Über Constantin Meuniers Einfluß auf die Photographie


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Die Arbeit Über Constantin Meuniers Einfluß auf die Photographie behandelte den Einfluß von Constantin Meuniers bildhauerisches Werk auf die Photographie – bis zu Posen in zeitgenössischer Werbefotografie. Einleitung Das Anliegen […]

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Bearbeitet

Die Arbeit Über Constantin Meuniers Einfluß auf die Photographie behandelte den Einfluß von Constantin Meuniers bildhauerisches Werk auf die Photographie – bis zu Posen in zeitgenössischer Werbefotografie.

Einleitung


Das Anliegen dieser Arbeit ist die Darstellung und Nachvollziehung der Arbeitsweise des Künstlerduos Pierre et Gilles und die aus der spezifischen Vorgehensweise der Künstler resultierenden Konsequenzen in bezug zu den von ihnen benützen Stilmitteln der Photographie und der Malerei.

Die Schlüsse, die im Verlauf dieser Arbeit anhand der Analyse eines ausgewählten Werkes von Pierre et Gilles gezogen werden können, sollen einerseits auf den Standpunkt des Betrachters angewandt werden und andererseits das von ihnen primär benützte Medium der Photographie kritisch hinterfragen.

Die Struktur dee Essays soll sich an der dreiteiligen plakativen Gliederung “Vorschau, Durchblick und Nachsicht“ orientieren, die das Ziel verfolgt die verschiedenen separaten “Arbeitsschritte“ von Pierre et Gilles anschaulich werden zu lassen.

Die Untersuchung der These, die von Constantin Meunier in seinen Sujets angewandten Ausdrucksformen hätten eine, bis in die heutige Zeit wirkende, Färbung der visuellen Kultur der Vereinigten Staaten – insbesondere derjenigen Medien, die sich der Photographie bedienen – maßgeblich beeinflußt, ist Anliegen dieser Arbeit. In der Konsequenz dieser Beeinflussung, wäre auch die gesamte, westlich geprägte Welt visuell kolonisiert und bedingt durch die Umdeutung der von Meunier übernommenen Bildsprache, seitens der Instanzen ideologisch handelnder Institutionen, auch dementsprechend stigmatisiert worden. Insbesondere soll versucht werden die, für den Autor ersichtlichen, Auswirkungen und die Parallelen der plastischen Arbeiten Meuniers auf die Bildchiffren, einer von Industrialisierung und Kommerzialisierung dominierten Werbewelt zu untersuchen, deren primäre Grundmotive in einer simplifizierenden, ideologisierten und nach allgemeinverständlichen Aussagen strebenden Formsprache, zu bestehen scheinen. Das visuelle Repertoire dieser Industrie beschränkte sich in deren Entstehungsphase, primär technisch bedingt, zunächst auf illustrierende und rein graphische Stilmittel (z.B. handgemalte, monochrome und in geringer Auflage gefertigte Plakate). Als dominierendes Kommunikations- und Manipulationsmittel bediente sich die Werbeindustrie ab dem 20. Jahrhundert dann letztendlich überwiegend des Mediums der Photographie. Die visuellen Chiffren, der von den modernen Massenmedien eingesetzten Bilder, bei der die Männlichkeit, der Fleiß und die Stärke des Individuums eine zentrale Rolle gespielt haben und immer noch spielen, sollen auf die weltanschaulichen Ansätze in Meuniers Skulpturen zurückgeführt werden. Die Adaption und der Wandel der Ausdrucksformen in Meuniers Werken bezogen auf die aktuellen “Nachbilder“, die sich als deutliches Muster in den heutigen Massenmedien wiederfinden lassen, sollen anhand von Vergleichen anschaulich gemacht werden. Es soll unter anderem auch untersucht werden, warum sich die damals, parallel zu Meuniers steigender Popularität entwickelnde Photographie, der von Meunier in seinen Arbeiterplastiken benützen Posen überhaupt bediente. Um die Kontinuität der von Constantin Meunier benützen Formsprache zu verdeutlichen, soll ergänzend versucht werden darauf einzugehen, welche ästhetischen Motive auf der einen Seite und welche ideologisch beeinflußten Motive auf der anderen Seite in die Bildsprache der Photographie – speziell der heutigen Werbephotographie und einiger monumentaler Kinofilme – eingeflossen sind. Die Argumentation dieser Arbeit soll sowohl von zeitgenössischen Kommentaren über Meuniers Werk, als auch von allgemeineren Überlegungen zu den Medien Skulptur und Photographie getragen werden.

Einführende Argumentation


Meine These stützt sich auf die Tatsache, daß vom November 1913 bis Mai 1914 eine umfangreiche Meunier-Austellung in weiten Teilen Amerikas zu sehen war, darunter in Buffalo, Pittsburgh, New York, Detroit, Chicago und St.Louis, in der unter anderem auch eine Version des Reliefs Die Industrie gezeigt wurde. Die graphischen Arbeiten Meuniers und Abbildungen seiner Skulpturen waren außerdem oft in US-Amerikanischen Journalen wie The Craftsman, Literary Digest, The Survey und anderen veröffentlicht und damit einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden. Cornelia Bentley–Sage, Organisatorin der Meunier-Ausstellung von 1913, äußerte sich in einem Kommentar zu der äußert erfolgreich verlaufenden Schau, wobei sie in ihren Bemerkungen über die Skulpturen Meuniers ein überschwengliches und positives Verhältnis zu glorifizierenden Arbeiterdarstellungen erkennen läßt, das man als eigentümlich für die damalige aristokratische Gesellschaft, zu der man die Kuratorin wohl zählen darf, bezeichnen kann, die den Hang zum Romantisieren eigentlich unwürdiger und unmenschlicher Zustände – vergleichbar mit dem heutigen, aus einer “westlichen“ Perspektive betrachteten Orientbild – als absolute Verklärung zum Vorschein bringt. Die Attitüde damaliger Kunstautoritäten kann ebenso als sinngleich mit derjenigen angesehen werden, die aus einem kunstfremden Verständnis heraus an der Glorifizierung der Arbeiterbildnisse Meuniers interessiert waren. Da Meunier, den idealen Arbeiter “geschaffen“ hatte, der sich offensichtlich seinem Schicksal beugt und “moralisch“ richtig im Einklang mit der befreundeten Industrie weiterarbeit, kann man davon ausgehen, daß seine ohnehin populären Darstellungen als Folie für die industrielle Propaganda genutzt wurden.

Während seine Zeitgenossen François Milliet und Gustave Courbet aufgrund ihrer Sujets und teils wegen ihrer politischen Haltung alle abgelehnt worden waren und als Sozialisten abgestempelt wurden, vermochten Meuniers Arbeiten den Kritikern von Anfang an als schön zu gelten. Neben den Kritikern, applaudierten auch diejenigen Zuschauer Meuniers Schaffen zu, die unter Umständen sich selbst und ihre Situation in den Darstellungen reflektiert sahen. Schon zu Beginn seiner, sich rapide entwickelnder Popularität, wurden viele Themen regelmäßig von zeitgenössischen Künstlern ambitioniert verarbeitet und bewußt in einen sozialen Kontext gestellt, wie zum Beispiel in Frankreich der Zeichner Maximilien Luce. „Luce enthousiasmé dessina toute une série de croquis d‘apres les œuvres de Meunier, qui ont paru dans le journal La Socialiste, dirigé par Émile Pouget. […] Chaque semaine, un dessin illustrait la première page de cet hebdomadaire. […] La même année, ces dessins furent publiés en deux albums […]“ Jedoch muß die Perzeption Meuniers von zwei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden: Auf der einen Seite kann man annehmen, seine Arbeiterdarstellungen wären wegen rein ästhetischer Motive als Vorbilder auserkoren worden, auf der anderen Seite aber muß man die ideologisch eingefärbte Motivation der “Nachbildner“ in Betracht ziehen, die sich weniger an den technischen Aspekten der Produktion, den künstlerischen Fertigkeiten oder ähnlichen Faktoren orientierten, sondern die die Darstellungen Meuniers als Sinnbild ihrer eigenen vorgefertigten Ideologien und angestrebten Ambitionen betrachteten. Sicherlich muß diese Ambivalenz unter allen Umständen der Betrachtung berücksichtigt werden, wobei die Grenzen der jeweiligen Beweggründe einer Beschäftigung mit Meuniers Bildnissen, in vielen Bereichen nur vage zu beurteilen sind und stark ineinander übergehen. In diesem Zusammenhang kann man ebenso eine weitere, wenngleich subtilere Unterteilung zwischen eventuellen “Post-Meunier-Erscheinungen“ vornehmen: Derjenigen, die sich einerseits an der Pose der dargestellten Figuren, also an deren äußerlich (hin)gestellten, oft überladenen und übermäßigen, Ausdrucksweise orientierten und immer noch tun, und andererseits denjenigen “Nachbildnern“, die sich der ausgedrückten Haltung bedienten, also den Fokus der Arbeiten in Meuniers geistiger und gesellschaftsrelevanter Haltung zu sehen versuchten – nicht in einer vorgetäuschten und geheuchelten Attitüde, sondern in dem Stolz der Figuren tief in ihrer sozialen Stellung eingebunden zu sein. Die Popularität und die damit verbundenen Auswirkungen Meuniers auf andere künstlerische Bereiche lassen sich bereits zu seinen Lebzeiten ausmachen, z.B. an der Nachfrage zu der Monographie von W. Gensel. „Den außerordentlichen Erfolg der Meunier-Ausstellungen der letzten beiden Jahre in Brüssel, Berlin, Dresden und anderen Orten ist zum großen Teil wohl auch der Erfolg dieses Büchleins zu danken, von dem sich bereits nach achtzehn Monaten eine zweite Auflage nötig gemacht hat.“ Die Beliebtheit seiner Arbeiten kann aber nicht nur in der intellektuellen Perzeption von seiten seiner Kritiker gelegen haben, sondern offensichtlich auch in der Art und Weise, wie seine Skulpturen dem Publikum präsentiert wurden. Die Mittel der Kommunikation der Plastiken erfolgte, abgesehen von der direkten Betrachtung derer in Ausstellungen oder bei Eigenbesitz, nämlich einzig über die Verbreitung als photographische Reproduktionen. Das in diesem Zusammenhang mögliche Publikum kann man sich wohl eher als mittelständisches Bürgertum, also hauptsächlich als Repräsentanten des sogenannten zweiten oder dritten Standes, vorstellen; Unwahrscheinlich ist die Annahme, der von Meunier thematisierte vierte Stand der Proletarier, Tagelöhner und in der Industrie eingesetzten Arbeiter, befände sich in der damaligen Zeit unter den Kennern oder Interessenten seiner Arbeit. Dennoch muß man davon ausgehen, daß diese Zielgruppe seine Werke aus einem anderen Zusammenhang kennen konnte, wie z.B. aus den, für Plakatgestaltungen benutzen, Lichtbildern der Skulpturen, der Publikation der Themen in Arbeiterblättern oder Ähnlichem. Ein in höchstem Maße wichtiger Aspekt bei der Analyse der Wirkung der Plastiken Meuniers ist die simple Tatsache, daß der Betrachter, respektive Kenner der Figuren diese größtenteils nur aus einer verzerrten Perspektive kennt: Nämlich mit all den Verfremdungen, die die photographische Aufnahme mit sich bringt und die der Photograph zuläßt oder auswählt. „At the 1896 exhibition organized in Geneva by the painter Baud–Bovy, photographs were displayed together with sculptures for the first time, which signaled a radical change in the artist‘s exploitation of photography. Rodin‘s photographic images now officially, and very suddenly, moved out of the intimate confines of the studio, where they had mainly served his private purposes, and into the public realm. Photographs invaded not only the precincts of exhibition galleries but the walls of the homes and studios of Rodin‘s emulators as well, thereby taking on aesthetic, commercial, decorative, and pedagogical roles. In this same period, photographic images of his sculpture also definitively replaced engravings, etchings, and woodcuts in periodicals and other publications. The artist‘s stake in this shift is clear; by being present in galleries, salons, and museums, photographs of his sculpture began to appropriate the functions of the objects depicted in them and acquired a completely new status. They were no longer just illustrations of ideas but rather expressions of the ideas themselves – visual spokesmen personally accredited by Rodin. Critics gradually began to acknowledge the significance of these images, which were now engaged as supplements to the sculpture. They also found the images increasingly indispensable for making their arguments and thus used photographic reproductions more and more often to illustrate their articles.“ Im Prinzip richtet sich der Schwerpunkt der Betrachtung nicht auf die Skulptur Meuniers sondern vielmehr auf die Reproduktion einer Abbildung einer lichtbildnerischen Darstellung der Arbeiten Meuniers. Nicht nur der nicht auf Kunst spezialisierte Betrachter mußte sich (anhand der Photographien und den miteingeflossenen Manipulationen) an den Wirkungen der Abbildungen der Skulpturen informieren – seit etwa 1850 mußten sich auch viele Kunstkritiker, Kuratoren und Kunsthistoriker bei ihren Arbeiten mit Skulpturen zu großen Teilen auf photographische Abbildungen verlassen. Die Prominenz seiner Plastiken kann nicht nur als Folge der photographischen Aufnahmen und der daraus resultierenden Verbreitung gewertet werden, ihre Popularität ist natürlich insbesondere in den von Meunier dargestellten Sujets zu suchen, nämlich in der gleichnishaften Wiedergabe seiner, von Industrialisierung und sozialen Umbrüchen geformten, Umwelt. „Daß er 1889 in Paris einen der großen Preise erhielt, eine Auszeichnung, die sich 1900 wiederholte, ist schon erwähnt worden, 1892 folgte München mit einer goldenen Medaille. Zu noch größerem Ruhme, ja beinahe zur Volkstümlichkeit gelangte er durch die Ausstellungen seiner Bronzen, die 1896 in Bings neu eröffneten “Art nouveau“ zu Paris […] stattfanden.“ Die vielen verschiedenen Titel für einige der Skulpturen (z.B. Der Lastträger, 1890) verweisen ebenso auf die enorme Verbreitung verschiedener Güsse eines einzigen Themas.

