen die ganze Potenz des ‘Zur-Schaustellen-Könnens‘ einer Gesellschaft offenbart. Die Präsentation verbildlicht weniger eine Apotheose der Geschöpfe als vielmehr die ihrer menschlichen Schöpfer. „Wo in den Werken Welten neben Welten entstehen, lassen sich deren Urheber als Götter neben Gott erschließen.“ An dieser Stelle könnte man auch eine Parallele zu Spinozas 29. Lehrsatz des ersten Teils der Ethica ziehen, wonach versucht wird den Begriff ‘Natur‘ neu zu definieren und ihm infolge dessen zwei gegensätzliche Qualitäten zugesprochen werden: Die schaffende Natur (Natura naturans) auf der einen Seite und die geschaffene Natur (Natura naturata) auf der anderen Seite. Die schaffende Natur wird als eine aktive Entität begriffen, die in sich sei und durch sich begriffen werden könne und Subjekt sei, die geschaffene und passive Natur hingegen beinhalte Phänomene, die aus der Notwendigkeit der Natur Gottes entstünden und Objekte seien. Als Konklusion könnte man behaupten, daß eine wie auch immer festgelegte Form der Darstellung notwendig zu sein scheint um Objektivität paradoxerweise überhaupt erreichen zu können. Es ließe sich aber nicht nur die Dualität von Objekt und Subjekt, Universalität und Partikularität, Pädagogik und Dogmatik, Tod und Leben, Realität und Simulation etc. herauslesen, sondern auch die Gegensätze des Schönen, Dekorativen und des Fratzenhaften, Häßlichen. Das der Wahrnehmung zugrundeliegende Prinzip, das von Werken der Schönheit angesprochen wird, wird im gleichen Zuge vom Furchtbaren, vom Schrecken, vom Schmerzbrigenden und Tödlichen angesprochen. Die Präparate erfüllen eine doppelte Ästhetik, sind quasi schizophren da sie in den Spannungsfeldern von Wissenschaft und Ästhetik, von Schönheit und Schrecken, Beruhigung und Furcht und von Anonymität und Individualismus stehen. Die Tiere gefallen einigen deshalb und werden als schöne Gegenstände wahrgenommen, weil sie für viele Betrachter nicht als Exemplare gesehen werden mit dem Anspruch zu Unterrichten, sondern nur aufgrund ihrer Gestalt und Form gefallen. Das Gefühl des Gefallens bei einigen Betrachtern entsteht ohne wissenschaftlichen oder gar utilitaristischen Hintergrund, sondern (kantisch gesprochen) einzig durch die bloße Anwesenheit des Dings. Besonders jene Betrachter, die vor dem Hintergrund der nach einem absoluten Wahrheits- und Erkenntnisanspruch strebenden Wissenschaften des 20. Jahrhunderts sozialisiert worden sind, können die Dermoplastiken und die Konstruktionen der Dioramen nicht mehr als ernsthafte Vertreter einer Aufklärungswelle interpretieren, sondern wären eventuell viel mehr dazu geneigt diese als Vertreter der zeitgenössischen kapitalistischen Bourgeoisie zu sehen. Die Bürde der begriffsfetischistischen Theorien und der egomanische Selbstbehauptungstrieb der naturwissenschaftlichen Sparten mögen eine Auseinandersetzung mit den Dermoplastiken in ein überwiegend kritisches Licht stellen. Die Präparate können nur schwer zugleich Ausdruck und Opposition zu einer ‘Realität‘ sein, die Wahrheit zusehends nur im kategorialen und damit verklärenden, verkitschenden, süßen Schein, als verführerische List des Stereotypischen zeigt. Die versuchte Etablierung eines beherrschenden Definitionsmonopols durch die Präparate ist noch rudimentär wirklich, sollte aber dennoch im Kontext der Entwicklungen des 21. Jahrhunderts – speziell im Kontrast zu den technisch perfektionierten Simulationsmodellen – zum Scheitern verurteilt sein.
Die Präparate besetzen deshalb eine extra-ordinäre Position, da sie als eine Kulmination von ästhetischen und wissenschaftlichen Sichtweisen betrachtet werden können. Sie stehen auch als letze Vertreter einer antiquierten Anschauung vor der Zäsur zum 21. Jahrhundert und wirken deshalb veraltet und reizvoll. Eine Prämisse für die authentische Darstellung ist die Reinigung von Bezügen zum Hersteller: Der Schwerpunkt wird auf das stilisierte Produkt gelegt und nicht auf die Fähigkeiten der Künstler beziehungsweise des Präparators. „Vielmehr kann man […] behaupten, dass die Reinigung der Kunst von jedem Verweis auf eine physisch geleistete Arbeit, die im 20. Jahrhundert stattgefunden hat, den Künstler von der industriellen Arbeit radikal entfernt und die Kunst in die Nähe der Tierpräparate als Simulatoren Verwaltung, der Planung, der Führung – und schließlich in die Nähe des Konsums gerückt hat.“ Die Individualität des Schöpfers muß verborgen bleiben um eine Authentizität zu gewähren. Die Reinigung von Bezügen zum Schöpfer wird deshalb angestrebt, da die Präparate in ihrem ursprünglichen Kontext überwiegend wissenschaftlichen Ansprüchen gerecht werden sollten, weniger ästhetischen Appellen folgend. In den reinen, isolierten Tierpräparaten scheint dies auch zu gelingen, aber sobald diese in Relation zu einer Umwelt gesetzt werden, werden die objektiven Intentionen von den vielfältigen, sie umgebenden Bezugsrahmen gekontert. „Die Tiere wirken an sich; wenn die Umgebung nur skizzenhaft angedeutet wird, ist der Beobachter viel mehr zur eingehenden Betrachtung gezwungen. Bedingung ist nur, daß die vernachlässigte Landschaft nicht unschön wirkt, nicht stört. Man sieht nur das Tier, das Beiwerk kommt nicht einmal mehr zur Geltung.“ Die bewußt praktizierte Reduktion läßt eine autonome Welt automatisch entstehen – eine forcierte Neuordnung ist nicht nötig. „Das kontemplierende Betrachten verliert die Umweltbezüge und versenkt sich ganz in den Gegenstand, und augenblicklich geht ihm eine zweite Welt, eine höhere sozusagen neben der Alltagsrealität auf, die ihm zuruft, daß er sich von der ersten Welt – der Welt des Willens und der Tat, der Praxis – befreien soll.