Die unzähligen Daguerreotypien und Photographien, die Ende des 19. Jahrhunderts von unbewegten Objekten, insbesondere Skulpturen, gemacht worden sind, mögen als Indiz für die visuelle Prägung der heutigen Photographie auf gestellte, inszenierte und posierte Sujets hergenommen werden. Es waren vermutlich insbesondere die Skulpturen Meuniers, die aufgrund ihrer sozialen Thematik und ihrer spezifischen künstlerischen Bearbeitung als Vorbilder für die sich entwickelnde Photographie benützt wurden: Mit ihren stolz wirkenden Protagonisten, die eine Vorbildfunktion in der Gesellschaft zu erlangen schienen, mit der Meunier-typischen Bronzebehandlung, die sich für eine monochrome Wiedergabe geradezu anbietet (unabhängig von der Verfügbarkeit oder Option eines Farbfilms), mit einer ganz klar geschnittenen Silhouette, die die Figur von einem eventuellen Hintergrund separiert und einer Reduktion auf wesentliche Elemente (die Menschen sind bei Meunier in den seltensten Fällen mit mehreren Gegenständen ausgestattet), schaffen sie die Basis für die gegenwärtigen Bildchiffren und Konventionen der Massenmedien. Auch wegen der Haltung bzw. Pose der Figuren sind sie hervorragend für die Photographen der damaligen Zeit als auch derjenigen heutiger Medienkampagnen als Vorbild wertvoll. „Dans l‘histoire de la sculpture, Meunier est le premier et le seul à consacrer l‘essentiel de son œuvre à la représentation du monde du travail liée à une intensité dramatique des sentiments. Cette nouvelle conception de l‘œuvre d‘art a laissé une trace profonde et sera une des sources d‘inspiration pour les artistes contemporais et ceux du XXe siècle.“ Die Figuren sind bestens geeignet um als Stimmungsträger zu agieren und um eine möglichst hohe Anteilnahme oder Emotionalität des Betrachters zu erwirken.

Die Hauptmotivation der frühen Photographen, sich mit der Ablichtung von Plastiken zu beschäftigen, mag die Tatsache sein, daß die Photographie nach künstlerischen und nicht nach handwerklichen Gesichtspunkten gemessen werden wollte, sich also über die Vereinnahmung einer bereits etablierten Gattung, auf ein gleichbedeutendes Niveau zu hieven versuchte. „The long exposure times demanded by the earliest photographic processes provide one explanation for the popularity of images of sculpture in this period[.] […] Unlike living men and women, who found it difficult to sit absolutely still for the several seconds or even minutes required, statues and plaster casts proved to be patient and ever-willing subjects for the photographer. Beyond such practical advantages, however, the use of classicizing busts and statuettes as photographic subjects would have also raised the prestige of the new medium vicariously by linking it to “high“ art traditions dating back to antiquity.“
Die Bezüglichkeit, Beeinflußbarkeit und enge Verknüpfung der (analogen) Photographie mit konservativen Medien, insbesondere die direkte Verbindung zur Antike, zeigt sich in den zunächst übernommenen Bildkompositionen und Chiffren, die der Malerei und Skulptur entlehnt sind: “Klassische“ Bildauffassungen ohne extreme Ausschnitte bzw. Detailaufnahmen sowie Ganzkörperportraits im Sinne des Kunstverständnisses der damaligen Malerei, dominieren die Vorgehensweise – ebenso Landschaften oder den Büsten nachempfundene starre Darstellungen inklusive willkommener Vignetierung. Ebenso bevorzugten es die damaligen Photographiepioniere eine klare Unterscheidung von Vorder- und Hintergrund zu wahren, den Fokus parallel zum Betrachterstandpunkt verlaufen zu lassen – ganz im Widerspruch zu den gegebenen, vielfältigen Schärfe- und Unschärfeverlagerungen und anderen “kreativen“ Möglichkeiten, die eine Balgenkamera zuläßt. Diese Verschmelzung von konservativen Auffassungen der Bildgestaltung auf der einen Seite und die Verarbeitung dieser mit den Möglichkeiten der Photographie, begünstigten die visuelle Ausrichtung der Bildsprache gegenwärtiger Werbung und des Kinos.

Man kann die Photographien von Skulpturen aber nicht nur als reine Beschäftigung einer Kunstgattung mit einer früheren betrachten, sondern sollte ebenso in Betracht ziehen, daß Photographien zu großen Teilen als billiger und schneller Ersatz für ehemals aufwendige Abbildungsmethoden bewertet wurden – ohne künstlerischen Anspruch. Die Abbildung der Plastiken diente schon für Rodin lediglich als Dokument und als Produktionsansatz bzw. Bindeglied zwischen verschiedenen Versionen der Fertigung seiner Plastiken. Die Bildcodes, die sich in den heutigen Werbephotographien wiederfinden lassen, können aber scheinbar nicht in Bezug zu diesen belegenden und attestierenden Ansätzen betrachtet werden, da die erwähnten Photographien mit reinem Dokumentcharakter jeglicher Inszenierung entbehren und Faktoren wie präzise Lichtführung, szenische Drapierung vor einem einheitlichen Hintergrund, bewußte Perspektivenwahl etc. in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Der für diese Arbeit zentrale Aspekt der Untersuchung ist in der bewußten Inszenierung der Plastiken zu finden. Diese Form der zur Schau-Stellung ist natürlich auch an technische Bedingungen geknüpft, da sicherlich die Wahl eines einheitlichen, sich stark von dem Vorderobjekt kontrastierenden Hintergrunds, nicht nur ästhetischen Überlegungen folgt, sondern ganz eng in Verbindung mit den technischen Reproduktionsmitteln des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu sehen ist. Die Darstellung von Arbeitern auf Plakaten war nicht erst seit der unkomplizierten photographischen Reproduktion solcher Thematiken von industrieller oder insbesondere politischer Seite gekonnt instrumentalisiert worden; So wurden neben meinungsbildenden Maßnahmen seitens politischer Parteien auch Arbeiterdarstellungen auf Plakaten in NAM -Geschäften, sogenannten Non-Union Stores benutzt um den Arbeitern eine Identität beim Kauf überteuerter Produkte in diesen speziellen Company Stores zu geben. Die Photographie übernahm als ohnehin mimetisches Medium nicht nur die Lichtreflexionen der “vorgestellten“ Objekte, sondern auch die bereits vorhandenen visuellen Bildcodes, die in den von Meunier entwickelten Darstellungen ein ideales Vorbild für die photographische Umsetzung lieferten und ein hervorragender visueller/ästhetischer Anknüpfungspunkt abgaben. Als wohl gewichtigster Punkt bei dieser Entwicklung mag die Tatsache angesehen werden, daß die Arbeiterschicht, aus einer Fixierung auf rein quantitativen Erfolg heraus, interessant geworden war. Allein die neue, noch ungeformte Masse größtenteils ungebildeter Menschen, die nach und nach Zeit und Geld zum Konsumieren übrig hatte und die gleichzeitig aus ihrer Rolle ausbrechen wollte, stand für eine neue Dimension der Absatzmaximierung und wurde in der Produktwerbung immer stärker miteinbezogen.

Stellung und Funktion der Arbeiten Meuniers
Meuniers zeitgenössische Position

Die Frage, ob Meunier mit seiner Motivwahl bereits eine Kritik bezüglich der exploitatorischen Arbeitswelt seiner Zeitgenossen zum Ausdruck bringen wollte, oder ob er sich seinen Arbeiterbildnissen aus einem lediglich unkritischen sowie überwiegend ästhetisch motivierten Blickwinkel näherte, ist das Kerndilemma bei der Positionierung seiner Werke in die heutige Bilderwelt. Ist der ihm entgegengebrachte Vorwurf, er wäre als ideologischer Vorreiter für die Nazi-Propaganda und die Ideale des Sozialistischen Realismus anzusehen, angebracht? Kann man Meunier zu den Schaffenden zählen, die die damalige Proletarierwelt nicht als Abschreckung oder kritische Mahnung den Betrachtern präsentierte, wie es etwa der mit ihm befreundete Maler De Groux getan zu haben scheint, dessen Gemälde sich mit der erbärmlichen, harten Bauern- und Proletarierwelt beschäftigten, diese aber nicht malte „[…] als drohende Anklageschrift gegen die gesellschaftlichen Zustände, sondern um auch in anderen Seelen Mitleid zu erwecken […]“ , so muß sich das Œuvre Meuniers den Vorwurf des bewußten Ausblendens sozialer Realität und der gefälligen Manipulation der Massen gefallen lassen.

Eine soziale Motivation läßt sich bei Meunier sicherlich in den Fällen aufzeigen, in denen seine Werke eine innige Bewunderung der arbeitenden Menschen zu Tage treten lassen – wenn auch die offensichtliche Anprangerung – von gewiß zu beobachtenden Mißständen in Meuniers Umwelt fehlt, lassen sich Respekt gegenüber den Arbeitern und eine würdevolle Darstellung derer herauslesen. „Wohl empfinden wir zunächst Mitleid mit diesen‚ in Rauch und Kohlestaub gekleideten‘ Männern und Frauen, die den größten Teil des Tages tief unter der Erde oder vor glühenden Schmelzöfen arbeiten und nur kurze Augenblicke sich des Sonnenlichts freuen dürfen. Aber zu dem Mitleid gesellt sich bald die Bewunderung. Was sind das für sehnige und muskulöse Menschen voll Energie und Kraft! Wie Helden erscheinen sie uns, die auf kühne Eroberungen im Inneren der Erde ausgehen. […] Und schließlich überkommt uns ein Gefühl der Schönheit, wie überall da, wo sich Idee und Erscheinung vollkommen decken.“ Meuniers humanistische Haltung kann sicherlich auch auf seine christliche Motivation zurückgeführt werden, die sich in vielen seiner Plastiken äußert. So benutzt Meunier zum Beispiel direkte Pietà-Zitate oder zielt in dem Triptychon Die Rückkehr der Bergleute auf eine unmißverständliche Andeutung christlicher Themen ab. Die Vermutung drängt sich auf, die auf Mitleid und Anteilnahme hinzielenden Werke, sind eher als Folge seiner christlichen Prägung zu sehen und weniger aus einer sozialkritischen Position heraus erarbeitet.

Es bleibt eine Diskrepanz zwischen absoluter, blinder Heroisierung ohne erkennbare Ambitionen der kritischen Hinterfragung und der, aus der damaligen Position heraus erarbeiteten, ehrlichen und besonnenen Abbildung der Arbeiterwelt. „But allow the new class which considers itself, and with reason, called upon to build a new world, to say to you in any given case: It does not make new poets of you to translate the philosophy of life of the seventeenth century into the language of the Acméists. The form of art is, to certain and very large degree, independant, but the artist who creates this form, and the spectator who is enjoying it, are not empty machines, one for creating form and the other for appreciating it. They are living people, whith a crystallized psychology representing a certain unity, even if not entirely harmonious. This psychology is the result of social conditions.“ Vielleicht war Meunier seinen Protagonisten geistig sehr viel näher als man es sich heute noch vorzustellen vermag – die Vorwürfe der unreflektierten und unkritischen Betrachtung werden durch die Vorstellung entkräftet, Meunier identifizierte sich eindeutig mit dem Stand und der ideellen Haltung “seiner“ Arbeiter in einem dermaßen beträchtlichen Ausmaß, das eine künstlerisch hinterfragende Position nicht in Betracht kam. So sind nicht nur die Gesichter der Personen seiner Werke „[…] voll stumpfer Ergebenheit. Vater und Großvater sind demselben Berufe nachgegangen, so ist auch er hineingekommen, ja vielleicht ist der Gedanke in ihm niemals aufgedämmert, daß es anders hätte sein können.“ Diese Aussage kann man auch auf Meuniers Situation übertragen, da eine deutliche Selbstreflexion seiner Zustände in den Bildnissen zu finden ist. Der Schöpfer der Werke, von rein ästhetischen Merkmalen angetrieben und von seiner philanthropischen Zuneigung auf ein gleichwertiges Niveau gebracht, steht deshalb in einem solchen Fall außer Kritik. „Ich habe hier […] prächtige Motive gefunden, keineswegs in dem so verbrauchten und von den einheimischen Malern so ausgebeuteten Lokalkolorit, sondern wirklich charaktervolle einfache und großartige Motive, wie sie sich für die große Malerei schicken.“ Wenn es Anliegen des Künstlers gewesen sein soll, die Arbeit als solche darzustellen, und nicht einen kritisch distanzierten Arbeiter, so ist die Darstellung der Arbeiter in Meuniers Œuvre durchaus berechtigt. „Von der Einzelfigur des Arbeiters war er ausgegangen und war nun zur Darstellung der Arbeit gelangt; aus dem einzelnen Natureindruck hatte er immer mehr das Allgemeine herausschälen lernen; das Niederdrückende, Entwürdigende der schweren Arbeit war vor dem Heroischen, das in der Bewältigung der Materie liegt, zurückgewichen.“ Das Gespür für eine noch zu bewältigende Zukunft bzw. die Einsicht in eine geforderte Reaktion auf die Umwälzungen der Industrialisierung seitens des Proletariats, spiegeln sich in den stoischen und verschlossenen, ja fast apathischen Zügen der Figuren. Diese mögen auch analog zu der tatsächlichen, von den Arbeitern empfundenen, Sicht auf die Ausbeutung durch die Industrialisierung verstanden werden. Es bleibt fraglich ob die von Meunier dargestellten Personen eine Autorität oder Entscheidungsbefugnis über ihre eigene Geisteswelt hinaus zum Ausdruck bringen, oder ob man sie eher als stumme und machtlose Glieder der Industrie betrachten sollte. Ausgehend von der restrospektiven Sichtweise des 20. Jahrhunderts, hat man Meunier durchaus als Sprachrohr der Sozialreformen und der sich damals formierenden belgischen Arbeiterbewegung verstanden, jedoch muß man eine eindeutige Befürwortung politischer sowie sozialer Belange in Meuniers Skulpturen weitgehend fraglich lassen. Alternativ dazu drängt sich die Frage auf, ob seine Arbeiten nicht vielmehr Ausdruck einer unpolitischen und künstlerischen Idee sind, die sich der Arbeiter als rein ästhetischer Vorbilder bediente.

Die Frage der moralischen Stellungnahme in Meuniers Œuvre bleibt eine ambivalente, insbesondere wenn man sich einiger seiner Vorläufer bewußt wird, die wie Francisco de Goya, Honoré Daumier oder William Hogarth bereits moralisierende Appelle in großem Umfang in ihre Arbeiten einfließen haben lassen. So werden die Geschmacklosigkeiten und die Untugenden der Oberschicht oder des Bürgertums in den Moral Pictures von Hogarth, von ca. 1750, als Kupferstiche großformatiger Gemälde zu Druckgrafiken verarbeitet und in großer Auflage verbreitet. Ebenso werden explizit Ungerechtigkeiten und Unterdrückungen in Goyas grafischen Zyklen Los Caprichos, Los Desastres de La Guerra etc. reflektiert. Diese Form der Stellungnahme kann aber eher als Ausdruck der Karikatur oder Parodie aufgefaßt werden und nicht als tiefgreifende Anprangerung von sozialen Mißständen. Daumier, Goya oder Hogarth konzentrierten sich im Kontrast zu Meunier in ihren Werken eben nicht auf den vierten Stand der Bauern und Arbeiter, sondern beließen ihr moralisierendes Votum überwiegend in dem Milieu des Bürgertums angesiedelt. Diese Außenseiter vermochten keine unmittelbare und erkenntnisreiche Sicht der Welten außerhalb ihrer eigenen zu erlangen. „In Meuniers Schaffen ist etwas, das uns unmittelbar ergreift wie das Pathos eines begnadeten Redners. Jene könnten auch eine Generation früher oder später geboren sein. Meunier ist unzertrennlich mit der sozialen Gärung, mit dem Erwachen und Erstarken des sozialen Empfindens verbunden, das sich späteren Geschlechtern als die merkwürdigste Erscheinung im letzten Drittel des verflossenen Jahrhunderts darstellen wird.“ Erst mit den Ereignissen des späten 18. und des 19. Jahrhunderts, die Personen wie van Gogh, Courbet und Meunier “zuließen“, kann man die vorherige (künstlerische und wissenschaftliche) Ausklammerung des vierten Standes als passé und überwunden ansehen. „Meunier betreibt als Maler nicht so sehr eine Naturlandschaftmalerei, sondern gewissermaßen eine Kunstlandschaftmalerei, denn er nimmt die Industrielandschaft des Borinage nicht allein als sein “Milieu“, will dort nicht nur “Stimmungen“ einfangen, sondern sucht dabei über “Vorder- oder Hintergrund“ hinaus Aussagen zu machen.“ Der Aspekt der verschiedenen Ebenen, nicht nur auf sozialkritische Sichtweisen – sondern speziell auf die Problematik von photographierten Statuen und der daraus resultierenden visuellen Lösung bezogen – soll im Verlauf der Arbeit noch ein weiteres Mal, unter dem Gesichtspunkt der Verbindung zwischen Photographie und Plastik genauer besprochen werden. Die Bedeutung der Industrialisierung, angefangen von James Watts Entwicklung der Dampfmaschine um 1765, spürten auch jene Künstler nach, die sich in ihren Werken mit den technischen Aspekten dieser revolutionären Entwicklung beschäftigen, wie etwa Joseph Wright of Derby mit seiner Faszination für physikalische Phänomene. Jedoch bleibt diese Feststellung auf Aspekte der Technik fokussiert und die Thematisierung dringt von der Ebene der Naturwissenschaften nicht bis in die Sozialwissenschaften durch.

Vielleicht hat diese, auch bei Meunier zu beobachtende Abstraktion etwas mit der Angelegenheit zu tun, daß seine Bildnisse eher Ausdruck einer entpersonalisierten Idee des Arbeiters bzw. der Arbeit sind und nicht etwa Abbildungen eines tatsächlich schwitzenden Lastträgers oder eines erschöpften Bergmannes. Dennoch beläßt Meunier seine Protagonisten auf einem Niveau, das zwar von heroisierenden Aspekten koloriert ist, das aber die Figuren in einem sinnvollen und durchaus realistischen Funktionszusammenhang darstellt (Vgl. Abb. 1), ein Zueinander von Mensch und Arbeitswelt äußert und diese nicht als Repersationsstücke auffaßt. „Millets Bauern dagegen sind fast immer in eine Sphäre erhoben, die das körperliche Elend vergessen läßt. Die meisten seiner Bilder […] lassen eher den Gedanken patriarchalischer Einfachheit und Bedürfnislosigkeit aufkommen als den wirklichen Elends. Selbst wo er die Ärmsten der Armen schildert, den fast tierisch blöden Mann mit der Hacke, den gänzlich erschöpften Winzer, sehen wir eher eine Idee verkörpert, als daß wir den realen Einzelfall mit empfinden. Außerdem aber erscheint das Elend auf dem Lande nicht so grell wie neben dem Luxus und Vergnügen der Großstadt.“ Auf der anderen Seite, sollte sicherlich zu berücksichtigen sein, daß die Skulpturen und Reliefe Meuniers ein Menschenbild propagieren, das diese in stumpfer Ergebenheit gegenüber ihrer Arbeit und Umwelt zeigt, die Figuren als Bewohner eines sich industrialisierenden Belgiens, des Paradieses eines “kontinentalen Kapitalismus“ (und daher als frühe Prototypen für kapitalistische Medien) auffaßt und das eine grundsätzlich duldsame Sichtweise der Figuren zum Leben äußert. Diese Einstellung läßt sich in fast allen seinen Werken herauslesen, wie z.B. bei der Figur des Ahnen, „der nie viel gedacht hat, sondern das Leben fatalistisch hat über sich ergehen lassen. Wenn es köstlich gewesen, so ist es Mühe und Arbeit gewesen, sagt der Prophet. Von Köstlichkeit ist hier nichts zu spüren.“
Bei Meunier lassen sich keine disharmonische oder offensichtlich kritische Töne in den Werken bemerken – die Dargestellten können eher als “moderne“ Hagiographien mit monumentalem oder gar biblischem Ausmaß bezeichnet werden. Kurioserweise „[…] erscheinen die Arbeiter bei Meunier nicht als deformierte Opfer eines inhumanen Systems. Sein Blick auf das Industrieproletariat unterdrückt unmittelbar sozialkritische Aspekte; Häßlichkeit und Härte des Einzelschicksals werden in typisierte, aus der akademischen Tradition entwickelte Formen gegossen.“ Wenn man sich nochmals Meuniers christlichen Standpunkt vor Augen hält, kann man auch die dargestellten Arbeiter als symbolische Analogie zu Märtyrern der christlichen Heilslehre sehen. Diese Interpretation muß sich aber auf die Haltung der Menschen beschränken denn ausgehend von der körperlichen Pose kann man nur geringe Ansätze zu Märtyrerdarstellungen finden. Die Ergebenheit und Gefügigkeit, die die Figuren aber erkennen lassen, können aber uneingeschränkt auf die Tugenden der christlichen Märtyrer übertragen werden. Ebenso scheint plausibel, die von Meunier geschaffenen Typen eigneten sich bestens als Ersatz für ehemals religiös verwurzelte Gruppen, die bekannte sakrale Themen, in den ihnen persönlich näher stehenden Arbeiterstatuen, anschaulicher bzw. überzeugender vermittelt sehen konnten als etwa in traditionellen Versionen dieser Sujets. Aufgrund des Ausblendens individuellen Leids und des Favorisierens von Wunschbildern gegenüber realen Schicksalen, läßt sich aber schon bei Meuniers Ansätzen eine stärkere Gewichtung der Ästhetik vernehmen, die sich im Verlauf der Entwicklung dieser Figurentypen noch weiter von dem Bereich der Ethik entfernen sollte. Die Relevanz der Figuren wird also immer weniger an moralischen oder ethischen Gesichtspunkten gemessen als vielmehr an ästhetischen Prinzipien. Die Gegebenheit, daß Meuniers künstlerisches Wirken als Bildhauer anfing und auch wieder damit endete, er aber zwischenzeitlich die Mittel der Malerei benützte um das “Schwarze Land“ und die Arbeitersujets zu thematisieren, mag seine Präferenzen für jenes Medium bezeugen das ein Verdeutlichen individueller Situationen und Umstände nur in einer höchst abstrahierten Weise zuläßt. „Während die Malerei (und Graphik), zumal die realistische, das Milieu und das Situationale von Szenen umfassender, veristischer, das heißt der Not und der Misere der sozialen Wirklichkeit angemessener vergegenwärtigt und auch zu deren kritischer Beleuchtung fähig ist, bleibt die Plastik – kategorial begriffen – ein ungeeignetes Medium solcher Milieudarstellung und Kritik, denn die Plastik ist ihrem Wesen nach affirmativ.“
Einwirkungen Meuniers in der Nachwelt