“ Einerseits verweist die sie umgebende artifizielle Umwelt repetitiv nochmals auf ihren Status als menschliche Kreationen und andererseits widersprechen sie der Ansicht des common sense sie seien autonome Wesen. Die bewegte Welt in der sich der Betrachter weis, spricht natürlich gegen die Illusionen die sie vorzugeben scheinen und entlarvt sie als ideelle Konzeptionen eines geschaffenen Schöpfers. Ideale entspringen aber einem übergeordneten oder weiter gefaßten Rahmen und existieren niemals isoliert ohne normative Bezüge, auf die sie schon aufgrund ihres dichotomisierenden Status als Ideale notwendig verweisen müssen. Denn so wie die Idealwissenschaften bereits in ihrer Tatsächlichkeit und innerhalb einer Tatsachengeschichte existieren müssen, damit auch Fragen nach ihrem Ursprung und ursprünglichen Sinn möglich sind, müssen Simulationen innerhalb einer sie fest umklammernden und präzise definierenden Welt existieren – und dann ist eine Sinnfrage erst möglich. In diesem Sinne kann man durchaus die Forderung nach Überwindung von universellen, absoluten Barrieren innerhalb eines Simulators zugunsten eines bescheideneren Anspruchs der Verschiebung beziehungsweise Neudefinition von Grenzen verwerfen. „Ohne Enthüllung des Werks in einem Vorzeigeraum kann sich die Selbstoffenbarung der schöpferischen Kraft nicht vollziehen. Die Sichtbarmachung des Herstellenkönnens setzt die Herstellung der Sichtbarkeit voraus. […] Sie offenbart, was die artistische bürgerliche Subjektivität zu offenbaren hat: diese selbst in ihrer vergegenständlichten Macht, im Bildwerk Welten aufzustellen. Das impliziert zugleicht die Macht, die Welt selbst nach dem Entwurf des Weltbildes anzugreifen und umzuarbeiten.“ Die Funktion eines Simulators ist ganz eng mit utilitaristischen Zielen verbunden, so verwundert es nicht, daß Simulationsmodelle gerade in Bereichen dominant geworden sind, die konkrete Voraussagen treffen und Potentiale gewisser Systeme im Voraus untersuchen wollen. Ökonomie, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Informatik etc. sind deshalb für die wahrscheinlichkeitsgestützten Extrapolationen von Simulatoren besonders prädestiniert, da ihre Konsequenzen logisch aus geschlossenen und fundamentalistischen Gefügen deduziert werden können. Charakteristisch für die Funktion eines Simulators ist die Verankerung in ein geordnetes, strukturiertes System das möglichst hermetisch und widerspruchsfrei aufgebaut zu sein hat. Auf der Grundlage pre-determenierter Informationen und unter Berücksichtigung der systemimmanenten Strukturen projiziert der Simulator ein Abbild dieser Grunddaten oder Schemata in ein divergierendes System und interpretiert beziehungsweise berücksichtigt die errechneten Daten innerhalb des Simulationsprozesses als Ergänzungen zu den Basisdaten. Hier ist die Möglichkeit der endlosen Wieder-holung der Simulationsprozedur aus einer fixierten Position heraus als wichtigstes Merkmal hervorzuheben. Dieser Prozeß kann also als eine Synthese von verschiedenen, in gewissen Bereichen nicht kongruenten Systemen betrachtet werden und trägt zur Legitimation des jeweiligen Systems bei beziehungsweise untermauert durch die Re-flektion der simulierten Daten das Fundament aus dem heraus argumentiert wurde. (Der Akt der Inter-pretation des ‘Inventars der Realität‘ kann als ein Hinüberbringen von Attributen aus einer Ebene in eine andere verstanden werden – fände diese Übersetzung innerhalb der gleichen Stufe statt, spräche man besser von Intra-pretation.) Man sollte die Entstehung der Präparate und deren impliziertes Verständnis von ‘Realität‘ als einen dialogischen Prozeß verstehen, der sich stufenweise an einen Realitätsanspruch angenähert haben könnte. In Anlehnung an Peter Bergers Modell der Religion und Welterrichtung könnte man hier ebenfalls drei Etappen der Argumentation konstatieren: Mit der Externalisierung von ideellen Modellen und dem Übergang zur deren Objektivierung gewinnen die vorgeschlagenen Modelle in den Präparaten den Charakter objektiver Wirklichkeit und zwingen dem ‘Erreger‘ ihre eigene, nicht mehr kontrollierbare innere Logik auf, die sich als ‘naturgegeben‘ und ‘naturnotwendig‘ präsentiert. Mit dem Übergang zur Internalisierung dieser Modelle übersetzt sich diese Struktur zurück in das subjektive Bewußtsein und hinterläßt so ein Abbild dieser Schemata beim Betrachter und etabliert damit‘Realität‘ neu.

Imitation, Simulation und Innovation

Um die Frage des Modellcharakters und der utopischen Implikationen beleuchten zu können, sollte man nach dem Ursprung fragen, in dem die ideellen Verzerrungen, die mit der Anschauung der Tiere einhergehen, verwurzelt zu sein scheinen. Diese Gedankenwelten speisen sich unbestreitbar aus Erkenntnissen der sinnlichen Welt und tragen gleichzeitig Spuren individueller Kulturen, die unterschiedliche Wahrnehmungen ermöglichen, keiner homogenen totalitären Kultur. Diese idealisierten Modelle, die eine Nivellierung der Ansichten zum Abstrakten Bild vollziehen, müßten stellvertretend für alle divergierenden Ansichten als homogener Horizont dienen können. Das Modell einer Idealisierung impliziert also den Schritt hin zu einer Reduktion zu einer spezifischen Kultur. Das Modell der Idealisierung läßt dabei möglicherweise einen Rückschluß der abstrakten Gebilden auf die sinnliche, konkrete Welt zu. „Wir haben oben gesehen, daß durch reine Verstandesbegriffe, ohne alle Bedingungen der Sinnlichkeit, gar keine Gegenstände können vorgestellt werden, weil die Bedingungen der objektiven Realität derselben fehlen, und nichts, als die bloße Form des Denkens, in ihnen angetroffen wird. Gleichwohl können sie in concreto dargestellt werden, wenn man sie auf Erscheinungen anwendet; denn an ihnen haben sie eigentlich den Stoff zum Erfahrungsbegriffe, der nichts als ein Verstandesbegriff in concreto ist. Ideen aber sind noch weiter von der objektiven Realität entfernt, als Kategorien; denn es kann keine Erscheinung gefunden werden, an der sie sich in concreto vorstellen ließen. Sie enthalten eine gewisse Vollständigkeit, zu welcher keine mögliche empirische Erkenntnis zulangt, und die Vernunft hat dabei nur eine systematische Einheit im Sinne, welcher sie die empirische mögliche Einheit zu nähern sucht, ohne sie jemals völlig zu erreichen. Aber noch weiter, als die Idee, scheint dasjenige von der objektiven Realität entfernt zu sein, was ich das Ideal nenne, und worunter ich die Idee, nicht bloß in concreto, sondern in individuo, d.i. als ein einzelnes, durch die Idee allein bestimmbares, oder gar bestimmtes Ding, verstehe.“ So wie Kant die Zeit und den Raum als bloße Anschauungen wissen wollte, könnte man die den Präparaten zugrundeliegende und gleichzeitig als zu imitierende Realität auch als solche sehen. Die Realität ist ebensowenig wahrnehmbar wie Raum oder Zeit, sie stellt lediglich die Bedingungen innerhalb deren Wahrnehmungen stattfinden können und liefert die Umstände für das Erscheinen von Phänomenen, kann aber nicht direkt wahrgenommen werden. Insofern scheint es wenig Sinn zu machen die absolute Realität als Urfolie etablieren zu wollen, mit der die simulierten Präparate – also die Idee eines Tieres – verglichen werden könnten. „Denn die Kunst haftet an der sinnlichen Erscheinung der Dinge, von der es niemals ein strenges Wissen, sondern immer nur ein Meinen und Wähnen geben kann.“