Die möglichen Einflüsse Meuniers zeigen sich schon mit der fast uneingeschränkten Akzeptanz seiner Arbeiten in allen vorhandenen Gesellschaftsschichten, sie ergeben jedoch ein verständlicheres Bild, wenn man sich die Parallelität seiner Darstellungen bezogen auf “moderne“ Photographien vergegenwärtigt. Bedingt durch die fast parallel verlaufende Entwicklung der Photographie und den sozialen Umwälzungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, schienen die Skulpturen Meuniers ein interessanteres Thema für das photographische Arbeiten gewesen zu sein als etwa die Beschäftigung mit antiken Werken. Die Möglichkeit der Photographie Struktur und Textur in vorher ungeahnter “Präzision“ detailgetreu darzustellen, mag auch als Anlaß für die Photographen gegolten haben, sich eben nicht mit antiken Plastiken (oder Nachgüssen dieser) zu beschäftigen, deren Oberfläche größtenteils verwittert und geglättet war. Bei den Bildhauern der Gegenwart konnten sie aber Texturen vorfinden, die noch weitestgehend den ursprünglichen Vorstellungen der Künstler entsprachen und deren Oberfläche viel feingliedriger und detailreicher erschien. Die Photographie ersehnte sich zwar, einen im Vergleich zur Malerei gleichwertigen Status, aber so gut wie alle Gattungen angewandter Kunst orientierten sich in dieser Zeit stärker an den Idealen der “einfachen Leute“, denn dieses Jahrhundert, „[…] c‘est aussi l‘époque ou la peinture d‘histoire voit pâlir son étoile et que vient le désir d‘une peinture individuelle moins vouée aux unités, aux princes, et plus consacrée aux masses, aux peuples.“ Man fing an die Proletarier aus ihrem dumpfen, animalischen Kontext zu lösen und attestierte ihnen ebenso Stolz und Rang. Eine stetig steigende Anzahl von Menschen, die sich erstmals den Vorteilen der Industrialisierung (und auch deren Nachteilen) gegenübergestellt sah, wurde natürlich wegen ihrem nachsichtig kalkulierten Lohn und ihrer Freizeit auch dementsprechend als potentielle Konsumenten wahrgenommen und umworben.

Darstellungen der zukünftigen Kunden auf den Werbeplakaten benützen eine Formsprache, die sich auf scharf abgetrennte Konturen, starke Kontraste und eine einheitliche Flächenbehandlung reduzierten. Damit kann man sie als Vorläufer des heutigen Graphic-Design ansehen, dessen primäres Anliegen in der Übermittlung von klar strukturierter, plakativer Information besteht. Allein bedingt durch den technischen Fertigungsprozeß des Hoch bzw. Tiefdrucks, waren die Gestalter der Plakate in ihren verführerischen Möglichkeiten limitiert und mußten in der Fertigung der Blätter ohne die Wirkung von fein nuancierten Verläufen oder der Nachahmung naturalistischer Oberflächenstrukturen auskommen. Die Photographie mit ihren geläufig bekannten Charakteristiken wie Genauigkeit, Schnelligkeit, Wirtschaftlichkeit etc., bediente nicht nur die Seite, der für den Konsum werbenden Institutionen, sondern lieferte später dann auch massenwirksame Vorlagen für Visionen politischer Einrichtungen. Es scheint nachvollziehbar, daß das Hauptinteresse bei einer wirksamen Artikulation mittels (photo)graphischer Abbildungen auf einer Identifikation des Betrachters mit dem Dargestellten läge: Ist die Beschaffenheit der Beiden auf eine Kongruenz hin angenähert, so erfolgt eine umso direktere Kommunikation. Ginge man davon aus, die Arbeiten Meuniers lieferten ein photographisch umgesetzes Vorbild für nachfolgende Ideologien, so sollte man zwischen der bewußt eingesetzen aber ideologisch eingefärbten “Rhetorik“ der Skulpturen auf der einen Seite und ihrer äußerlich motivierten Übernahme auf der anderen Seite unterscheiden. „Läuft das niemals wirklich fertiggestellte Denkmal [der Arbeit] nicht einige Jahrzehnte nach seiner Konzeption Gefahr, zwangsläufig zum karikierten Modell für die Künstler des sozialen Realismus und für die Bilderfabrikanten von Massenideologien zu geraten? Merkwürdigerweise hätte dann Meunier, der zu Beginn seines zweiten Lebens und seiner Bildhauerkarriere zur Überwindung von Stereotypen beitrug, auf diese Weise am Ende derselben Karriere unwillentlich die spätere Entstehung neuer pervertierter Modelle begünstigt.“ Unabhängig von Meuniers ursprünglicher Haltung, bieten seine Arbeiten hervorragende Vorbilder für Motive, der auf Massenmanipulation begründeten Ideologien. So lassen sich erkennbare Verbindungen zwischen Meuniers Œuvre und den Darstellungen von Vertretern des Sozialistischen Realismus oder der nationalsozialistisch geprägten Soldaten- und Bauernideale herstellen. „They would paint propagandistic pictures and make statues glorifying socialism or attacking its enemies, and they would work in a realistic style easily understood by the masses.“ Der Akzent dieser Plastiken liegt aber vor allem auf der Pose, also auf gestellte, meist per visuellen Chiffren artikulierte, Aussagen. Da seine Skulpturen sowohl für die Arbeit an sich als auch für einen nationalistischen oder aus einem Stand heraus abgeleiteten Stolz stehen, wurden sie nach seiner erfolgreich verlaufenden Ausstellung in den Vereinigten Staaten Anfang des 20. Jahrhunderts, bewußt als Kontrast zu den “versklavten“ und unglücklichen Arbeitergenossen der UDSSR positioniert. Ein weiterer Grund für die unproblematische Übernahme Meuniers bildhafter Aussagen findet sich in der unkomplizierten Lesbarkeit seiner Werke. Sowohl die faschistischen als auch die sozialistischen Strömungen strebten nach archetypischen Mustern für die Verbildlichung ihrer Ideale, die vor allem ohne intellektuelle Vorkenntnis und bar jeglicher Bildung verstanden werden konnten. Als Nachfahre Meuniers kann der aus Polen stammende amerikanische Bildhauer Max Kalish angeführt werden, dessen heroisierende Bildauffassungen in seinen Arbeiterplastiken in der Zeit um 1920, ohne Weiteres als Anknüpfungspunkt für das faschistisch orientierte Menschenbild der Nationalsozialisten betrachtet werden kann.
Daß diesen Objekten selbst im folgenden 20. Jahrhundert – nicht nur unmittelbar nach ihrer Entstehungszeit – von verschiedenen Seiten solche Aufmerksamkeit geschenkt wurde, ist möglicherweise mit deren Bewunderung zu begründen, die sich auf die Tatsache zurückführen lassen kann, die geschundenen Figuren seien als die Begründer unseres Wohlstandes angesehen worden. Die Protagonisten in Meuniers Werk, die gleichzeitig Ausgangspunkte einer industriellen Entwicklung sind, symbolisieren eine Brücke von dem Dunklen unter Tage, dem Bescheidenen hin zum industriell befreiten, entlasteten und mündigen Menschen, der stolz und fordernd zu sein schien. Es scheint aber diese Protagonisten wären von der (selben) Industrie nicht nur zur Erlangung des gesellschaftlichen Wohlstandes mißbraucht worden, sondern erneut auch zu dessen Erhaltung und Maximierung. Dadurch daß ein Menschentypus propagiert wird (den es zu Meuniers Zeiten in dieser geschönten Weise zwar auch nicht gab) den es in heutigen Zeiten in den industrialisierten Gebieten aber überhaupt nicht mehr gibt, sondern der hauptsächlich nur noch in den Schwellenländern oder in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern zu finden ist, bezeugt den Einwand, die Arbeiter wären zuerst als Motor der Industrialisierung und dann zur Aufrechterhaltung des Konsums mißbraucht worden. Die von Meunier bereits geleistete Reduktion seiner Umwelt auf stilisierte, unkritische Schemata wurde von der Werbeindustrie einerseits zur beschwichtigenden Identifikationsbildung des gewünschten Konsumenten hergenommen und andererseits als Befriedigung der konservativen Strömungen eingesetzt. Die Tatsache, daß die Statuetten Meuniers eindeutig erotisierende Aspekte hervorheben, könnte auch ihre Popularität in den bürgerlichen Kreisen begünstigt haben: Die nackten Körper der Arbeiter, ihre von Erschöpfung gezeichneten Ausdrücke, die animalische Kraft und Angespanntheit der männlichen Figuren oder auch die fast unwehrhafte Ergebenheit könnten als subtile Anregungen der bourgeoisen Phantasien gedient haben. (Vgl. Abb.10 und 11) Halbnackte und verschwitzte Arbeiter lassen sich nun mal besser als Identifikationsfiguren hernehmen als Grünewalds Christus, Poussins Hirten oder Michelangelos David. Die Statuetten Meuniers, die leicht den Weg auf die Plakate der Gewerkschaften gefunden hatten, gliederten sich nun auch vorzüglich in die Vitrinen bürgerlicher Wohnungen ein, da sie als williger Ersatz für religiöse oder antike Plastiken bzw. Gemälde betrachtet werden konnten und da sie die Sehnsucht nach Unmittelbarkeit und Natürlichkeit in einer akzeptablen Weise befriedigten. Die stoische Ruhe in den Arbeitern, deren Aggression noch nicht freigesetzt zu sein schien und die dankbar im Einklang mit ihrer industrialisierten Umwelt schufteten, diente beiden Seiten als treffliches Image, an das sie sich orientiert sehen sollten. „Er bietet nicht allein deskriptiv und realistisch das Geschehen im industriellen Bereich unter künstlerischen Gesichtspunkten, sondern will ein Zueinander von Mensch und Arbeitsplatz bewirken, einer – wie wir heute formulieren – Entfremdung wehren.“ Die Illusion eines Menschen in Harmonie mit seiner technisierten Umwelt, die er aber in immer geringerem Maße zu verstehen in der Lage ist, die ihn scheinbar dominiert und die im Prinzip eine konstruierte, von außerhalb oktroyierte Konsumwelt darstellt, ist auch als Thematik in den Kampagnen der Werbeindustrie des späten 20. Jahrhunderts zu erkennen; Die von Meunier etablierte Illusion der Authentizität und Natürlichkeit kann auch mit derjenigen heutiger Werbebotschaften verglichen werden.