Die eventuell zu entdeckende Utopie besteht nicht in der Illusion eines perfekten, der ‘Natur‘ nachempfundenen Systems zwecks Demonstration und Manifestation von Macht, sondern in der Enthemmung sozialer Normen und der bewußten Loslösung von dem illusorischen Diktum der niemals enden wollenden Selbstbejahung und der absoluten Authentizität, die beide als ein Signum der Geschichte des Abendlandes betrachtet werden könnten. Die unstillbare Gier nach Verifizierung mühsam akkumulierter Fakten oder zumindest ihrer Abgleichung mit unveränderlich geglaubten Urphänomenen (die mit Kants Ideen gleichzusätzen wären) kann nur durch den etwas bescheideneren Ansatz gemildert werden, weder eine direkte Einsicht in die ‘Natur‘, noch diese möglicherweise unverfälscht, un-bewußt, intakt und komplett in die Metaebene transportieren haben zu können. „Das Wissen um ein Ziel, das nicht erreichbar ist, das aber dennoch omnipräsent ist als Teil einer Begierde, die stillbar ist, wenn Vertreter des nicht Erreichbaren angesammelt werden, ist ein produktives Phänomen. Räume können gefüllt werden mit alldem, was anwesend sein kann und das Abwesende andeutet.“ Die Unantastbarkeit beziehungsweise Selbstverständlichkeit der Echtheit in Verbindung mit dem (damaligen und auch aktuellen) zeitgenössischen Vertrauen in die Intelligibilität des Universums und des Glaubens an die wissenschaftlich-technische Rationalisierung scheint in den Präparaten so dominant zu sein, daß selbst eine als total ‘unnatürlich‘ erkennbare Umwelt in Form von handgemalten Hintergründen in Kauf genommen wird anstatt diese auch an ‘objektiven‘ Kriterien auszurichten. „Schönheit […] ist nichts Geschaffene, sondern etwas Gefundenes – allerdings kann dieses innerlich Gefundene, diese künstlerische Vision, nur auf unvollkommene Weise Eingang in die äußere Gestaltung finden, bzw., von der anderen Seite betrachtet, ist die künstlerische Objektivation grundsätzlich defizitär.“ Durch die, trotz aller Ausmalung verbleibenden Lücken entsteht Unsicherheit, die dem auferlegten Ziel von kompletter Rekonstruktion widersprechen und deshalb durch imaginierte Konstruktionen aufgefüllt werden müssen. „Seit langem ist die Ausstellung in verschiedenes zerfallen: die Aufstellung des Fetisch, die Offerte des Werts, die Exhibition einer Begleitphilosophie.“ Die unbewußte Präsenz der toten Tiere, die Fähigkeit trotz aller Mängel größtmögliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, ließe sich auf die vielfältigen Paradoxien zurückführen, die nicht etwa einen definitorischen Endpunkt im Denken der Betrachter markieren, sondern die eine vernünftige, an die Bedingungen des subjektiven Lebens verknüpfte Reflexion über den Status notwendig machen. Der offensichtlichste Widerspruch zeigt sich in der Kreation absolut fiktiver Welten mit gleichzeitiger Betonung eines absoluten Realitätsanspruchs. Konkretisiert ist dies der Konflikt zwischen Tod und Leben: Inmitten Strebens nach Maximierung der Lebendigkeit und Minimierung der Anzeichen von Mortalität, kontrastieren sich in der Herstellung der Dermoplastiken paradoxerweise minimale Vitalität und maximale Vergänglichkeit. Das Ziel aber „ist in jeder großen Kunst: ein Bild der Wirklichkeit zu geben, in welchem der Gegensatz von Erscheinung und Wesen, von Einzelfall und Gesetz, Unmittelbarkeit und Begriff usw. aufgelöst wird, daß beide im unmittelbaren Eindruck des Kunstwerks zur spontanen Einheit zusammenfallen, daß sie für den Rezeptiven eine unzertrennlichen Einheit bilden. Das Allgemeine erscheint als Eigenschaft des Einzelnen und des Besonderen, das Wesen wird sichtbar und erlebbar in der Erscheinung, das Gesetz zeigt sich als spezifisch bewegende Ursache des speziell dargestellten Einzelfalles.“ Das Abwägen diametral entgegengesetzter Werte und die unendliche Wiederholung der kodifizierten Seinszustände zwingt den Betrachter ein endgültiges Urteil immer weiter zu verschieben und die ersehnte Dechiffrierung zu verdrängen. „Das Reale erscheint also als Stolperstein im Kreislauf der lebenserhaltenden, nach Lust strebenden Triebe, der sich nicht wegretuschieren läßt und der sich hartnäckig wiederholt. Der Wiederholungszwang ist für Freud das Signum des Unassimilierbaren, Unbezähmbaren.“ Das Gefühl unbegründbarer Angst bleibt solange präsent, bis der propagierte Status der Präparate grundsätzlich in Frage gestellt oder gar eine alternative Möglichkeit der Natursimulation erwägt wird, die nicht an dem Dogma festhält, Simulationen etablierten eine Form von Realität allein mittels selektiver Verwendung von ‘Realitätsfetzen‘ und durch anschließendes Stopfen ihrer Löcher. Bedenkenswert wäre ein Präparat, das komplett aus Plastik gefertigt ist und das nicht mehr zwangsweise eine ‘biologische Naturkomponente‘ zum Zwecke des Vergleichs und Wiedererkennens nötig hat. Besonders der Aufbau der Tierpräparation aber scheint unlösbar mit dem Gedanken verschmolzen zu sein, wenigstens etwas ‘Natürliches‘ – wie verblichen oder entkräftet es auch sein mag – müsse erstens als Referenz für die zu simulierende Form von Natur bereit stehen und zweitens gleichzeitig kontinuierlich den Verweis auf das unfragmentierte Original ermöglichen. Es ist ironisch, daß inmitten aller Anzeichen von Vergänglichkeit, z.B. des alten Felles, der artifiziellen Augen, der Staubanlagerung an den Tieren selbst und an den Scheiben der Vitrinen etc. eine ungeahnte Fülle von Lebewesen präsent ist. Diese müssen aber um die Haltbarkeit und Statik der Präparate nicht zu gefährden mit chemischen Mitteln, dem sogenannten Begiften, regelmäßig abgetötet werden. Dies würde damit weiter die These bekräften, die Präparate seien auf eine ideologische Exklusivität und auf eine Apartheit festgelegt um ihren eigenen dubitativen Status nicht zu riskieren. Gerade durch den Tod aller anderen Arten soll dies eine Exemplar leben und es selbst soll als Toter auf die denkbaren Leben der anderen seiner Art verweisen. Die Doppelmoral äußert sich nicht nur in einer rigiden Negation von lebendiger Umwelt, sondern ist fest in dem Anspruch verwurzelt, richtige oder reale von falschen oder erfundenen Körperpositionen unterscheiden zu können.

Durch das Propagieren solcher ultimativer Stellungen werden aber auch alle möglichen, aus dieser einzigen Position logisch deduzierbaren Stellungen im Geiste des Betrachters präsent gemacht; die als final hin-gestellte Position aber wird damit gleichzeitig durch die ins Endlose wiederholbaren Möglichkeiten ad absurdum geführt und in ihrem Geltungsanspruch stark dezimiert. „[S]ie feiern das Theater der Erinnerung oder die Ekstase der Imagination. Diese aber belegt das Scheitern aller Konzepte, nochmals oder ‘auf immer‘ ein modernes Raum-Zeit-Gefühl zu erzeugen.“

Der Aspekt des Verlassens eines bestimmten als selbst-verständlich definierten Standpunktes kann deshalb als ein wichtiger Aspekt dieser Diskussion betrachtet werden, da diese Form von Transzendenz, die sich in dem Wort Ek-stasis d.h. von einem Status weggehen, nachzeichnen läßt, die in der Methodik der Simulation zentral zu sein scheint. „The feelings excited by improper art are kinetic, desire or loathing. Desire urges us to possess, to go to something; loathing urges us to abandon, to go from something. The arts which excite them, pornographical or didactic, are therefore improper arts. The aesthetic emotion […] is therefore static. The mind is arrested and raised above desire and loathing.“ Die Obsession der Schöpfer mit dem Thema des Todes, der Thanatonie, spiegelt sich nicht nur in dem absoluten Glauben an eine dauerhafte Konservierung des biologischen Körpers, sondern wird durch die Ekstase der verschiedenen Wandlungen beziehungsweise Modulationen (Angst zu Furcht, Anonymität zu Individualität, Natur zu Imitation, Silhouette zu ornamentaler Textur etc.) ebenso zum Ausdruck gebracht. Im Prinzip verweisen die Tierpräparate auf zwei altbekannte Probleme: Erstens auf die Dualität von Seele und Körper und zweitens auf die Dichotomie von Subjekt und Objekt; in den Präparaten wirkt aufgrund der quasi hyper-realen körperlichen Gegenwart die Abwesenheit der Seele, oder in diesem Fall etwas weniger spekulativ, der subjektivistischen Elemente des Individuums noch stärker. Die Präparation der Tiere könnte man als ihre Wiedergeburt bezeichnen, denn es wird versucht mittels der Präparation des biologisch verendeten Körpers eine Rekonstruktion vorzunehmen die darin kulminiert, eine Überlagerung von einem möglichst realistischen d.h. unveränderten Körper und einer neuen, universalisierbaren ‘Seele‘ zu sein. Die überreale Plastizität und Detailgenauigkeit, die materialimmanent zu sein scheint kreiert ein möglicherweise paradoxes Trugbild der Wahrheit in den Präparaten. „Sie ist, vom Seienden her gedacht, seiender als das Seiende. Diese offene Mitte selbst umkreist wie das Nichts, das wir kaum kennen, alles Seiende.“ Das Ausdehnungspotenzial beziehungsweise die Flexibilität der Wahrheit scheint also auf einer Seite ins Unendliche hinüber zu reichen und auf der anderen Seite einem seienden, konkreten Fundament zu entspringen. Die Präparate scheinen demnach mit ihrem Wahrheitsanspruch repetitiv auf den ‘gleichen‘ einprogrammierten Code zu verweisen während sie im gleichen Zuge die unendliche und individuelle Wiederholung dieser Option nötig machen. Als Gegenposition könnte man konstatieren, daß konträr zu einer postmodernen gesellschaftlichen Gesinnung, die vorgibt Wert auf Inhalt, Authentizität und Individualität zu legen, die Präparate mit einer Imitation zufrieden zu sein scheinen, die weder einen egozentrischen Echtheitsappell, noch einen heuchlerischen Aktualitätswahn zum Vorschein bringt. Die Einzigartigkeit einer Pose, das Einfangen eines unwiederbringlichen Moments wird zunichte gemacht, dadurch daß der Betrachter immer wieder zu der universalisierbaren Pose zurückkehren und aus dieser erneut extrapolieren kann und so der ultimative totalitäre Anspruch verloren geht. Weiterhin könnte man behaupten, sie bezögen sich also nicht auf eine Form der Wirklichkeit, sondern daß sie in einer metaphysischen Bilderwelt Zuflucht zu suchen scheinen. Die bearbeiteten Vorlagen sollen dabei aber keineswegs übertroffen werden, sondern stellen lediglich ästhetische Anhaltspunkte einer ideellen und nicht zuletzt ironischen Betrachtung dar. Der Abgleich findet eher zwischen mehr oder weniger realen Ausprägungen statt, wobei ein Extrem das tote präparierte Individuum sein mag und das andere Extrem das in einem weitgehend unberührten, aber dennoch nicht absolut ‘realen‘ Naturschutzgebiet lebende Tier.

Die Imitation von naturbedingten, rohen Verhaltensweisen in den Simulationen der Präparate ist gleichzeitig ein Symbol für das Vergessen sinnbildender beziehungsweise sinnvoller Aktivitäten des ‘echten‘ Lebens und der Loslösung von ‘ursprünglichen‘ Frühphasen der menschlichen Entwicklung. Die Präparate können auch die Funktion eines Simulators erfüllen, eine ‘Welt in der Welt‘ zu imitieren um damit von den unerwünschten Faktoren der Ersteren abzulenken und diese mit konformeren Attributen zu ersetzen. Die mimetischen Prämissen des vasarischen Künstlermodells werden außer Acht gelassen und das Vorbild der Wirklichkeit wird zugunsten einer bereits existierenden visuellen und sozialen Folie aufgegeben. Wie die Künstler ehedem Vögel durch gemalte Trauben täuschen wollten, kann man in Präparaten die unbewußte List herauslesen, das Publikum mit Erwartungshaltungen in die Irre zu führen. „Whereas the sentiment of beauty is predicated on a sense of the harmony between man and nature and the rationality and intelligibility of the world, the sublime is conceived of as a mixture of pleasure, pain and terror that forces us to recognize the limits of reason. Kant spezifies this relationship in terms of framing: the beautiful is characterized by the finitude of its formal contours, as a unity contained, limited, by its boders. The sublime on the contrary, is presented in terms of exess, of the infinite: it cannot be framed and is therefore almost beyond presentaion (in a quite literal sense, then, obscene).“ Die schöne und intakte Welt der Simulation wird mit dem Rahmen zusätzlich betont wobei dieser einerseits von der schmutzigen, schmerzvollen, kontaminierten Außenwelt des Betrachters abgrenzt aber auch andererseits die Situation des Dioramas von ihrer eigenen zu simulierenden ‘überbordenden‘, von Schmerz und Leid bestimmten Welt isoliert und ‘im Rahmen‘ hält. Die Ausarbeitung kann auch als eine zeitgenössische Umsetzung des trompe l‘oeil aufgefaßt werden. Von einer etwas weniger dogmatischen Position aus betrachtet, kann man durchaus annehmen, daß nicht Wirklichkeit sondern Illusion angestrebt wird, Form nicht geschaffen, sondern nachgeahmt werden soll. Sollten die Präparate als schöne Narkotika gegenüber der unschönen, brutalen und schmerzvollen Wirklichkeit fungieren, so bewirken sie mit ihrer Funktion als Mittel zur Ablenkung vom ‘echten Gebären‘ eine konträre Wirkung und erfüllen gerade nicht die von ihr verlangte wissenschaftliche Aufklärungsfunktion. In Ihrer Eigenschaft als Imitationen von ideellen Konstrukten sind sie eine simulatorische Über-bietung derer. Mit dem Prozeß des intendierten Über-bietens der ‘Natur‘ durch die Herstellung von Präparaten könnte sich eine Unempfindlichkeit gegenüber dem Unterschied zwischen Original und Reproduktion etablieren, die in einer dominanten Ausprägung in der heutigen uns umgebenden Gesellschaft zum Tragen kommt und sich konsequent als ein Gefühl der Enttäuschung beim Anblick der Originale äußert. Dieses Phänomen zeigt sich deutlich in der Unzufriedenheit des Publikums bei der direkten Konfrontation mit universell bekannten Bauwerken, Kunstwerken oder prominenten Persönlichkeiten, deren Identitäten fast ausschließlich durch die Faktoren medialer Reproduktion charakterisiert sind. Durch die stärkere Präsenz der Imitation im Bewußtsein der Menschen, verliert die Authentizität des Originals an Bedeutung und die Simulation tritt an die Stelle des Originals. „Während im Imitativen Realitäten und deren Erfahrung erarbeitet, aber auch verstellt und zugerichtet werden, werden sie in den Simulationen überlagert und teilweise zum Verschwinden gebracht. Das bedeutet, dass es nicht mehr nur darum gehen kann, in der Relation von Vor- und Nachbild eine Entscheidung für dieses oder jenes zu treffen. Wir haben uns damit auseinanderzusetzen, dass das Nachbild an die Stelle des Vorbildes tritt, d.h. dass es gar kein Vorbild mehr geben muß.“ Insofern könnte man die infantile Furcht vor der Präsenz der Präparate auch auf die Substituierung der ursprünglichen, ‘echten‘ Eigenschaften der Tiere mit denen ihrer ideologisch eingefärbten Simulationen begründen. Der besondere Reiz der Präparate mag auch damit zusammenhängen, daß die materrielle Abwesenheit von Schmerz und Gefahr, von Lebensbedrohlichem gleichzeitig mit der Konfrontation eines exotischen Raubtieres einhergeht – Einerseits ist die Drohung omnipräsent und andererseits als vollkommen irrell klassifizierbar. Der Reiz oder die Lust entfaltet sich aus der besonderen Simulationssituation in der man die unterworfenen Bedrohungen inspizieren kann. Denn erst aus der Distanz, aus der Herauslösung aus seiner eigenen Welt, läßt sich das Bedrohliche als solches perzipieren und erst dann kann der Betrachter daraus Erkenntnis und sogar Lust schöpfen, einer möglichen Gefahr entronnen zu sein; er spürt die eigene Überlegenheit diesem Fremden, Bedrochlichen nicht ausgesetzt zu sein beziehungsweise nicht darin involviert zu sein. Bei Kindern ensteht diese Distanz nicht und ein Überlegenheitsgefühl kann nicht aufgebaut werden – Se fühlen sich wahrscheinlich zu sehr involviert und noch Teil der propagierten Tierwelt.