Aspekte der Idealisierung

Adaption und Re–Valuation Meuniers

Ein Grund für die Übernahme Meunier-spezifischer Darstellungsformen mag die Tatsache sein, daß seine Figuren auf ein nötiges Minimum reduziert sind. Anliegen der Werbung ist neben einer Identifikation des Konsumenten mit dem als Konsument “posierenden“ Werbenden, die möglichst direkte und unverstellte Kommunikation des beworbenen Produktes. Einerseits muß dem Konsumenten eine möglichst allgemeine Identifikationsfigur präsentiert werden, andererseits soll die Illusion der Unentbehrlichkeit und Einzigartigkeit des Produktes (oder der politischen Meinung) gewahrt bleiben. Unnötige, ablenkende, oder nicht der Übermittlung der Einzigartigkeit dienliche Aspekte müssen aufgrund der angestrebten Präzision auf einem natürlich wirkenden Weg ästhetisch ausgeschlossen werden. Die Figuren Meuniers bieten daher einen idealen Bezugspunkt, denn „[o]b sie vor dem glühenden Eisen stehen oder in enge Stollen gezwängt tief unter der Erde arbeiten, die Hitze zwingt sie, alles nicht unbedingt Notwendige abzutun.“ (Vgl. Abb. 4) Auf die Sparte der Werbephotographie übertragen, wäre in diesem Sinne selbst ein Miteinbeziehen von Personen absolut unnötig – eigentlich sollte das Darstellen des Produktes völlig ausreichen um es wirksam anzupreisen. In den Bereichen in denen aber die Rechtfertigung zum Kauf eines Produktes schwer zu vermitteln ist oder die Akzeptanz der beworbenen Sache beim Konsumenten auf Vorbehalte stößt, reicht eine rein “sachliche“ Form der Kommunikation nicht mehr aus. In diesem Fall wird versucht die Mängel des Fabrikats durch eine Inbezugnahme von Lebensgefühlen zu kompensieren. „Wirft man einen Blick auf die erweiterte Kampfzone der Konsumwelten, so sehen wir eine verblüffende Parallele. Gelungenes Marktmanagement erweist sich heute als Bedeutungserfindung für triviale Gegenstände. Der reine Produktnutzen spielt nur bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen eine Rolle. Die Bereitschaft aber, für ein Markenprodukt mehr Geld auszugeben, als sein Gebrauchswert hergibt, folgt genau jener Logik der Auratisierung, wie sie auch bei den objetcs trouvés und den alltagstauglichen Gegenständen zu besichtigen ist, wenn sie ihrem ursprünglichen Funktionszusammenhang entnommen werden.“ Meuniers Arbeiter spiegeln sicherlich bis zu einem gewissen Grad auch eine Wunschvorstellung wieder: Obwohl man sie aufgrund besseren Wissens und ihrer tatsächlichen Lebensumstände als elendige Kreaturen ansehen könnte, strahlen sie dennoch sowiel Eleganz und Unabhängigkeit aus, daß man verleitet ist sie etwas wohlgefälliger zu betrachten. Man kann Meunier durchaus mit Wolfgang Tillmans Ansätzen in Bezug bringen, dem es in seinen Photographien „um die Spannung zwischen der Wunschvorstellung, so wie sie im Image kommerzialisiert wird, und der Unverletzlichkeit des Ich, das unabhängig von seinen unzähligen Repräsentationsfrormen existiert […]“ geht. Die Sujets beider Künstler thematisieren zwar eine theatralisch faszinierende Konstruktion, deren Menschen in einer Entfremdung und naiven Gläubigkeit isoliert sind, die aber entgegengesetzt dieser Vorstellung auch als Ausdruck des politischen oder des religiösen Widerstandes angesehen werden können. Die Ruhe und Gelassenheit der Meunier-Figuren vollzieht sich im absoluten Widerschein inmitten einer gierigen, industrialisierten Konsumkultur. Man könnte den Figuren fast unterstellen, sie verweigerten sich in einem gewissen Sinne ihrem Schicksal und suchten ihr Heil nicht in dem von ihnen geführten Leben, das von Arbeit und Not dominiert ist, sondern in einer transzendenten Sphäre. (Vgl. Abb. 1, 6, 8, 10 und 14)

Der Akzent der Integrität bzw. der sogenannten “Street-Credibility“– die von der Industrie erstrebte Glaubhaftigkeit der Marken außerhalb des Schaufensters oder der Magazine, also auf den Straßen – ist ein ganz bedeutender Faktor in den Arbeiterbildnissen Meuniers, die ihre Figuren von einem optischen Hintergrund isoliert und wie schon erwähnt stark dramatisiert darstellen, aber ihre Glaubwürdigkeit bzw. ihr sinnvolles Schaffen ebenso zum Ausdruck bringen. „Sculpture must lose its fictitious independence which only means that relegated to the backyards of life or lies vegetating in dead museums, and it must revive in some higher synthesis its connection whith architecture. In this broad sense, sculpture has to assume a utilitarian purpose.“ Die Arbeiten Meuniers bieten außerdem ein gutes Vorbild für die Werbephotographie aufgrund ihrer “realistischen“ Darstellungsform: Selbst eine auf Neid hin ausgelegte Reklame versteht es weniger effektiv einen Kaufreiz zu übermitteln, als eine die vorgibt “normale“ Menschen würden ein bestimmtes Produkt benötigen. „Unter den Vermittlungen von Kunst und Gesellschaft ist die stoffliche, die Behandlung offen oder verhüllt gesellschaftlicher Gegenstände, die oberflächlichste und trügerischste. Daß die Plastik eines Kohleträgers a priori mehr besage als eine ohne proletarische Helden, wird nachgerade nur dort noch nachgebetet, wo die Kunst, nach volksdemokratischem Sprachgebrauch, strikt “meinungsbildend“, als wirkender Faktor in die Realität einbezogen und deren Zwecken subsumiert wird, meist um die Produktion zu steigern. Meuniers idealisierter Kohleträger fügt sich samt seinem Realismus jener bürgerlicher Ideologie ein, die dadurch mit dem damals noch sichtbaren Proletariat fertig wurde, indem sie auch ihm schönes Menschtum und edle Physis bescheinigte.“ Der Vorteil, den Meuniers Figuren für eine direkte photographische Adaption mit sich bringen liegt dann auf der Hand, wenn man in Betracht zieht, daß sie Verbildlichungen einer Klasse sind, die sich am untersten Ende der Hierarchie befand. Diese Schicht sah sich nun erstmals als Mittelpunkt einer würdevollen und ernsten künstlerischen Beschäftigung, die sie zwar stilisiert und manieriert aber dennoch respektvoll betrachtete. Diese Bevölkerungsschicht repräsentierte zwar wie eh und je die Mehrheit der Gesellschaft, ihr Einflußvermögen und ihre Wertschätzung stieg aber rapide an. Die Attribute der Figuren sind ebenso als Würdeformen zu verstehen – die mitgeführten Gegenstände, wie Hammer, Schlägel, Grubenlampe etc., dienen nicht als Mittel zum wirklichen Gebrauch sind aber ungeachtet dessen Arbeitsinstrumente. Meunier verstand es die Menschen zu einer Figur zu abstrahieren, die durch ihre Pose und ihren Blick Auskunft über ihren Stand geben, ohne auf Anekdoten in Form von hinzugefügten Objekten, Hintergründen oder zeitlich exakt zu fixierenden Gegenständen oder Kleidungsstücken, zurückgreifen zu müssen, was später für eine Imitation durch die Werbung bestens geeignet zu sein schien, die in ihren gestalterischen Freiheiten auch durch zahlreiche Faktoren, wie Zeitdruck, Platzmangel, Budgetbeschränkungen, technischen Einschränkungen etc., stark limitiert ist. Ebenso muß die Werbung oder allgemein ein, an ein Massenpublikum gerichtetes Medium, den Fokus auf eine eindeutige und präzise Kommunikation legen die ohne ausschmückende oder geschwätzige Elemente auskommt. Ein weiterer Grund für die Beliebtheit Meuniers, in den Bereichen der auf Massenkultur fokussierten Märkten, mag in seiner allgemeinverständlichen Bildsprache zu suchen sein. Nicht nur unmittelbar während der industriellen Revolution sondern auch heutzutage in Zeiten ihrer “Nachwehen“, läßt sich der Drang zu einer stärkeren Rückbesinnung auf ursprünglichere Ideale und Lebensweisen vernehmen. „Die überraschende Rückkehr derart überstrapazierter Stoffe und Motive […] mag etwas mit Eskapismus zu tun haben, mit einem Bedürfnis nach Orientierung in unsicheren Zeiten oder der Sehnsucht nach einer verlorenen Unmittelbarkeit.“ Meuniers Vorbilder entsprachen dieser Tendenz vorzüglich, da sie das Bedürfnis nach Echtheit, Männlichkeit, Fleiß, Stärke und Leistungsfixiertheit stillten. (Vgl. Abb. 4, und 5) In der Bildtradition amerikanischer Medien läßt sich diese Strömung eindeutig registrieren, denn angefangen von den klassischen Western, wie The Great Train Robbery, The Magnificent Seven, The Professionals etc., und den monumentalen “Sandalenfilmen“ Hollywoods der 40er und 50er Jahre des 20. Jahrhunderts, wie Ben Hur, Spartakus und weitere, zieht sich dieser Tenor durch fast alle Bildmedien, einschließlich der zeitgenössischen Massenproduktionen. Filme wie Wolfgang Petersons Troja, oder Ridley Scotts Gladiator bis hin zu groß angelegten Werbekampagnen der führenden Luxusmarkenhersteller greifen Meuniers visuell artikulierte Posen in heutigen Zeiten bereitwillig auf. Bei der Gestaltung der Werbe- oder Kinofiguren geht es (noch stärker als vorher bei Meunier) um eine ideologisch motivierte Bedeutungsaufladung und um die Etablierung eines universellen, direkten Rezeptionscodes. Der vielleicht wichtigste Punkt bei dieser Analyse bleibt aber die Tatsache, daß nahezu alle Personen, die sich die plastischen Werke Meuniers als Vorbild genommen haben können oder die von diesen beeinflußt worden waren, diese nicht als plastische Werke wahrgenommen haben, sondern als photographische Abbildungen deren. Insofern ist es eine subtile Kombination der Bildchiffren, die Meunier benutzt hatte und der ästhetischen Formgebung dieser Skulpturen durch die sie abbildenden Photographen, die ihre Relevanz begünstigt. Die Wirkung der Skulpturen allein als plastische Objekte in einer Ausstellung zum Beispiel wäre wohl nicht in dem Ausmaß stilprägend für das photographische Verständnis der Gegenwart geworden, da ein, sie in höchstem Maße stilisierender und auf eine einzige Perspektive reduzierender Blickwinkel fehlen würde. Schaut man sich Meuniers eigene Arbeitsweise an, so zeichnet sich ein weiterer wichtiger Faktor des bewußten Komponierens von Mustern ab, denn selbst Meunier hat seine Figuren immer wieder überarbeitet und die Reliefe aus Einzelmotiven früherer Arbeiten zusammengestellt. Der Bildhauer Meunier liefert also bereits eine persönlich selektierte Sicht seiner “Arbeiter“ und benützt ganz bewußt nur ausgewählte Positionen und Ausdrücke. Diese Grundmotive in den plastischen Arbeiten lassen sich wiederrum auf bereits etablierte Chiffren zurückführen, wie sie in den Formen antiker Plastiken zum Ausdruck gekommen sind. Meunier steht weder am Anfang noch am Ende dieser Kristallisationsprozesse, sondern liefert als Bindeglied lediglich für eine auf Massenkultur und Oberflächlichkeit basierende Gesellschaft, wichtige Ansätze. So wenig wie man eine hellenistische Aphrodite oder Michelangelos David als Kritik verstehen kann, so wenig kann man auch Meuniers Lastträger oder Boulogner Fischer als Votum gegen etwas bezeichnen; vielmehr können sie als kritiklose und “leichtsinnige“ Würdigung oder Lob für etwas (z.B. die stoische Gelassenheit angesichts der anstrengenden Lebens- und Arbeitsweise) und daher als dekoratives Genre aufgefaßt werden. „Blickt man schließlich auf das plastische Werk, und zwar vorzüglich auf die ganzfigürigen Arbeiterbilder Meuniers, so läßt sich das Besondere darin erkennen, daß eine im Detail unbedingt veristische, aller Glätte entbehrende, nämlich an der gegebenen Wirklichkeit orientierte Körperbildung oder Kleidung vermittelt erscheint mit den gültigen Regeln antiker Idealität, zum Beispiel mit dem Kontrapost oder mit der Fixierung erfüllter kulminierender Bewegungsmomente, und zwar so, daß diese Idealität nicht einfach als solche, sondern als ausdrucksmäßige Steigerungsform des Arbeiterbildes zur Geltung kommt.“ (Vgl. Abb. 6, 7, 8 und 9) Die Diskrepanz zwischen Voder- und Hintergründigkeit, die Meunier in seinen Werken zu lösen versuchte, mag auch als Sinnbild der sozialen Umbrüche gewertet werden, in denen sich der Mensch zwar in der Linie seiner Ahnen positionierte, aber trotz allem ein Anrecht auf Eigenständigkeit und Individualität verlauten ließ. Meunier, der sein künstlerisches Arbeiten in einem Bildhaueratelier begann, zwischenzeitlich sich mit Malerei beschäftigte dann aber wieder zur plastischen Arbeitsweise zurückkehrte, wußte sehr wohl über die unterschiedliche Wirkung der verschiedenen Gattungen bescheid und setzte die typischen Stilmittel einer künstlerischen Form individuell ein. „Die ergreifendsten Gestalten des großen Bauernmalers heben sich als gewaltige Silhouetten vom leuchtenden Himmel ab, das gibt ihnen jenen Zug biblischer Größe, von dem oft gesprochen worden ist. Bei dem Belgier handelte es sich darum, größere Gruppen ruhiger Gestalten von einem ebenfalls ruhigen Hintergrunde abzuheben. Wurden ihre Silhouetten zu stark betont, so ging der malerische Zusammenhalt verloren; wurden sie zu sehr mit dem Hintergrund verschmolzen, so verminderte sich ihre menschliche Bedeutung. So war es kein Zufall, sondern eine innere Notwendigkeit, die den Künstler zu einem neuen Ausdrucksmittel trieb. Das, was er in ihnen auszudrücken hatte, schrie förmlich nach Einzelgestaltung. Die Kunst aber, in der die Einzelgestalt zu ihrem vollsten Rechte kommt, ist nicht die Malerei, sondern die Skulptur.“ Man kann auch vermuten Meunier war sich der der Wirkung der Photographien seiner Werke ebenfalls sehr bewußt, „hat er doch nicht einmal gestattet, daß die in den öffentlichen Museen befindlichen photographiert würden.“ Man sollte die Nachwirkung der Bildchiffren von Meuniers Skulpturen deshalb nicht ohne ein Betrachten seiner künstlerischen Einflüsse und Ideale betrachten, da er laut Max Imdahl „begeistert für die Idealität antiker Figuren“ war und vermutlich wegen dieser Schwärmerei schon nach wenigen Jahren von der Malerei (erneut) zur Bildhauerei wechselte. Die den antiken Werken dogmatisch attestierte edle Einfalt und stille Größe, die er vor allem in den Statuen finden konnte, ließen sich mit den Mitteln der Malerei für seine Zwecke scheinbar nicht befriedigend verdeutlichen, so daß er die für ihn ganz eigentümliche Mixtur aus antiken Idealen und zeitgenössischen, arbeitsbedingten Morphologien und Strukturen einzig in dem Medium der Plastik, vorzüglich in der Skulptur überzeugend zu vermitteln suchte. Obwohl Meuniers Figuren nicht ebenmäßig gebaut sind (dadurch daß ihre Muskulatur bedingt durch die einseitige Beanspruchung der Arbeit nicht wirklich athletisch bzw. antik ideal sind) nimmt man sie trotzt ihren physischen Unregelmäßigkeiten als Heroen wahr. Die “realistische“ Darstellung vermengt mit antiken Zitaten bewahrt eine Sicherheit und Gelassenheit, die sich als Vorlage für “moderne“ Identifikationsfiguren hervorragend anbietet. (Vgl. Abb. 2, 3, 7 und 9) Die “Unperfektheiten“ der Figuren verleihen ihnen Authentizität, die für eine werbewirksame Kommunikation unerläßlich ist. Dieser Punkt ist insofern verständlich, da die heutigen Arbeiter, unabhängig von dem eingesetzten Gebiet ebenso einseitig gefordert sind: Die Menschen sollen Spezialisten sein, sollen einem einzigen “Fach“ genügen. Dementsprechend ergeben sich physische sowie psychische Verformungen, die mit denen in Meuniers Abbildungen durchaus vergleichbar sind.
Daher man kann Meunier unter dem Gesichtspunkt seiner zeitgenössischen Entwicklungen durchaus als sentimentalen Nachträumer der Antike bezeichnen. Parallel zu Meuniers Arbeit etablierte sich ein weiteres Phänomen das den offensichtlich derangierten Menschen gleichwertig zu den antiken Vorbildern zeigen wollte. In weiten teilen Europas, aber ganz besonders in Frankreich formte sich um die Jahrhundertwende eine Körperkultur, die in der Bodybuilding-Szene kulminierte. Um 1904 propagierte diese eigentümliche Bewegung Musterbilder, die sich in der industrialisierenden Gesellschaft mit genau deren Grundproblemen beschäftigte. Umgeben von zivilisatorischen Degenerationen, wie Alkoholismus, Prostitution, Syphilis, Massentransportation, anonyme Großstädte etc., empfohlen diese Bewegungen eine Rückbesinnung auf körperliche Gesundheit fern von diesen Makeln. „Es ist eine libidinöse Besetzung des Barbarischen, Ursprünglichen, Dampfenden, Staubenden im Gange, die ihren Reiz haben mag in einer Gesellschaft, in der alles immer kleinteiliger, komplizierter, unsinnlicher und schwerer zu handhaben wird.“ Das Beanspruchen des Körpers durch tägliche Arbeit lieferte aber anscheinend nicht das gewünschte Resultat, so daß bestimmte Partien anhand von antiken Pendants stärker herausgebildet wurden. Die Photographie wurde als Konsequenz ihrer “unbestechlichen“ Darstellungsweise als primäres Medium für die Publikationen der Bodybuilder eingesetzt. Anhand der existierenden Abbildungen von Statuen setzte man den eigenen Körper so in Szene, daß die Aufnahmen dieser Körper täuschend echte Imitate von abphotographierten Statuen abgaben. Selbst kleinste Details, wie Feigenblätter als Lendenschutz, nachgebaute Sockel auf die man positioniert wurde, penible Nachahmung von Gesichtsausdrücken und Kontraposthaltungen etc. belegen, daß die Idee, der man nacheifern wollte sich eindeutig von den damals erhältlichen Photographien antiker Plastiken ableitete. (Ebenso sind diese Photographien durch ihre Lichtwirkung, der Ausschnittwahl und ihren Aufnahmewinkeln akkurate Kopien.) Man ging soweit, nicht nur die Form und die Körperhaltungen nachzuahmen sondern selbst den Körper in seiner physischen Beschaffenheit den Statuen möglichst veristisch anzugleichen, in dem man die Haut von Behaarung “säuberte“ und anschließend puderte um das Material und die Textur der Statuen überzeugend imitieren zu können. Während die Begründer des Bodybuildings sich der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen komplett verweigern wollten und in die Welt der Antike flüchteten, in einem Sinne autistisch und egoistisch reagierten, ließ Meunier soziale Einflüsse in sein Figurenverständnis miteinfließen. „Auch “drapiert“ er seine Gestalten nicht mehr. Es giebt [sic] für ihn keine “Kostümfrage“, welche unsere Bildhauer aus dem Anfange und der Mitte des Jahrhunderts so sehr fürchteten, daß sie vor ihr ganz oder halb in das Land der Antike zurückflüchteten […] Meunier sieht seine Gestalten mit ihrer Tracht in Eins; sie ist ihm in der Phantasie völlig verwachsen mit seinen Menschen. Er vereinfacht ihr Gewand für seine künstlerischen Zwecke wie mit selbstverständlicher Sicherheit und kühner Unfehlbarkeit.“
Überlegungen zur Korrelation Photographie–Plastik