Subjektivität, Trivialität und Kitsch

Wenn bestimmte Merkmale einer Sache bei ihrer Nachbildung einer Veränderung unterzogen werden – und das ist zwingend vorprogrammiert – so ist die Gefahr groß, daß diese sich nicht mehr in ein harmonisches Gesamtbild einfügen sondern Versatzstücke bleiben, die aufgrund ihrer subjektivistischen oder auch technischen Deformation zwar weiterhin ihren Ursprung aufzeigen aber nicht mehr in dem ursprünglichen Sinne wahrnehmbar bleiben. So ist Leben nicht direkt wahrnehmbar, sondern nur in seinen Manifestationen in Form von Tönen, Bewegungen, Gerüchen etc. ist Leben als solches erkennbar. Leben ist also Ausdruck unter Zuhilfenahme von Medien (z. B. Leben als Äußerung in Bewegungen der res extensa oder direkt der Raumkonstellationen) wobei betont werden muß, daß die stattfindende Offenbarung stets als asymmetrischer Prozeß wahrgenommen wird und der Ausdruck des Lebens nicht eingedrückt werden kann. „Dagegen ist der transzendentale Begriff der Erscheinungen im Raume eine kritische Erinnerung, daß überhaupt nichts, was im Raume angeschaut wird, eine Sache an sich, noch daß der Raum eine Form der Dinge sei, die ihnen etwa an sich selbst eigen wäre, sondern daß uns die Gegenstände an sich gar nicht bekannt sind, und, was wir äußere Gegenstände nennen, nichts anderes als bloße Vorstellungen unserer Sinnlichkeit sind, deren Form der Raum ist, deren wahres Korrelatum aber, d.i. das Ding an sich selbst, dadurch gar nicht erkannt wird, noch erkannt werden kann, nach welchem aber auch in der Erfahrung niemals gefragt wird.“ Das den Präparaten zugrundeliegende Leben wurde in einem gewissen Sinn gerettet, da es durch sie übertragen wurde. Selbst der Titel des Buches über ter Meer unterstellt die rekonstruierte Eigenständigkeit der Präparate mit seinem Titel ‘Wie ein zweites Leben‘. „Das macht das besondere Potential dieses Systems aus und erweckt den Eindruck scheinbarer Vollkommenheit durch seine fragmentarische Struktur, das Durcheinander der Raumsysteme, […] die Anwesenheit, die immer Abwesenheit impliziert […] [.]“ Die scheinbare, also visuelle Vollkommenheit ist nichts weiteres als die Selbstbestätigung der Simulatoren, die sich ausschließlich auf solche Komponenten der Simulation beschränken müssen, die sie auch wieder erkennen und wieder er-innern können. Diese Limitation also scheint beim Versuch Leben wieder einzudrücken durch die systematischen, kategorischen Prozesse der Simulation weder eine kreative Spontaneität noch eine absolute Offenheit zu erlauben, die immer in Unvollkommenheit und Vergleichbarkeit mit alten starren Mustern mündet. Leben oder Echtheit ist jedoch jenseits aller Fixierungen und Bedingungen verborgen. Wenn versucht wird Leben einzudrücken, sind jene Eindrücke nicht die des echten Lebens, sondern lediglich Eindrücke der Eindrücke des Lebens. Die Verlagerung der Tierpräparation ins Innere zeigt die Gewichtung des Realitätsanspruchs von der Wahrnehmung direkter Erscheinungen beziehungsweise Fakten hin zur sie formenden, punktuellen einmaligen Situation; diese muß er-innert werden um einem Authentizitätsanspruch gerecht zu werden und um legitimiert zu werden. Die Hermetik einer isolierten und zugleich simulierten Welt steht aber auch in engem Verhältnis zu einer immer unnatürlich werdenden Welt, die in immer schnelleren Zyklen ihre technischen Erfindungen ersetzt sieht und sich jeder natürlichen Grundlage zu verweigern sucht. Ausgehend von der romantischen Naturphilosophie Schellings, die ein Loslösen von dem normativen Naturbegriff im Sinn hatte, steht die Moderne vor einem Widerspruch der kulminierten Ansichten dieses Naturbegriffes der von der strikten Trennung zwischen Subjekt und Objekt ausgeht. Die Natur ist von der Wissenschaft gänzlich vereinnahmt worden und die Fragen der einzelnen Wissenschaftssparten zirkulieren um eine Überwältigung und Eroberung der Natur. Spinoza der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lebte und der in einer Zeit dachte, die an der Schwelle eines Paradigmenwechsels anzusiedeln ist, löste mit seinen Vorstellungen, eine deutliche Unterscheidung zwischen Natura naturans und Natura naturata zu vollziehen und eine neue Idee der Natur zu kultivieren, eine regelrechte Mode in dieser Hinsicht aus, den Spinozismus. In Bezug zu dem Subjekt- Charakter der schaffenden Natur, kann man Goethes Überlegungen bezüglich eines Urphänomens anführen. „Goethe widmete sich mit Leidenschaft der Erforschung der lebenden Materie und war ein Wegbereiter der heutigen Evolutionstheorie. Seine Theorie besagt, daß sich im Hintergrund der Naturphänomene ein Urphänomen verbirgt.“ Als Beispiel wird der Gedanke einer Urform hinter allen Ausprägungen der Pflanzen genannt. Aus der Sicht der Naturphilosophen, entspräche diese Vorstellung der Weltseele wie sie bei Schelling konzipiert ist oder der Idee des atman, der großen Seele im Buddhismus die sich mit dem brahman, der kleinen Seele kontrastiert, die als Mittel zur Erkenntnis der übergeordneten Realität notwendig sei. Ganz der Tradition der christlichen Heils- und Offenbarungslehre entsprechend starb ein individualisiertes Exemplar stellvertretend für alle anderen, wird auf ein Brettgerüst genagelt und erlöst seine Artgenossen in Form einer überhöhten Ikone sozusagen von den Faktoren naturgegebenen Leides und Schmerzes. Die Erlösung des Kollektivs erfolgt jeweils durch den Einzelnen als individuum. Aus einer anderen Sicht betrachtet, ist das einzelne Präparat sozusagen die erleuchtete Form der Gattung, das bewußtgewordene Ganze, das sich zwar in dem Individuum kristallisiert und in diesem aufgeht aber Subjekt und Objekt undifferenziert läßt. Kern dieser Diskussionen scheint die in den naturwissenschaftlichen Jargon verlagerte Debatte über die Dichotomie von Subjekt und Objekt zu sein. Die Diskrepanz dieser Konstruktionen spiegelt sich in dem griechischen Begriff der ‘physis‘ wieder, der nicht identisch mit ‘Natur‘ zu gebrauchen sei, sondern lediglich mit ‘Wesen‘ oder ‘Essenz‘. Diese historisch interessante Entwicklung der Gleichsetzung des Selbst mit dem Subjekt und der Natur mit dem Objekt fand in der Zeit Spinozas statt – durch die Übersetzung ins Lateinische entstand ein Amalgam von ‘physis‘ und ‘natura‘ das heute in vielen Sprachen synonym verwendet wird und einen durch den Menschen veränderbaren Gegenstand impliziert. „Die Tendenz der heutigen Wissenschaft […] so objektiv wie möglich zu werden“ zeigt sich zum Beispiel in der Systematik der Behandlung von psychiatrischen Fällen, bei denen eine radikale Berufung auf Naturphänomene stattfindet und die Ursachen der Krankheiten nur im Gehirn lokalisiert werden. Die Idealisierung von tatsächlich empfundenem Schmerz als eine zentrale Ursache, ihre finale Plazierung in das verschachteltes Raumsystem eines Organismus und die Bindung an spezifische Organe kann als eine wissenschaftliche Neutralisierung von subjektivistischen Ansichten gewertet werden und als ein Postulat von systematischer Allmacht. Diese impliziert jene Macht, das konstruierte Kausalverhältnis zwischen selbst definierten Ursachen und ihren geglaubten, im Prinzip unerreichbaren Wirkungen beeinflussen zu können. In Bezug zu möglichen Ebenen der Idealität und ihrem Verhältnis zu Dingen konstatieren Husserl und Derrida, daß „[d]as Wort ‘Löwe‘ z.B. […] so oder so verwandt werden [kann], es kann unterschiedlich ausgesprochen oder geschrieben werden – immer aber, so scheint es, behält es eine Idealität, die mit keiner ihrer Materialisierungen zusammenfällt. Und insofern bewirkt die Idealität des Wortes eine Neutralisierung sowohl des sprechenden Subjektes als auch des bezeichneten Gegenstands: Wenn jeder das Wort ‘Löwe‘ aussprechen kann, ist dieses Wort weder an einen bestimmten Sprecher noch an eine bestimmte Sprechhandlung gebunden, es hängt aber auch nicht von der Existenz oder gar der Präsenz eines spezifischen Löwen ab. Dadurch aber neutralisiert und immunisiert es auch den Gegenstand gegen ein Verschwinden und einen Tod, welche, würden sie einen konkreten Gegenstand betreffen, dessen sofortiges Ende bewirkten […] [.]“
Die Realität wird erst durch die Wiederholung emanzipiert beziehungsweise konstituiert. Bei aller Kunstfertigkeit und trotzt der intendierten Simulation, einer aus den natürlichen Umständen des Tieres induzierten Pose, fällt die nachgeahmte Stellung streng genommen nicht mit einer tierischen zusammen. Diese Schlußfolgerung scheint deshalb banal zu sein, weil die Stellung der Präparate als unveränderlich und absolut aufgefaßt wird im Gegensatz zu der situationistischen eines Tieres. Die Idealität der Konstruktion neutralisiert das echte Gebären des Tieres im Diorama, so wie analog natürliche Verhaltensweisen im Zoo mittels idealisierten Gehegekonstruktionen und idealisierten sozialen Ordnung der Tiergruppen neutralisiert werden. Die Simulation ist damit eine Innovation, eine Emanzipation und erhält den niemals akkurat zu übersetzenden Gegenstand paradoxerweise durch eine Konkretisierung, die keinen finalen Zustand erreichen kann und eine Wiederholung erzwingt, am Leben. Die Präparate sind gewissermaßen Residuen einer Ideologie, es ist nichts übriggeblieben als eine gegenwärtige Gegenständlichkeit, ein Rückstand fragmentierter, menschlicher Perspektiven eines idealen Gegenstandes. Das Gemeinsame, das sich in ihnen äußert sind abstrakte Projektionen, nicht die Wirklichkeit, denn „Wahrheit ist in ihrem Wesen Un-wahrheit.“ Die erste Wahrheit ist die gesellschaftlich geformte Definition, die zweite Wahrheit ist die nicht erfaßbare und damit durch die definierte Wahrheit nie ganz berücksichtigte. Sie entspricht einer flexiblen Lüge, die sich vor allem Wort- und Gedankenkonstruktionen entzieht, da sie nie das Wesen der Wahrheit trifft und erfordert ein unendliches Weitersuchen, das sich einerseits in den unendlichen Möglichkeiten der Subjekte oder andererseits in der zeitlichen Abfolge der Möglichkeiten äußert. Als Alternative dazu könnte man sogar die Aufhebung des Suchens erwägen. Die eine Wahrheit wird durch ewige Wiederholung etabliert, etwa Dogmen der Kirche, der Politik etc., die andere Wahrheit ist deshalb in ihrem Wesen Un-Wahrheit, da sie nur direkt erfahrbar ist, nicht durch Abgrenzung und Spaltung mittels Wörter oder Gedanken und zudem nicht intersubjektiv vermittelbar ist. Das eingeschüchterte Alltagsbewußtsein definiert Wahrheit, die mit Realität gleichzusetzen wäre, mittels einer Konstanten auf die jederzeit verläßlich und objektiv Bezug genommen werden könne. Der Grad der Realität definiert sich proportional zu seiner Veränderbarkeit: Je konstanter ein Phänomen erscheint, desto realer scheint es zu sein. So wird zum Beispiel eine Halluzination, eine Lüge, eine Spiegelung im Wasser, ein Rausch oder gar ein Regenbogen an einem Ende der Realitätsskala wahrgenommen, während Naturkatastrophen, grenzenlose Ozeane, unheilbare Krankheiten oder eine sich über mehrere Staaten ziehende Bergkette als am anderen Ende der Realität stehend wahrgenommen werden. Die durch die Idealität immunisierten Gegenstände, scheinen nie einen korrekten Rückverweis auf das Leben gelingen zu lassen und die Wahrheit stets zu verweigern; damit schirmen sie mögliche Ursprünge gegen ein bildliches, wörtliches etc. Fixieren und bewahren es. „Das Geschehen der Ent-bergung läßt sich auch als ein Geschehen der Bergung betrachten. Bergen heißt, etwas in seinem Wesen erhalten und vor Schaden bewahren. Dieses Moment ist in der Verbergung enthalten, denn etwas verbergen kann heißen, es bewahren und schützen; doch liegt in der Verbergung auch das Moment des Verstellens und Beseitigens. […] Die Verbergung ist also auch doppelsinnig. Die Entbergung ist das Zum-Vorang-kommen des erstgenannten Moments der Verbergung. Daher bleibt das Ent-borgene immer zugleich ein Ge-borgenes, sofern es nämlich dem Zugriff des Menschen nie ganz verfügbar wird.“ Im Kontrast zu der paradigmatischen Vorgehensweise eines Künstlers, der von der Idee, nämlich seiner Vorstellung von einem Gegenstand ausgeht und diese dann mittels repetitiver Nachbildung und Nachahmung mit einem vergleichbaren Objekt der imaginierten ‘Natur‘ anzupassen versucht, bis er eine befriedigende Kongruenz beider ‘Darstellungen‘ feststellen kann, können die Präparatoren nicht von einer perfekten Idee des darzustellenden Gegenstandes ausgehen, sondern wählen aus Vorlagen ihr bereits ‘vormodelliertes‘ Bild aus, das dann als ‘natürliche‘, vollkommene und unanzweifelbare Realität dient. Es wird weder ein Erkenntniszuwachs erzielt, noch wird die materielle ‘Realität‘ als verbesserungswürdige Schöpfung angesehen, die möglichst durch die Hand oder den Geist des Präparators zu neuen Sphären gehoben werden soll. Das zeigt sich daran, daß eine alternative Methode der ‘Naturdarstellung‘ nicht erwogen wird. Es sollte auch überlegt werden, ob nicht gerade dieses Festhalten an ‘natürlichen‘ Attributen zwangsläufig den Schein von Kitsch und Verklärung bekommt, denn „[d]ie Kunst hat im Grunde eine erhabene und nützliche Aufgabe, aber in der praktischen Wirklichkeit irrt sie und schadet.