Das Schminken der Haut – der äußeren Schale – verdeutlicht, daß die Perzeption des Betrachters durchaus in eine bestimmte Richtung gesteuert werden sollte: Diese Manipulation zielte darauf ab, das Darzustellende aus seiner naturgegebenen Umwelt herauszulösen und in einen anderen, idealeren Zusammenhang zu stellen. (Vgl. Abb. 12, 13 und 14) Der moderne Mensch, der von der Zivilisation zerstört wird, soll der negativen Aspekte entledigt werden und im heftigsten Gegensatz zu den antiken, nachgesehnten Idealen positioniert werden. „In the 1980s, for instance, the English photographer Paul Martin cut out photographs of London laborers that, when pasted onto neutral backgrounds, turned these men into living sculptures, a practise that foreshadows much more recent work by Gilbert and George.“ Durch eine Isolation des Menschen von einem erkennbaren Hintergrund wird er ein weiteres Mal abstrahiert, da er sozusagen absolut ungebunden und unbedingt erscheint, was sich einem natürlichen, rational zu begreifenden Bild als totaler Widerspruch entgegensetzt. Die alltägliche Seherfahrung abstrahiert natürlich auch und dezimiert “unnötige“ Aspekte, aber eine völlig isolierte Darstellung ist im Prinzip unbegreifbar. Selbst ein vom Künstler eigenhändig gerahmtes Gemälde kann sich der Einflüsse von Außerhalb, wie etwa der Raumbeschaffenheit, der Wandfarbe und Textur, selbst der Gerüche und natürlich des Lichts etc., unmöglich widersetzen und wird nur oberflächlich als in sich geschlossenes, unverbundenes Kunstwerk wahrgenommen. Daher muß noch einmal betont werden, daß die Rezeption der Plastiken Meuniers bedingt durch die unterschiedliche Präsentation deren, ebenso heterogen sein muß. Eine Betrachtung der Werke in einer Ausstellung legt den Schwerpunkt auf eine Entwicklung oder ein Nebeneinander der Arbeiten, während Photographien die Einzigartigkeit betonen und dabei Eindrücke wie Leisten, Sockel, Beschriftung und weitere Aspekte, aus dem Blickfeld verbannen. Die Photographien versuchen natürlich die Statuen in das Bildzentrum zu stellen und den Schwerpunkt der Wahrnehmung auf den Plastiken zu belassen. Es wird versucht keinen Hintergrund zu zeigen, möglichst alle Partien scharf abzulichten oder eine dramaturgische Lichtführung zu vermeiden. Dieser dokumentarische Ansatz ist natürlich auf die Forderung der Bildhauer, der Museen und der Personen, die die Plastiken nicht im Original sehen konnten, zurückzuführen, diese möglichst in voller Größe und mit allen Details aus einer “natürlichen“ Perspektive zu zeigen – so als ob man davor stünde. All diese Faktoren lassen sich von der “normalen“ Wahrnehmung von Statuen ableiten, die in ihrer “natürlichen“ Umgebung ebenso vor einem relativ einheitlichen Hintergrund wahrgenommen werden. Dadurch, daß Statuen oftmals die Funktion eines Denkmals in einem öffentlichen Rahmen ausüben, sind sie meistens auch überlebensgroß und dazu noch auf einem erhöhten Sockel positioniert. Die Wahrnehmung dieser Plastiken ist stark von dem Aufblicken des Betrachters und der sich mit dem Himmel kontrastierenden Skulptur beeinflußt – diese ist schon aufgrund des Podestes immer erhoben und von der “Außenwelt“ abgesondert. Die Sicht einer Statue ist außerdem grundsätzlich eng mit dem Erfassen eines Vordergrundes und eines Hintergrundes verknüpft; Ebenso bewirkt die Isolation der eigentlich dreidimensionalen Plastik eine Reduktion auf deren Silhouette. „Ist ein Werk der Plastik zu groß, um es ins Zimmer zu stellen, so gehört es hinaus ins Freie, auf unsere öffentlichen Plätze und Parkanlagen. Hier aber ist die Wirkung der Silhouette in der landschaftlichen Umgebung die Hauptsache. Und die Werke, die der Meister [Meunier] dafür bestimmt hat, besitzen diese Silhouette im allerhöchsten Maße.“ Im Prinzip müßte sich jeder Bildhauer mit allen Mitteln gegen eine Photographie seiner Werke wehren, da sie doch die relevanten Aspekte einer Plastik völlig ignoriert und die Dreidimensionalität auf eine einzige, vorher nicht definierte und nicht legitime Perspektive reduziert. Ebenso verschweigen die Photographien die realen Größenverhältnisse der Werke und verweigern so eine schon vom Bildhauer vorgenommene Skalierung – die Bewertung der Werke liegt nicht mehr im Ermessen des Betrachters, sondern wurde vorher zensiert.