“ Gerade weil eine Nachahmung oberflächlich und illusionär bleibt, tendiert sie dazu negative Aspekte zu verdrängen und zu retuschieren. Dadurch daß der Schwerpunkt der Wahrnehmung der Präparate an der Oberfläche bleibt, überfordern diese den Betrachter nicht und geben ihm so ein Gefühl der Sicherheit und der Kontrolle: Durch diese Abwertung auf ein ungefährliches, triviales Niveau, verkommen die Arbeiten in den Augen des Betrachtenden zu banalen Alltagsgegenständen und Konsumgütern. Ebenso veranlassen sie, aufgrund ihrer Bildästhetik, den Betrachter diese abzuwerten und herabzustufen, so daß es ihm dann als Konsequenz der ‘Unter-schätzung‘ zu einem Status eines Alltagsgegenstandes vergleichsweise leicht fallen müßte, einen direkteren Zugang zu diesem zu finden als zu einer explizit ‘höheren‘ Kunst. Der zukünftige Status der Präparate als Kitsch wird jedoch nicht nur berechnend in Kauf genommen, sondern auch bewußt eingesetzt um den Betrachter von einem festgefahrenen Status – ekstatisch – wegzubewegen. Die Furcht vor der Gefahr ist gebannt und ins Kitschige verlagert, die Angst vor dem Unbekannten, Ungezähmten und Exotischen bleibt aber trotz allen Eliminierens bestehen. Allerdings scheint die einzige Möglichkeit der Beschönigung beziehungsweise der Veränderung nicht die Isolation oder Verbesserung von Einzelteilen zu sein, sondern allein das Weglassen von bestimmten Fragmenten des erkannten Seins. Die reduktionistischen Ansätze – nicht die Komplementierenden – zeigen sich bei der Abstrahierung beziehungsweise Ausblendung alles Unannehmbaren und Unerwünschten. „Kitsch ist die absolute Verneinung der Scheiße; im wörtlichen wie im übertragenen Sinne: Kitsch schließt alles aus seinem Blickwinkel aus, was an der menschlichen Existenz im wesentlichen unannehmbar ist.“ Da die Tiere aus der Natur exrahiert und in die menschliche Umwelt integriert sind, besteht die Möglichkeit alles was an ihrer Existenz nicht annhembar ist auszuschließen. Die simulatorischen Basisdaten die das Fundament der Extrapolation formen, scheinen von rein exklusivistischer Beschaffenheit zu sein; allein durch die Abspaltung von Teilen des ‘Erkenntnisinventars‘ und nicht durch ein Hinzufügen oder Ersetzen von rekonstruierten Teilen scheint eine Simulation zu funktionieren. Der propagierte Naturalismus scheint also ein Reduktionismus zu sein, der dem Irrtum zum Opfer fällt, zu glauben, Phänomene durch Zurückführen erklären zu können. Dazu kann weiter argumentiert werden, „daß die Kunst sich nur auf die Erkenntnis des Seins stützen könne, daß es in ihr keinen Platz für Freiheit, keinen Raum für die Individualität des Künstlers gebe, auch nicht für Originalität und schöpferischen Ehrgeiz; daß im Vergleich mit der Vollkommenheit des Seienden die Möglichkeiten der Kunst verschwindend gering seien.“ Sobald ein idealer Gegenstand existiert, d.h. sobald er Teil der Erkenntnis des Seins geworden ist, kann er das nur innerhalb eines subjektiven Aktes tun – jegliche Form der Idealisierung und damit in der Konsequenz jegliche Abweichung von der unmanipulierten Realität ist somit immer subjektiv eingefärbt und motiviert. Obgleich die ‘Realität‘ durch ein synthetisches Modell mit unwirklichen Wesen substituiert wird und die Inszenierung die in der natürlichen Umwelt vorhandenen Details ausklammert, behält die sie eine überzeugende Präsenz. Dies mag damit zusammenhängen, daß dem Betrachter ein natürliches und echtes Vorbild gar nicht bewußt ist, da er es noch nie erlebt hat und sein Vergleichsmaßstab in der Regel ausschließlich durch Darstellungen von bereits idealisierten und modellhaften Interpretationen geprägt ist. Besonders deutlich zeigt sich dies bei Kindern, die sogar eine echte Furcht gegenüber den Präparaten entwickeln und die nicht fähig sind über den tatsächlichen Realitäts- beziehungsweise Idealitätsgrad zu urteilen. „Die Subjektivität rückt zunehmend in die Position des Absenders von Sein und Seiendem; sie schließt die Urheberposition für sich auf; sie entdeckt, daß die Ordnung der Welt weniger etwas von den Anfängen her zu Bewahrendes und zu Wiederholendes ist, als vielmehr etwas zu Überholendes und nach vorgreifenden Entwürfen Herzustellendes.“

Resümee

Als deutlichstes Charakteristikum der Tiersimulationen kann man feststellen, daß jeweils subjektiv ein Kompromiß zwischen ihrer Wahrnehmung als Umsetzung eines Tieres in Form eines empirisch konstruierten Präparates auf der einen Seite und den ästhetischen, ideologischen, wissenschaftlichen etc. Vorkenntnissen des individuellen Betrachters auf der anderen Seite stattfindet. „Die Natur ist dem Künstler nicht mehr, als sie dem Philosophen ist, nämlich nur die unter beständigen Einschränkungen erscheinende idealistische Welt, oder nur der unvollkommene Widerschein einer Welt, die nicht außer ihm, sondern in ihm existirt.“ Das Prädikat der Echtheit ist also im Verhältnis zu den Retentionen und Protentionen des Betrachtergeistes skalierbar, damit quantitativ verortbar und nicht als qualitative Eigenschaft anzusehen. Dies zeigt sich ganz stark in den Reaktionen von Kindern, die trotz der Unbewegbarkeit, der bewußt wahrgenommenen Leblosigkeit der Tiere und der Belehrung durch Erwachsene dennoch eine starke Furcht vor ihnen entwickeln. Dies mag damit zusammenhängen, daß die Bedrohung, die auf sie projiziert wird entweder aus einem Mangel an vorhandenen Folien zum Zwecke des Abgleichs resultiert oder der Vergleich mit stark stereotypisch vormodellierten Folien erfolgt. (Etwa durch medial vermittelte Bilder von Löwen, die alle nur erdenklichen klischeehaften Eigenschaften reduziert widerspiegeln müssen.) Ein Kind hätte ohne die ihm eingeprägten Stereotypen des stolzen, gefährlichen Löwen wohl keine Furcht vor einem Tier, das eher Ähnlichkeiten mit einem Kuscheltier aufweist als mit total überlegenen Raubtieren – Der Mangel an Distanz zu der domestizierter Bedrohung ist scheinbar Ursache des Ernstnehmens. Die Selektion findet also auf zwei Stufen statt, wobei die erste Stufe das in der Realität Anzutreffende als Substrat verfügbar weiß und in der zweiten Stufe eine faktische Auswahl all dessen stattfindet, was der Betrachter durch seine Vorkenntnisse realisiert hat. Die Echtheit der Tierpräparate und damit ihre simulatorische Überzeugungskraft ist ihnen als keine inhärente Eigenschaft zuzusprechen, sondern wird in Relation zu Vor-Bilder des Betrachters determiniert. Die Konstruktion der objektiven Realität als Gegenpol zur subjektiven Ästhetik schwindet infolgedessen, da ‘real‘ auch ästhetisch konstruiert ist. In ihrem ‘Endstadium‘, also als Präparate die Teil eines größeren Dioramas sind, können sie mit einer glaubhaften Mixtur aus Inszenierung, lakonischer Leere und Unnatürlichkeit auf der einen Seite und exakter ‘Grundlagenforschung‘, d.h. genaue Analyse der kopierten Vorlagen sowie Purifizierung auf essentielle, für den Betrachter erkennbare Bildcodes, auf der anderen Seite – speziell angesichts der technischen Entwicklungen heutiger Zeiten – nicht überzeugen. Der Modellcharakter der konstruierten Welten kann als ideelle Folie der Gesellschaft herangezogen werden – die Tierpräparate beziehen sich nicht auf ‘Realität‘, sondern schaffen selbst diese durch die Möglichkeit der unendlichen Wiederholung eines Codes ausgehend von einer konkretisierten Pose. Insofern sind die (universalisierbaren) normativen oder präskriptiven Tendenzen klar erkennbar. Paradoxerweise ermöglicht erst diese Pointierung eine ins Offene reichenden Vielfalt der Bewegungen und damit auch eine Manifestation von gesellschaftlich definierter ‘Realität‘. So wie der Verführer im Augenblick der Verführung höchsten Genuß und Triumph erlebt, täuschen die Simulationen mit den Tierpräparaten einen vollendeten, zum Stehen gekommenen Zustand vor, der als ein ‘gutes Beispiel‘ idealtypisch für alle anderen ‘realen‘ Möglichkeiten stehen könnte. Es findet sich um Derridas Begriffe zu benutzen eine ‘reife Normalität‘ in dem Ausdruck der Pose, ein Querschnitt aller möglichen Posen, die jegliche Extreme negiert und die dadurch in einem normativen Fundament verankert zu bleiben scheint aber dennoch auf Sensation und Propagandismus verweist. „Darauf hat er hingelebt, dafür hat er sich inszeniert, also in Szene gesetzt; auf diese Pointe seiner Existenz hin hat er sein Leben eingerichtet. Darauf und daraus folgt jedoch nichts. Der Augenblick enthält das gesamte Leben, er ist das wesentliche, das authentische Leben. Und es ist dies ein genuin ästhetisches Leben, unsicher, unverbindlich, trügerisch, ein Leben wie ein Kunstwerk, vielversprechend und kokett, ohne etwas zu halten. Der Verführer ist der Verführer und sonst nichts, seine Außenseite ist Larve, modisch drapiert, um das Opfer zu betören. Die Schale ist reines Mittel zum Zweck, er selbst, sein Innen, besessen vom Augenblick der Verführung. Denn darauf setzt ja seine Lebenskunst, seine raffinierte Ästhetik, auf den erfüllten Augenblick.“ Dies zeigt, daß ein konkreter Augenblick gerade wegen seiner Leere und trügerischen Versprechen offen ist und ohne Halt. Die Tierpräparate beziehen sich auf eine bestehende Folie aus einer Kette von ‘Realitätsdefinitionen‘ und modifizieren diese Folie beziehungsweise kreieren eine neue Folie der ‘Realität‘. Es ist keine Re-konstruktion von objektiver Realität sondern von ästhetisch modifizierten Vor-versionen der ‘Realität‘ – zugespitzt ließe sich sagen, sie seien vielmehr eine Re-rekonstruktion als eine Re-konstruktion. Das jeder Simulation zugrundeliegende Schema ließe sich wie folgt rekonstruieren: Phänomene aus dem Substrat der schaffenden Natur, der Natura naturans werden als von einer uneinsehbaren Quelle, z.B. Gott, gegeben, notwendig und zugleich aktiv, subjektivistisch und undurchdringbar angesehen, die mittels eines Codes oder einer Idee latent auf die unendliche Manifestationsformen der verdinglichten Welt verweisen. Durch den Prozeß der Externalisierung konkretisieren sich diese Schemata als materialisierte Fixierungen individueller Einzelgegenstände oder Situationen, die als Träger dieser vormals undifferenzierten Phänomene fungieren. Die konkrete Einzelsituation jedoch muß wegen ihrer Kodifizierung universalisierbar bleiben und verweist somit paradoxerweise gerade wegen ihrer Reduktion wiederum auf die unendlichen Möglichkeiten der Modulation, die potentiell dieser Destillation in der Natura naturata entspringen könnten. Diese Ebene der Idealisierung läßt einen bedingten Rückschluß auf die verborgenen Ur-phänomene zu und wird Internalisiert mit der Folge der Neu-ordnung der vorherigen Anschauung von ‘Realität‘. Aus der ersten Stufe erfolgt also eine Reduktion, eine Konkretisierung die im Prinzip nur ein ‘Bewußtsein- machen‘ ihrer Diversität darstellt, während aus dieser Konkretisierung eine infinite Extrapolation in die dritte Stufe ermöglicht wird. Die Wahrheit jedoch, die in ihrem Wesen laut Heidegger immer Un-Wahrheit sei, umkreist diese Zirkulationen und bleibt unkonkretisierbar als ins Offene reichend, wesenlos. Interessant ist, daß jegliche Nachahmung, jede Kopie wenn sie hin- und hergerissen ist zwischen einer Loslösung und einer nachvollziehbaren, in der ‘Realität‘ verankerten Simulation, zwangsläufig die ‘Realität‘ und deren Autorität angreift und mindert. Obwohl die Echtheit unverändert zu bleiben scheint, findet allein durch die simple Staffelung und Kontrastierung eine Minimierung der ‘Realität‘ statt. Diese Auswirkungen sieht man nicht nur in der Simulation der präparierten Raubtiere, sondern auch in der gegenwärtigen Hysterie der Raubkopierdebatte, die wahnhaft und staatlich gefördert ein Original, einen mystifizierten Anfang postulieren muß, den sie bis aufs Blut vor den gewalttätigen Raubkopien zu verteidigen bereit ist. Die in den Simulationen zum Ausdruck gebrachte Pose ist keine empirische Behauptung, sondern ein pures Setzen von Möglichkeiten. Dennoch kann man folgern, daß die Präparate ungeachtet ihrer bewußt wahrgenommenen Leblosigkeit eine echte Authentizität bewahren, die ihnen auf einer separaten Wahrnehmungsstufe (außerhalb der Kategorien von ‘real‘ und ‘irreal‘) eine Eigenständigkeit sichern, die sich im Extremfall sogar in Furcht äußern kann. Dies verdeutlicht die immanenten Probleme eines Simulators: Simulatoren können zwar eine quantitative Annäherung an das zu Simulierende erreichen – im Extremfall eine Annäherung die mit dem bloßen Auge oder ohne die Zuhilfenahme von Spezialwerkzeugen gar nicht wahrnehmbar wäre – aber die qualitativen Unterschiede zwischen der Nachahmung und der Realität bleiben als unüberbrückbar zurück.
Dass ich solange damit gezögert habe, mir ans Herz gewachsene Volkslieder anspruchslos und entstaubt einzuspielen, hat wohl etwas mit der Intimität zu tun, welche diese Lieder für mich haben; und das eine Aufnahme bzw. Tonträger immer den Anspruch vortäuscht etwas Endgültiges darzustellen. Nun sind aber gerade Volkslieder Allgemeingut und überleben nur, wenn sie jedesmal wieder neu ‘erfunden‘ werden. Wenn es überhaupt einen Anspruch geben kann, dann den der Anspruchslosigkeit. Es gibt dabei kein Richtig oder Falsch. Das Einzige, was man falsch machen kann, ist zu sagen : ‘so ist es richtig‘. Diese Melodien sind so etwas wie die Ursubstanz meines musikalischen Ausdrucks, mein abc in Noten, eine der Quellen ohne die es den Strom nicht gäbe.“

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