Durch diese mehrschichtige Herauslösung und Isolation der Figuren – sozusagen wegen ihrer individuellen Freiheit – verlieren sie auch die Bezüglichkeit zu einer wie auch immer gearteten Realität und damit auch die Integrität in ihrer Umwelt. „Dans ses peintures, ses personnages se meuvent dans un environnement qui crée l‘ambiance du tableau – ambiance que nous retrouvons aussi dans ses bas– reliefs. Mais il en est tout autrement dans ses figures isolées. Par leur seule présence, elles prennent une grandeur souveraine et concentrent l‘intérêt du spectateur pas la gravité qui émane de chacune d‘elles.“ Dadurch daß die Figuren aus ihrem Kontext entwurzelt sind und die einzig wahrnehmbare Grenze, in dem raumlosen und einfarbigen Hintergrund, die ihrer physischen Gestalt bleibt, präsentieren sie sich für den Betrachter unbelastet und schwerelos, da keinerlei Assoziationen außerhalb ihrer selbst in die Urteilsbildung mit einfließen. (Vgl. Abb. 1, 6, 8, 10, 12 und 14) „Generell ist die Malerei von ihren Möglichkeiten her sicherlich das Medium, das “Milieu und das Situationale von Szenen“ umfassender darzustellen vermag, die potentielle Verfügung über erzählerische Momente und Details erleichtert somit auch die Vergegenwärtigung von Tatbeständen der sozialen Wirklichkeit. Darin ist die Bildhauerei beschränkt, besonders im Fall der von jedem Umfeld getrennten Einzelfigur, für die Meunier eine gewisse Vorliebe hatte.“ Die Möglichkeit der universellen Einsetzbarkeit der Meunier- Figuren mag ihre Popularität begünstigt haben. Die Photographien der Figuren sind allein durch ihren Sockel nach unten hin begrenzt – nicht nur repräsentieren sie ohnehin bodenständige Menschen, sondern die Verbundenheit mit einem soliden, standhaften Fundament unterstreicht ihren Bezug zu einer Ursprünglichkeit und zur Basis. Obwohl nach allen Seiten hin (abgesehen von dem unteren Bildabschluß) grenzenlose Weite und Freiheit potentiell vorherrscht, besteht aber gleichzeitig die Gefahr einer latenten und abstrakten Bedrohung sozusagen aus dem Nichts. Ebenso zeigen die Figuren selbst, eine unterschwellige, noch nicht freigesetze Aggression, die auch auf ihre mitgeführten Gegenstände zurückzuführen ist, die mit revolutionären Bewegungen oder generell mit Gewaltanwendung in Verbindung stehen. Die Bestrebungen der U.S.A. selbst dann unentwegt zu expandieren nachdem die natürliche Grenze immer weiter bis an ein Limit verschoben wurde, übertrug sich in Post-Industrialisationszeiten auf eine Fokussierung des Alls oder der weiten, offenen Landschaften. Diese ideologisch manifestierten Bestrebungen finden sich nicht nur in den visuellen Medien Amerikas, sondern auch in gesellschaftlichen Anschauungen und in politischen Maximen, wie z.B. in dem sogenannten Star Wars Programm, das für die Bekämpfung einer aus dem All eintreffenden kosmischen Bedrohung vorgesehen ist.

Als gestalterisches Element zur Formulierung einer Aussage, bleibt lediglich die Silhouette als wahrnehmbare Struktur übrig, die einzig und allein durch ihre Umrisse und durch die Textur (auf der Figur) ein visuell entchiffrierbares Bild hinterlassen muß. „Zum Anblick des schwitzenden, ringenden, paradierenden männlichen Körpers tritt eine weitere eminent sinnliche Komponente. In der Herr der Ringe-Trilogie, in Gladiator und verwandten Produktionen gehört es zu den zentralen Anliegen der Kamera, die Textur der Accessoires erfahrbar zu machen, mit denen sich die Helden umgeben [.]“ Als Sediment befinden sich also wiederrum die Pose, die analog zur Silhouette zu sehen ist und die Haltung, die äquivalent zur Textur zu betrachten ist, in den Gestaltungen der Werke. Die Textur in Meuniers Arbeiten wird aber nicht mittels Kostümen dargestellt, sondern drückt sich mittels authentischer Kleidung und einer, der Psyche und der Lebensweise der Menschen angebrachten, rauhen Materialbehandlung aus. Die Figuren werden nicht unter Ornamenten und Geschwätzigkeit versteckt, haben keine antiken Gewänder oder drapierte Oberflächen sondern identifizierbare, ungestellte Kleidung, ohne die Intention diese als Maske einzusetzen. Zu der Differenzierung von Pose und Haltung kann man auch die Unterscheidung von Form und Inhalt parallel dazu setzen. Die Pose der Statuen erwächst im Prinzip einzig aus einer ästhetischen oder nach Außen hin repräsentativen Motivation, während die Haltung sich auf inhaltliche Beweggründe zurückführen lassen kann. Im Kontrast zu der zeitgenössischen Mass-Media-Kultur, kann man Meunier attestieren, er hätte in seiner bildhauerischen Arbeit eine gelungene Einheit von Form und Inhalt zum Ausdruck gebracht. Um die Vielschichtigkeit seiner Werke genauer zu erfassen, sollte man sich auch vor Augen halten, daß Meunier sich in seinen Arbeiterportraits durchaus in gewisser Weise als Schöpfer darin selbst reflektierte: Der persönliche Bezug zeigt sich anhand seiner eigenen, vergleichbar einfachen Verhältnisse in denen er als Arbeiterkind unter sechs Geschwistern aufgewachsen ist. Diese Reflexion oder Veräußerung der eigenen unverstellten Werte finden sich bei der Übernahme der Meunier-Posen in die heutige Welt nicht einmal mehr im Ansatz, da die Figuren der Werbung oder des Kinos von Anfang an als illusorische Blendung angedacht sind. „Meuniers Stil als Ganzes aber ist im tiefsten Grunde aus seinem eigenen Wesen und Schicksal herausgewachsen: der malerischen Schulung und Befreiung seines Auges und andererseits dem plastischen, an der Antike genährten Triebe seiner Jugend, der nun, wie aus einer unteren, längst überwachsenen Entwicklungsschicht wieder ans Licht herauf zu wirken begonnen hatte.“ Die Entwicklung, die man bei Meunier beobachten kann geht von einem individuellen Ansatz aus und mündet in einer abstrahierten Form dieser individuellen Züge, was ebenso als ein wesentlicher Punkt bei der Gestaltung einer Werbephotographie betrachtet werden kann. Ausgehend von einem Individuum, dessen Textur und Muster weitgehend unverfälscht dargestellt werden kann, erfolgt eine Abstraktion zu einer universell funktionierenden Figur, die einerseits in sich geschlossen und “natürlich“ wirkt, andererseits aber aufgrund ihrer Isolation und Reduktion vielseitig agieren kann und muß. So ergibt sich ein Gegensatz zwischen Gegenständen ohne präzise zeitliche und örtlich Konnotationen, orts- und regionsunabhängigen sowie geschlechts- und schichtsungebundenen Figuren auf der einen Seite und der äußerst detaillierten Darstellung deren Texturen auf der anderen Seite. Meuniers religiöse Bezüge stehen auch in enger Relation zu der christlichen Dialektik der Offenbarung (bzw. des Offenbarten) und des Offenbarenden. Die Arbeiterfiguren stehen für das Geoffenbarte, für die prophetische Vorschau auf ein neues Zeitalter, für die soziale Gärung und die neue Schicht, wobei Meunier selbst als der Offenbarende gelten kann, da er seine eigenen Wurzeln in den Werken zum Ausdruck bringt. In seinen Arbeiten kann man den eigentlich widersprüchlichen Aspekt des Geoffenbarten als auch der Offenbarenden als eine Einheit erkennen, da die Figuren das vom Künstler Geoffenbarte sind und sie gleichzeitig die bevorstehenden Veränderungen, dessen Opfer sie sind, von sich aus ohne Umwege offenbaren und mahnen. Sie symbolisieren in weiten Teilen auch die Verschiebung von einer Gesellschaft die in Religion bzw. Ethik verwurzelt ist, hin zu einem System das den Schwerpunkt auf Ästhetik legt. Es mag Zufall sein, daß Meunier die Gruppe der lamentierenden Mutter mit ihrem toten Sohn in seinem Grubenunglück so nahe an einer Pietà hält, jedoch ist die eindeutige Identifizierung der Arbeiter mit christlichen Personen nicht zu leugnen. Ebenso ist es offensichtlich, daß Meunier die Wirkung der Plastiken präzise einzuschätzen wußte, da sich der Bildhauer der Multiplikation und Reproduzierbarkeit seiner Werke stärker bewußt ist als etwa ein Maler oder Musiker. In Meuniers Fall mußten zur Herstellung eines Bronzegusses immer Zwischenstufen aus Gips angefertigt werden bis man die fertige Statue schließlich herstellen konnte – außerdem war er stets von Gehilfen umgeben, die Aufgabengebiete für ihn erledigten. Ebenso werden die Vorlagen zu einer Plastik auf ihre optimale Wirkung hin erprobt und mit Skalierungen die Wirkung der Größenverhältnisse perfektioniert.

Die verschiedenen optischen Aspekte, die ausgehend von Meuniers Skulpturen mit den Mitteln der Photographie betont wurden, wie Randlosigkeit und freier Hintergrund, das “Ausgestanzt-Sein“ aus einem alten Zusammenhang, verweisen womöglich auf das vorherrschende Bewußtsein in der Nordamerikanischen Kultur, die vergleichbare Werte tief verankert hat. Aufgrund der “Besiedelung“ des amerikanischen Kontinents durch “Einwanderer“ prägten sich Vorstellungen wie etwa die Forderung nach einer überall möglichen Adaption, dem Traum eines Neuanfangs in einem unbefleckten Background etc., die man neben den Werbephotographien auch in den amerikanischen Western nachzeichnen kann. Die Rand- und Grenzenlosigkeit der Plastiken bzw. der Photos, spiegeln vielleicht den uramerikanischen Traum der “Last Frontier“ wieder – die heutigen Photokonzeptionen und die damaligen Skulpturen von Meunier und Max Kalish, können vielleicht an den Archetypen des Cowboys, des hart arbeitenden, erdverbundenen, schmutzigen, nach Freiheit strebenden Westlers anknüpfen. In einem weiter gefaßten Sinne, könnte man auch die bei Meunier immer wieder angewandte Kontrapost-Haltung als Analogie zum “Aus-der-Hüfte-Schießen“ des Cowboys sehen. Als anschauliches Beispiel der verschiedenen Gegensätze der Werke Meuniers im Verhältnis zu den Medien, die sich seiner Arbeiten bedient haben könnten, läßt sich folgendes Schema aufmachen, das die Anliegen oder die Wirkungen der verschiedenen Seiten zeigt:
Werbephotographie und Kino Meuniers Werk
Bei der möglichen Anlehnung an das Œuvre Meuniers in nachfolgenden Arbeiten der Massenmedien, bleibt ein wichtiger Aspekt zu betrachten. Das Wahrnehmen der photographischen Reproduktion einer Statue im Vergleich zu einer tatsächlichen Statue unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt: Die Photographie dematerialisiert die Skulptur. Diese Wirkung läßt sich an der Unfähigkeit des Betrachters aufzeigen, die Skulptur auf einem Photoabzug auf Faktoren wie Größenverhältnis, Gewicht, Material etc. zu bewerten. Die als dreidimensional erkannte Plastik verschmilzt für den Betrachter mit der reduzierenden Photographie dieser – Das Photo der Skulptur ist die Skulptur. Anhand dieser Reaktion lassen sich zwei wesentliche Wirkungen ableiten, die beide eine manipulierbare Komponente aufweisen. Erstens suggeriert die Abbildung einer Plastik eine totalitäre Illusion von Neutralität, da es keine Rolle mehr spielt aus welchem Material diese gefertigt wurde und welche Bezüglichkeiten sie zu dem sie umgebenden Raum hatte, da der entscheidende Filter die photographische Umsetzung ist. Nahezu alle Aspekte der Individualität sowie der Referenz der Plastik zu ihrer Umgebung werden mit einem Schlag durch die Mittel der Photographie tatsächlich “abgeblendet“. Diese Faktoren begünstigten und förderten die massive und bis zur Perfektion getriebene Verwendung lichtbildnerischer Medien durch die nationalsozialistischen Apparate in Deutschland und die Beliebtheit vergleichbarer Vorgehensweisen in ähnlichen totalitären Strömungen weltweit. Zweitens entsteht durch das Abphotographieren der 3-D-Figuren ein Gefühl von physischer und psychischer Distanz bei den Betrachtern, das sich leicht in ein Gefühl des Begehrens lenken lassen könnte. Die Unnahbarkeit und Un-Faßbarkeit der dargestellten Objekte erzeugt ein Begehren sowie einen Drang diese doch in ihrer “wirklichen“ Form zu begreifen. Die von den Massenmedien initiierte Illusion von Neutralität verbunden mit der Wunschprägung des Begehrens können unter dem Begriff des Fetisch subsummiert werden. Im Prinzip zeichnet die Werbung Wunschbilder nach, die sich auf ein Haben-Wollen von Dingen fokussiert deren Präsenz beim Betrachter nicht vorhanden ist. Diese Argumentation wird insofern deutlich, da Fetisch laut Freud die Beschäftigung mit Gegenständen ist, die als Ersatz für etwas stehen, dessen Abwesenheit jemandem unerträglich ist. Meuniers Arbeiter mögen also bewußt oder unbewußt von den Massenmedien als Ersatz für eine verlorene Natürlichkeit und Reinheit oder einen unverblendeten Pragmatismus nachbereitet worden sein. „Constantin Meunier… c‘est nom évoque d‘abord la sculpture. L‘image première qui se présente en effet à l‘esprit est celle du Monument au Travail, du Puddleur, du Marteleur ou du Grisou, grandes figures ou reliefs de bronze enfouis dans la mémoire collective.“ Die Abbildungen der Arbeiterstatuen kamen vor allem der ureigenen Angst “westlicher“ Kulturen (vor einem Werteverfall), insbesondere der amerikanischer Attitüden entgegen, da sie essentielle abendländische Werte, wie Stabilität, Verläßlichkeit und Pragmatismus deutlich propagieren und diese mittels archaischen Motiven umreißen wollen. Außerdem verdeutlichen sie plakativ die kollektive Forderung der Gesellschaft nach Verwurzelung innerhalb der dominanten Ideologien der kapitalistischen Demokratie, insbesondere dem Glauben an Unabhängigkeit, Autonomie und Freiheit.

Resümee
Meunier, der zuerst als Geselle in einer Skulpturenwerkstatt arbeitete, sich dann von der Plastik abwandte und der Malerei zuwandte, dann aber wieder zur Skulptur zurückfand, könnte den Gang seiner eigenen Skulpturen widerspiegeln, die zunächst als Skizzen vorliegen, dann plastisch werden um dann letztendlich beim Betrachter als zweidimensionale Abbildung dieser anzukommen. Meunier zeigt in seinen Arbeiten eine ausgeprägte Maskulinität und männliche Energie: In dem Gestus des knieenden Bergmanns z.B., der stolz seinen Bizeps zeigt, führt er nicht nur die damalige Aristokratie vor, sondern aus einer retrospektiven Sicht aus betrachtet, stellt er auch die moderne westliche Arbeitswelt, die Dienstleistungsgesellschaft mit ihrer Armada aus gut ausgebildeten Bürofachkräften und Elite-Managern bloß, die Mittags ihre Diet-Coke trinken und Abends mit dem Firmenwagen zum Work-Out fahren. „Im Gegensatz zum Monumentalfilm der fünfziger Jahre sind die meisten erfolgreichen Großproduktionen der letzten Jahre allerdings Männerfilme im emphatischsten Sinn; sie beziehen ihre grundlegenden Motive aus dem male epic, aus Filmen wie Ben Hur, El Cid und Spartakus. […] Sein Schauwert ist fast ausschließlich an die Erscheinung des Mannes gebunden, genauer: an das Spektakel des männlichen Körpers. Schon beim flüchtigen Blick auf die Standbilder […] erschließt sich das homoerotisch-voyeuristische Moment des zeitgenössischen Sandalenfilms [.]“ Man kann sagen, daß Meunier mit seinen Arbeiterdarstellungen vorausahnend einen, zumindest in der westlichen Welt der sogenannten Industriestaaten, auslaufenden Menschentypus dokumentiert hat und die bereits gravierenden industriellen Umwälzungen visionär thematisierte. Und so wie Meunier, bewußt die Werte der Arbeiter oder auch unbewußt die Versklavung der unmündigen, zur Revolte unfähigen Angestellten darstellen wollte, so führt die heutige Werbung mit ihrer Wort- und Zeichensprache den Menschen vor. Der ehemals titanische Kampf der Arbeiter gegen ihre Unterjocher ist heute auf Posen reduziert, die von der Propagandaindustrie übernommen und zu ihrem Vorteil mißhandelt wurden. Auch die Vulgär- und Popkultur bedient sich solcher Bildchiffren (z.B. in Jugendzeitschriften, auf Plattencover etc.), mit dem Ziel der Absatzmaximierung, wobei sich das Medium der Photographie als ideales Mittel etabliert hat, da es Authentizität vermittelt sowie die Individualität des Dargestellten in einer naturalistischen Art und Weise darzustellen vermag. Weiterhin eignete sich die Photographie optimal zur Übernahme bzw. Fortsetzung der vorhandenen kunsthistorischen Bildsujets, da man mit der Maschine schnell arbeiten und vergleichsweise billig produzieren konnte und sie zu einer hohen Anzahl von “identischen“ Reproduktionen genützt werden konnte. So wie Meunier die manuellen Fähigkeiten der Arbeiter zu idealisieren versuchte, indem er in den Skulpturen eine Zuversicht, einen Utilitarismus und eine Sinngegebenheit sprechen ließ, so versucht die moderne Werbesprache einen bestimmten Typus des Konsumenten zu kreieren, der wohl nur in den seltensten Fällen, mit der “Realität“ des Alltagslebens kongruent ist, was Aussehen, Wünsche, Bedürfnisse etc. betrifft.

Obwohl die zu dieser Zeit im Gange befindliche Industrialisierung traditionelle Aufgaben und Arbeiten überflüssig gemacht hatte und ersetzte, konnte man in Meuniers Arbeiten immer noch den heroischen und idealisierten, kontrollierenden Arbeiter in Harmonie mit seiner Arbeitswelt dargestellt sehen. Dieser stumme Einklang der Arbeitskraft mit der Arbeitsstätte, war natürlich das von der Industrie favorisierte sprichwörtliche “Image“, das nach außen hin präsentiert werden sollte: Eine beschwichtigende und illusorische Täuschung der Arbeiterschaft, die mit der heutigen Einstellung seitens der Industriellen vergleichbar ist. Pessimismus wurde nicht geäußert, und bedingt durch die Vorgaukelung einer gegenseitigen Ergänzung führte dies scheinbar nicht zu einer Auflehnung in der visuellen Mainstream Kultur. Der heute vorgetäuschte Egalitarismus (der einem in Form von Versprechen wie etwa, jeder kann ein Star werden, oder der Behauptung alle Menschen seien gleich etc. propagiert wird), läßt eine kritische Hinterfragung der gesellschaftlichen Strukturen nur in abgemilderter Form zu, und unterscheidet sich damit radikal von der Haltung (als geistige und ideologische Position) in Zeiten Meuniers, mit der eine soziale Ordnung dargestellt bzw. angeprangert werden sollte und mit der die offensichtlichen Hierarchien den gesellschaftlichen Schichten bewußt gemacht werden sollten.

Die stoische Ruhe in den Skulpturen Meuniers, zeigen ein Ideal des perfekten Arbeiters (natürlich nicht aus Sicht des Arbeiters, sondern des Arbeitgebers), einen Soll-Zustand: Unterwürfig, zu müde zur Rebellion und im Endeffekt auch noch Stolz auf seine Arbeit. Obwohl eine latente, noch nicht freigesetzte Aggression, deutlich erkennbar ist, kamen die Darstellungen den Idealen reaktionärer und konservativer Kräfte Amerikas durchaus entgegen. In einem sonst so prüden Amerika, waren die erotisierenden und sexuell aufgeladenen Arbeiterbildnisse außerdem womöglich ein willkommenes Ziel für ein verstecktes Bedürfnis nach visueller Befriedigung bzw. für ein dekadenkt-bürgerliches Begehren nach Authentizität und Legitimation, die man in den stolz und zufrieden wirkenden Darstellungen der Meunier-Skulpturen nachvollziehen kann. Sexuell konnotierten Attribute, wie etwa laszive Posen mit forderndem Gestus, halboffene Münder, nackte Oberkörper, Schweiß, tierische Erschöpfung etc. waren ein erlaubtes und etabliertes Mittel in den Darstellungen der Arbeiter und wurden somit vermutlich mit ihren Bildchiffren vom Bürgertum bereitwillig in die Vitrinen ihrer Wohnzimmerschränke übernommen. So wie die Skulpturen als Scharnier zwischen Proletariat und Industrie fungierten, verhält es sich mit der Werbung, die als Mediator zwischen Konsument und Industrie ihren Platz gefunden hat – der Hersteller der Konsumgüter wurde schließlich zum Konsumenten derselben umgestaltet. Die Meunier Skulpturen hatten zwar eine beschwichtigende Wirkung, aber zumindest eine vom Künstler intentionierte Bedeutung und soziale Aufgabe; Die heutige Werbung und das Phänomen des “Mass- Media“ ist allein Mittel zur Manipulation der Massen, zur Überflutung und Übersättigung ihrer Bedürfnisse mit dem Ziel der Kontrolle und Unterdrückung. Im Vergleich mit der künstlerischen Intention Meuniers, entpuppen sich die heutigen Botschaften als lapidarer, banaler Abfall einer egozentrischen Industrie. Als Sediment der Arbeiten von Meunier, ist allein die Pose in seinen Darstellungen in unserer heutigen Zeit übriggeblieben – die ideellen Haltungen sind verkümmert oder wurden bewußt ausgeklammert. In der Werbung und dem “Mass-Media“ werden unter einer individuellen Textur versteckt, keine Individuen sondern lediglich Funktionsträger vermittelt – bei Meunier war noch deutlich eine “echte“ Individualität der Personen zu erkennen. Diese Umgestaltung der Figuren, die in der Lüge des “Me-Generation“–Wahns und in der Individualitätsneurose der modernen Gesellschaft mündete, bedient sich der gleichen Bildsprache wie Meunier es tat. Die Werbung spiegelt mit der Pose der Individualität die Haltung einer nivellierten Gesellschaft wieder, die sich bloß noch als stumme Konsumenten fiktiver Bedürfnisse betrachtet. Mit den Errungenschaften der Gewerkschaften, die mehr Freizeit und mehr Lohn beinhalteten, kam es zu einer Etablierung einer neuen Massen und Konsumgesellschaft, an der die Arbeiter maßgeblich partizipieren sollten. In den Werken des Bildhauers Max Kalish kann man eine entscheidende Differenz zu den Arbeiten Meuniers feststellen, da Kalishs Figuren ausschließlich einen nationalistischen Stolz zum Ausdruck bringen, der ganz bewußt im Kontrast zu den “versklavten“, “unglücklichen“ Genossen in der UDSSR stehen sollten. Die Aussage, man wolle die Natur nicht kopieren aber perfektionieren, zeigt den egomanischen Erschaffungsdrang der US-amerikanischen Ideologie und der westlichen Welt insgesamt, das im ersten Fall von einem calvinistische Modell des Erfolgs geprägt ist: Der Idee sich über den Schöpfer positionieren zu müssen und die Schöpfung besser machen zu wollen. Weniges vermag die blinde Seinsbejahnung, den materiellen Optimismus und den Sicherheitswahn besser zu symbolisieren, als der calvinistisch indoktrinierte Kapitalismus und die damals allgegenwärtigen Erektionen, die sich in Hochhäusern, in Börsencharts und in der Aviation manifestierten und in einer Megalomanie der Maximierung zu enden schienen. Dieser blinde Fortschrittsglaube fand schließlich im Börsencrash von 1929 erneut abrupt sein vorläufiges Ende. Die von Max Kalish oder später dann auch von dem Photographen Louis Hine, dargestellten Arbeiter, die im Kontext dieser noch prosperierenden Industrialisierung dargestellt wurden, waren auch maßgebliche Faktoren des industriellen Fortschritts und wurden auch als Symbole dessen angesehen und von der produzierenden Industrie als solche präsentiert. Die Darstellungen Kalishs sind völlig entproblematisiert und verharmlosend und zeugen mit ihrer Darstellungsform von einer ganz und gar bürgerlichen Kunstauffassung – Man könnte sie als Übergang von einem ehemals kritischen Standpunkt mit sozialen Interessen, wie es bei Meunier noch der Fall gewesen war, hin zu einer größtenteils propagandistischen und manipulativen Position ansehen. Die Repräsentation eines Ideals wird höher eingeschätzt als die kritische Reflexion darüber. Die Photographien Hines sind vor einem einheitlichen Hintergrund plaziert, so wie die Skulptur Meuniers auch keinen vom Künstler ausgewählten Hintergrund aufweist. Neben dem homogenen und raumlosen Hintergrund, haben die Figuren sowohl in den Werken Meuniers als auch in Kalishs und Hines Arbeiten meist nur wenige Gegenstände aufzuweisen, die meist mit ihrem (sozialen) Status verbunden sind. Diese Art der Darstellung wurde ebenso von der Werbephotographie adaptiert, die keinen Wert auf ablenkende Utensilien legt, sondern die in einer klaren und puristischen Weise, gezielt das Produkt im Einklang mit der dargestellten Person zeigt. Diese Grenzenlosigkeit, die den uramerikanischen Gedanken der “Last Frontier“ beinhaltete, sah man vielleicht in den Skulpturen am besten widergespiegelt und übernahm infolge dessen deren Bildsprache durch die Photographien.

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